Selbst kurzfristiges Überschreiten der Pariser Klimaziele hochriskant

Planet Erde fotografiert aus dem All. Bild: Nasa / Unsplash Licence

Energie und Klima – kompakt: Eine neue Studie zeigt, warum das 1,5- bis Zwei-Grad-Limit auf jeden Fall eingehalten werden muss. Denn ein Überschreiten kann später nicht mehr kompensiert werden. Ein Hoffnungsschimmer kommt aus Brasilien.

Wir haben an dieser Stelle darüber berichtet, dass es in Deutschland im Jahresmittel bereits mehr als 1,5 Grad wärmer geworden ist. Nun steigen die Temperaturen in unterschiedlichen Weltregionen stärker als in anderen. Dennoch sind wir mit 1,2 Grad durchschnittlicher globaler Erwärmung bereits gefährlich nah am Limit von 1,5 Grad angelangt.

Wir haben auch darüber berichtet, dass die Pläne für den Kohleabbau im Rheinischen Revier auch mit einem vorgezogenen Ausstieg im Jahr 2030 nicht mit dem Emissionsbudget vereinbar ist, dass Deutschland noch bis zur 1,5-Grad-Grenze verbliebe. Leider werden nicht nur in Deutschland Emissionsbudgets überzogen, weshalb die globale Erwärmung in diesem Jahrhundert laut Climate Action Tracker auch 2,2 bis 3,4 Grad betragen könnte, gemessen an der derzeitigen Klimapolitik der Länder.

Regierungen und fossile Unternehmen scheinen noch immer dem Glauben anzuhängen, zunächst über das Ziel (das eigentlich ein Limit ist) hinausschießen zu können, um das Klimaproblem im Nachhinein irgendwie technisch lösen zu können.

Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung warnt in einer neuen Veröffentlichung vor auch nur kurzfristigem Überschreiten der UN-Klimaziele von 1,5 bis 2 Grad. Ein solches Überschreiten "könnte das Kipprisiko für mehrere Elemente des Erdsystems um mehr als 70 Prozent erhöhen".

Selbst wenn es uns gelänge, die globale Erwärmung nach einer Überschreitung von mehr als zwei Grad auf 1,5 Grad zu begrenzen, würde dies nicht ausreichen, da das Risiko, einen oder mehrere globale Kipppunkte auszulösen, immer noch mehr als 50 Prozent betragen würde. Mit einer weiteren Erwärmung auf lange Sicht steigen die Risiken dramatisch an,

sagt Nico Wunderling vom PIK, Hauptautor der in Nature Climate Change veröffentlichten Studie.

Kippelemente im Erdsystem reagieren ab bestimmtem Punkt immer schneller

Zu den Kippelementen zählen etwa der grönländische und der westantarktische Eisschild. Deren Abschmelzen würde nicht nur den Meeresspiegel ansteigen lassen, sondern auch die Meeresströme beeinflussen. Der Nordatlantikstrom (wozu auch der Golfstrom gehört) würde sich abschwächen, was wiederum Temperatur- und Niederschlagsmuster verändert. Ein weiteres, ebenfalls mit dem Nordatlantikstrom verknüpftes Kippelement, das die Forschenden in ihre Simulationen einbezogen, ist der Amazonas-Regenwald.

Sie betrachteten verschiedene Szenarien für eine Überschreitung der globalen Erwärmung mit Spitzentemperaturen von zwei bis vier Grad. Die beiden Eisschilde zeigten sich schon bei geringen Temperaturüberschreitungen als gefährdet. Nordatlantikstrom und Amazonas reagierten in den Simulationen nicht ganz so früh. Wird der Kipppunkt aber einmal überschritten, würden sie umso schneller reagieren.

Selbst bei einem kurzzeitigen Überschreiten des Zwei-Grad-Limits beträgt das Risiko, dass Kippelemente im Klimasystem ausgelöst würden, noch über 50 Prozent. Allerdings bleibt auch unterhalb von 1,5 Grad ein gewisses Risiko erhalten.

Um alle Kipprisiken wirksam zu verhindern, müsste der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf höchstens ein Grad begrenzt werden – derzeit sind wir bereits bei etwa 1,2 Grad,

… sagt Jonathan Donges vom PIK.

Diese Erkenntnisse sollten eigentlich zu schnellerem und stärkerem Klimaschutz anspornen. Zumindest für den Amazonas-Regenwald gibt es mit dem Regierungswechsel in Brasilien einen Hoffnungsschimmer. Denn der Wald ist nicht nur durch globale Erwärmung und sich ändernde Niederschlagsmuster gefährdet, sondern momentan in erster Linie durch Abholzung und Brandrodung.

Der Wald könnte, wie an dieser Stelle berichtet, bereits jetzt sehr nah an seinem Kipppunkt sein. Lula da Silva, der am 1. Januar sein Präsidentenamt angetreten hat, hat versprochen, die Entwaldung zu stoppen. Eine schwere Aufgabe, bei der Lula mit der mächtigen Agrarlobby konfrontiert sein wird.

Bedeutsam, nicht nur, aber auch für den Erhalt des Amazonas ist, dass mit einem Ministerium für indigene Völker die Rechte der Indigenen des Landes gestärkt werden. Sônia Guajajara, bislang Aktivistin für die Rechte der Indigenen, führt das neue Ministerium.

Mit im Regierungskabinett ist erneut Marina Silva, die bereits von 2003 bis 2008 das Amt der Umweltministerin innehatte und die Ausweisung großer Naturschutzgebiete und den Schutz indigener Territorien im Amazonas hatte durchsetzen können. Zwischen Marina Silva und Lula gab es in der Vergangenheit aber auch erhebliche Differenzen, etwa im Hinblick auf den Megastaudamm Belo Monte.

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