Herkules-Aufgabe: Kann Wahlsieger Lula den Amazonas in Brasilien noch retten?
Energie und Klima – kompakt: Der Gewinner der brasilianischen Präsidentschaftswahlen will den Hunger und die Entwaldung stoppen. Doch um den Amazonas-Regenwald zu retten, muss schnell gehandelt werden, sagen Indigenen-Organisationen.
Brasilien hat einen neuen Präsidenten gewählt: Lula da Silva von der Arbeiterpartei PT setzte sich in der Stichwahl knapp gegen den rechtsextremen Amtsinhaber Jair Bolsonaro durch. Das ist in erster Linie ein Sieg für die Demokratie. Bolsonaros Wahlkampf war von Hassreden und Fake News dominiert.
Lula versprach in seiner Siegesrede, gegen den im Land grassierenden Hunger und gegen die Abholzung des Amazonas-Waldes vorgehen zu wollen. In der Amtszeit von Bolsonaro war die Entwaldungsrate stark gestiegen. Im Jahr 2021 gingen durch Abholzung und Brandrodung 13.000 Hektar Wald verloren; das ist der höchste Wert seit 2008. Lula war es in seinen ersten beiden Amtszeiten gelungen, die Waldvernichtung drastisch zu reduzieren.
Formal ist Brasilien beim Klimagipfel in Glasgow 2021 einem Abkommen beigetreten, die globale Entwaldung bis 2030 zu stoppen, eine Politikänderung hatte das allerdings nicht bewirkt. Einer der Gründe, warum in Brasilien immer mehr Wald verloren hat, ist, dass Aktivitäten wie illegaler Holzeinschlag, illegale Minen und Brandrodung für die Agrarindustrie nicht verfolgt wurden.
Der ungehinderte Landraub im Amazonas führt auch zu zahlreichen Menschenrechtsverletzungen, insbesondere gegen die dort lebenden indigenen Bewohner:innen. Die Invasion indigener Territorien ist unter Bolsonaro um 150 Prozent gestiegen.
Im Jahr 2019 verzeichnete Global Witness 24 Morde an Verteidiger:innen von Umwelt- und Landrechten, 90 Prozent davon im Amazonasgebiet. Vom Wahlsonntag wird berichtet, dass Indigene aus der Region Xingu nicht wählen konnten, weil öffentliche Transportmittel zu den Wahllokalen nicht zur Verfügung standen.
Um den Amazonas als größtes zusammenhängendes Waldgebiet der Erde zu retten, reicht es vielleicht nicht mehr, die Entwaldung stark einzudämmen oder gar komplett zu stoppen. Nach einem im September veröffentlichten Bericht des Netzwerks "Red Amazónica de Información Socioambiental Georreferenciada" (RAISG) ist der Kipppunkt für den Amazonas bereits jetzt erreicht, die Entwaldung bis zum Jahr 2030 zu stoppen könnte daher zu spät sein.
Wie bereits auf Telepolis berichtet könnte der Kipppunkt bei einem Waldverlust von 25 Prozent erreicht sein. Nach den Erhebungen von RAISG sind aber schon jetzt 26 Prozent des ursprünglichen Waldgebietes gerodet oder sehr stark degradiert. Diese Zahl bezieht sich auf das gesamte Amazonasgebiet in neun Ländern Südamerikas.
Es dürfte also, wie Gregorio Mirabal, Generalkoordinator der Koordinierungsstelle der indigenen Organisationen des Amazonasbeckens (COICA), formuliert, kein weiterer Hektar Wald verloren gehen.
Wir wissen, dass intakte Ökosysteme und Gebiete mit geringer Degradadierung 74 Prozent des Amazonas ausmachen und dass wir noch 6 Prozent wiederherstellen können, um den Schutz von 80 Prozent der Region zu erreichen und den Kipppunkt umzukehren,
schreibt Mirabal. Der ehrgeizige Plan, dem sich COICA verschrieben hat, heißt also Wiederherstellung von 80 Prozent des Waldgebietes, und zwar nicht bis 2030, sondern bis 2025. Gerade in Brasilien liegt ein bedeutender Teil der stark degradierten Gebiete, nämlich neun Prozent der gesamten ursprünglichen Waldfläche.
Nicht nur beim Schutz des Amazonas wird es für den designierten Präsidenten Lula alles andere als einfach werden, denn er wird gegen Mehrheiten aus dem rechten und pro-agroindustriellen Lager regieren müssen, wie die Lateinamerika-Nachrichten analysieren. Im Abgeordnetenhaus wird Bolsonaros PL die größte Fraktion stellen und auch wichtige Gouverneursposten gingen an Unterstützer Bolsonaros.
Um den Entwaldungstrend im ganzen Amazonasgebiet umzukehren, braucht es zudem noch Unterstützung aus den Nachbarländern. Auch in Bolivien sind bereits 20 Prozent des Waldes verloren und vier Prozent stark degradiert. Eine wichtige Rolle beim Erhalt der Waldökosysteme spielen deren indigene Bewohner:innen, wie unter anderem in einer Studie von 2017 erwiesen wurde. So besteht eine Forderung von COICA darin, dass indigene Gruppen offizielle Landtitel für ihre Territorien erhalten.
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