Showdown mit Retrocomputern
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Mega – Commodore 65. Die Nachfrage nach neuen Retrosystemen und -spielen wächst ungebremst. Wie geht "angemessen retro"?
Kürzlich verkündete Atari, dass es die Produktion seiner neuen Spielkonsole VCS wegen mangelnder Käufernachfrage wieder einstellt. Dieser Rückzug stellt allerdings eher die Ausnahme als die Regel auf dem Markt dar, denn die Nachfrage nach neuen Retrosystemen und -spielen wächst ungebremst. Dies wird nicht zuletzt durch eine sehr aktive Hardware- und Software-Homebrew-Community befeuert, die selten so produktiv war wie 2022.
Als das "Museum of Electronic Games and Art" (M.E.G.A.) 2021 ankündigte, es wolle den berüchtigten Commodore 65, von dem nur wenige, unfertige Prototypen existieren, nun zu Ende entwickeln und auf den Markt bringen, herrschte in der Retrocomputing-Community gleichzeitig Skepsis und Euphorie.
Das Museum, von dem man gelegentlich schon durch seine Nachbauten (wie das Spiel "Tennis for Two", von M.E.G.A. als "T42" 2011 re-enacted) und Ausstellungen gehört hatte, hatte sich viel vorgenommen.
Aus den Entwicklungsunterlagen des Commodore 65, dessen Fertigung 1991 abgebrochen wurde, um dem hauseigenen Amiga-Computern keine Konkurrenz zu machen, anhand einiger bekannter Prototypen und vielen Gerüchten sollte ein fertiger 8-Bit-Computer entstehen?
Die meisten der im C65 verbauten ICs waren nie oder sind nicht mehr auf dem freien Markt erhältlich und mussten daher in FPGA nachgebaut werden (soweit die Schaltpläne der Chips bekannt waren). Das BASIC 10.0, das im C65 noch etliche Baustellen enthielt, musste zu Ende programmiert werden. Es bedurfte "neuer" Double-Density-Diskettenlaufwerke (3,5 Zoll) und natürlich Gehäuse- und Tastaturbestandteile.
Überdies musste das Gerät natürlich mit modernen Technologien ausgestattet werden, um angemessen "retro" zu sein: Neben einem HDMI-Anschluss sollte ein MicroSD-Karten-Slot enthalten sein und eine Möglichkeit, den MEGA65 über LAN ans Internet anzuschließen.
Als Sahnehäubchen sollte der Computer auf "traditionelle" Homecomputer-Weise das Licht der Welt erblicken: eine retro-chic designte Kartonverpackung, die alle notwendigen Zutaten enthält; ein Netzteil, eine SD-Karte mit Software und natürlich ein ausführliches, gedrucktes Handbuch, in dem auch das BASIC erklärt wird.
Neu und jetzt noch älter!
Und tatsächlich fand der MEGA65 einen Vertrieb und kam dann im Frühjahr 2022 zunächst für 666,66 Euro auf den Markt; die erste Charge an vorbestellten Geräten war heiß begehrt. Inzwischen ist eine Zweite bestellbar.
Und trotz des ansehnlichen Preises verkauft sich der MEGA65 gut. Denn anders als viele andere Retro-Systeme handelt es sich eben nicht um einen Hard- oder Software-Emulator, sondern um einen genuinen 8-Bit-Computer. Dieser bietet seinen Anwendern allerdings deutlich mehr als die Geräte der 1970er- und 1980er-Jahre: Die GS4510-CPU lässt sich optionale von 1 bis 40 MHz takten.
Der Betriebssystem-Kernel liegt auf einem Xilinx-Artix7-100T-FPGA, der noch weitere Kerne aufnehmen kann. Das Gerät ist auf vielfältige Weise erweiter- und konfigurierbar und die Community versorgt den MEGA65 beständig mit BASIC-Programmen, Demos, Spielen und Tools, etwa einem eigens angepassten GEOS-GUI-OS.
Look & Feel sind wie bei Homecomputern typisch. Eine solide Tastatur, genug Resonanzraum im Gehäuse und ein dröhnendes 3,5-Zoll-Laufwerk. Viele Besitzer beschreiben die erste Begegnung mit dem MEGA65 mit einem nostalgischen Schauer. Und dass man einen Commodore-artigen Computer vor sich hat, merkt man nach dem Einschalten auch recht schnell.
"Commodore" und das "C="-Logo durfte M.E.G.A. zwar aus lizenzrechtlichen Gründen nicht verwenden; dafür findet sich auf der Tastatur aber ein auf die Seite gekipptes "MEGA"-Logo, das dem berühmten "Chickenhead" schon recht ähnlich sieht.
Es gibt eine Wechselmöglichkeit vom MEGA65- in den C64-Modus, die via "GO64" (wie ein Commodore 128) ausgelöst werden kann. Damit laufen dann auch die allermeisten C64-Programme (vulgo: Spiele!) und lassen sich über Diskette oder als Disk-Images von MicroSD-Karte laden.