Sie ist wieder da, die Fünfte Kolonne Moskaus!
Verfassungsschutz Bayern versucht Analyse russischer Desinformation. Damit überschreitet das Gremium seine Kompetenz. Ein Kommentar.
Der bayerische Verfassungsschutz macht sich Sorgen. Mit einer neuen russischen Desinformationskampagne namens ‚Doppelgänger‘ verfolge Moskau das Ziel, "durch die Verbreitung bewusster Falschinformation und prorussischer Narrative in westlichen Gesellschaften Zweifel an liberalen demokratischen Werten zu säen".
Dabei schütten die Schlapphüte allerdings ganz eindeutig das Kind mit dem Bade aus. Natürlich sind "hunderttausende gefälschte Profile bzw. Identitäten in den sozialen Medien, dutzende gefälschte Webseiten von Leitmedien sowie eigene Fake-Nachrichtenportale" ein Ärgernis für die politisch Verantwortlichen.
Fake News sind in Deutschland – zumindest bisher – allerdings nur in sehr engem Rahmen strafbar, nämlich nur dann, wenn sie das Persönlichkeitsrecht Einzelner verletzen. Das kann etwa durch üble Nachrede, Beleidigung oder Verleumdung geschehen. Auch wer zu Gewalt aufruft, sie verherrlicht oder die Nazizeit verharmlost, muss mit Strafverfolgung rechnen.
Fake News selten strafbar
Alles andere – auch vorsätzliches Lügen – ist vollkommen legal; auch wenn es dem Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz nicht passen sollte.
Vollkommen abstrus aber wird es, wo sich die Nachrichtendienste für zuständig halten, den alltäglichen Umgang mit Informationen zu ihrem Arbeitsfeld zu machen:
Interessant erscheint an dieser Stelle, dass "Doppelgänger" neben Nachbauten von Zielwebseiten und der Nutzung von Meinungsseiten auch "Echtseiten" mit Originalinhalten etablierter Anbieter nutzte, diese aus dem Kontext zerrte und für seine Zwecke nutzte.
Bayerisches Landesamt für Verfassungsschutz
Ja, was sonst tun die Algorithmen der Sozialen Medien den lieben langen Tag? Laut Redaktionsnetzwerk Deutschland beschweren sich etwa die Nutzer auf Facebook immer wieder, dass politische Inhalte ihren Newsfeed dominieren. Dabei werden angeblich nur sechs Prozent aller Facebook-Inhalte politischen Themen zugeordnet.
Absurde Umtriebe
Und was sonst tun exzellent bezahlte Meinungsmacher, wenn sie der Weltöffentlichkeit etwa Brutkastenlügen oder Märchen von Saddam Husseins Massenvernichtungswaffen auftischen?
Wie absurd die Umtriebe der bayerischen Schlapphüte sind, zeigt sich auch daran, welche Quellen unter der antirussischen Lupe auffallen: In der akribisch geführten Liste finden sich der Focus neben dem NDR und Destatis neben der Jerusalem Post. Selbst ukrainische Regierungsbehörden geraten in den Verdacht, prorussische Narrative zu verbreiten.
Doch hier drohen keine Gefahren. Frei nach dem Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman kann man im Gegenteil daraus lernen, dass eine Menge Fakten offensichtlich prorussischen Ansichten Vorschub leisten.
Alte Hüte
Brisant ist, dass die Bayerischen Verfassungsschützer auch eine Liste von Medien erstellt haben, die ihrer Meinung nach "anscheinend grundsätzlich ins russische Narrativ passen". Hier werden rechtsradikale Angebote mit Sevim Dağdelen, den Nachdenkseiten und der Berliner Zeitung in einen Topf geworfen. En passant kommt auch Telepolis vor.
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All dies ist natürlich ein alter Hut und im Kalten Krieg schon einmal ziemlich erfolgreich durchgespielt worden. Der neu aufgeflammte Militarismus gehört genauso dazu wie die Versuche, die Öffentlichkeit auf stramm antirussischen Kurs zu trimmen.
Die Fünfte Kolonne
Und da wird mit genau den alten Sprüchen auf alle Druck ausgeübt, die man nicht auf Linie wähnt. Wieder einmal müssen sie als "Fünfte Kolonne Moskaus" herhalten, die das Spiel des Feindes betreibt. Ob Wetzlarer Kurier, t-online, Welt oder IPG: Sie alle reanimieren diesen Zombie aus dem Kalten Krieg.
Und sollte die Ukraine diesen vermaledeiten Krieg wirklich eines Tages verlieren, kommt bestimmt jemand und versucht es denen in die Schuhe zu schieben, die heute vor einem Atomkrieg warnen. Kann nicht sein? Doch, durchaus! Schon Heiner Geißler hat als CDU Generalsekretär davon schwadroniert, dass die Pazifisten der Weimarer Republik Auschwitz erst möglich gemacht hätten.
Der Pazifismus der 30er Jahre, der sich in seiner gesinnungsethischen Begründung nur wenig von dem unterscheidet, was wir in der Begründung des heutigen Pazifismus zur Kenntnis zu nehmen haben, dieser Pazifismus der 30er Jahre hat Auschwitz erst möglich gemacht.
Heiner Geißler, seinerzeit CDU-Generalsekretär und Bundesfamilienminister 1983 vor dem Bundestag
Vor vierzig Jahren hat eine solche Unverschämtheit allerdings noch einen Skandal ausgelöst.
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