Separatistischer Run nach Russland

Bernhard Gulka

In der letzten Woche haben gleich drei separatistische Provinzen von Nachbarstaaten Russlands ihre Absicht erklärt, via Referendum der Russischen Föderation beitreten zu wollen: Donezk, Lugansk und Südossetien.

Die Krim als nach russischem Recht zum eigenen Land gehöriges Gebiet, dessen internationaler Status umstritten ist, könnte bald Gesellschaft kriegen. Nach einem ähnlichen Muster wie damals bei der Halbinsel- einem Referendum nach einer Unabhängigkeitserklärung - wollen nun auch die bisher ukrainischen Regionen Lugansk und Donezk sowie das georgische Gebiet von Südossetien den Weg in die Russische Föderation antreten.

Auf Lugansk folgt Donezk

Der Chef der sogenannten "Volksrepublik Lugansk", Leonid Pasetschnik, war der erste, der am 27. März ein solches Referendum "für die nahe Zukunft" ankündigte. Dabei war die strittige Unabhängigkeit dieses eigentlich ukrainischen Gebiets erst gut einen Monat zuvor von Russland anerkannt worden, was, wie wir heute wissen, die Ouvertüre zu einem neuen Krieg war. Die Truppen der Lugansker Rebellen beherrschten zu diesem Zeitpunkt gerade einmal die Hälfte der eigentlichen Region, die sie komplett beanspruchen. Inzwischen sind es in Folge militärischer Eroberungen mit russischer Hilfe wesentlich mehr, weshalb es jetzt wohl zur Ankündigung des Referendums kam.

Es dauerte nur zwei Tage, da kündigte auch der Chef der benachbarten "Volksrepublik Donezk", Denis Puschilin, an, dass seine Region ebenfalls den Beitritt in die Russische Föderation prüfe. Er drückte sich hier aus rein militärtaktischen Gründen wesentlich vorsichtiger aus als sein Kollege. Denn wesentliche Teile der Region, inklusive dem Stadtkern von Mariupol, werden immer noch von Ukrainischen Regierungstruppen gehalten. Und ein für den Beitritt nach Russland nötiges Referendum kann erst nach der vollständigen Eroberung stattfinden.

Ursache: Harter Kurs Moskaus gegenüber der Ukraine

Das alles passiert nicht etwa spontan, sondern ist eine Folge eines neuen, härteren Kurses Russlands gegenüber dem angegriffenen Nachbarstaat, dessen Ziel durchaus die weitere Verkleinerung des ukrainischen Staatsgebiets ist. Das wird schon daran klar, dass nach Eroberung der ukrainischen Region Cherson durch Russische Truppen dort ebenfalls plötzlich die Rede von der Gründung einer solchen "Volksrepublik Cherson" war, scheinbar durch prorussische Ukrainer.

Man kann hier von einer massiv aus Moskau geförderten Aktion ausgehen, da gerade in Cherson ein großer Teil der einheimischen Bevölkerung überhaupt kein Interesse daran hat, den ukrainischen Staat zu verlassen. Nur eine Minderheit ist hier - im Gegensatz zum Donbass - überhaupt russischer Muttersprachler. Gegen die russische Besetzung finden in Cherson trotz dem gewaltsamen Einschreiten der Besatzungstruppen immer wieder Demonstrationen statt.

Südosstische Trittbrettfahrer

Der scheinbare Run auf Russland hat mittlerweile einen Trittbrettfahrer produziert: Am 31. März erklärte der Präsident des fast nur von Russland anerkannten Zwergstaates Südossetien, Bibilow, ebenfalls im Mai oder Juni ein Referendum über einen Beitritt zu Russland abhalten zu wollen. Südossetien ist eigentlich eine abtrünnige Provinz Georgiens, während das benachbarte Nordossetien zu Russland gehört. Die Osseten gelten in der Region als russlandfreundliches Volk, was sie etwa 2004 zum Ziel des islamistischen Anschlags auf eine Schule im nordossetischen Beslan machte.

2008 wollte der georgische Präsident Saakaschwili Südossetien mit Waffengewalt zurück in den Machtbereich der georgischen Regierung holen. Durch ein massives russisch- militärisches Eingreifen kam es nicht dazu, sondern zu einer russischen Anerkennung eines südossetischen Staates mit gut 50.000 Einwohnern, der jedoch wiederum zu 90 Prozent aus dem russischen Staatshaushalt finanziert wird und dessen Einwohner zu 95 Prozent inzwischen auch russische Staatsbürger sind.

Interne Gründe statt Moskauer Anleitung

Dieses Konstrukt war noch nie im Sinne der von ihrer Religion orthodoxen Osseten, die mehrheitlich am liebsten in einer gemeinsamen Republik unter dem Dach der Russischen Föderation leben wollen. Eine georgische Minderheit vor Ort, die hier anders dachte, wurde im Zuge des Georgienkriegs 2008 vertrieben. Die russische Onlinezeitung Ridus erklärt denn auch den aktuellen Wunsch der Südosseten, gerade jetzt Teil von Russland werden zu wollen, mehr mit einer Wahlkampfaktion des Präsidenten Bibilow, als mit Druck aus Moskau.

Sie spricht von mehreren Skandalen, die Bibilows Wiederwahl bei einem Termin im April 2022 stark gefährdeten. Zwar sei er gegenüber Moskau stets handzahm gewesen, habe jedoch örtliche Probleme in seiner bisherigen Amtszeit nicht lösen können. Nun greife er die in Südossetien populäre Forderung eines Eintritts in Russland auf - falls er im April wieder gewählt werde.

Dass bei der georgischen Provinz die Initiative nicht von einer verdeckten Initiative Moskaus ausgeht, zeigt auch die zweite abtrünnige, prorussische Provinz Georgien Abchasien. Deren Parlament beeilte sich noch am Tag der südossetischen Erklärung festzustellen, dass sie einen Beitritt zu Russland nicht anstrebt und unabhängig bleiben will. Bei der Entwicklung in den nach Unabhängigkeit strebenden Teilen Georgiens scheint die Initiative, was geschieht, noch mehr vor Ort auszugehen, während man in der Ukraine durchaus von einer aus Moskau gesteuerten Einverleibung ausgehen kann.