Signalisiert die US-Regierung einen neuen endlosen Krieg in der Ukraine?

Kiew: Teil der Gedenkwand für die Gefallenen. Bild: Carsten ten Brink / CC BY-NC-ND 2.0

Während die Gegenoffensive scheitert, werden die Ziele für Gespräche stillschweigend verschoben. Die USA halten zugleich an maximalistischen Forderungen fest. Das birgt Gefahren.

In der Ukraine scheint sich ein ewiger Krieg anzubahnen.

Letzte Woche habe ich argumentiert, dass der Krieg in der Ukraine angesichts des Scheiterns der Kiewer Sommeroffensive zur Rückgewinnung bedeutender Gebiete von Russland und angesichts der maximalistischen Rhetorik, mit der die US-Regierung und die Nato-Verbündeten seit letztem Jahr die Öffentlichkeit von einer unbefristeten militärischen Unterstützung überzeugen wollten, Gefahr läuft, erneut verlängert zu werden, und zwar weit über das Datum hinaus, das die Regierung Biden im letzten Jahr festgelegt zu haben schien.

Branko Marcetic schreibt für Jacobin, Washington Post und Guardian.

Die Anzeichen dafür verdichten sich nun. Am Samstag letzte Woche berichtete die Financial Times, dass "US-Regierungsvertreter sich insgeheim auf einen Zermürbungskrieg vorbereiten, der bis weit ins nächste Jahr hinein andauern wird", und griff damit einen früheren Bericht des Wall Street Journal auf, wonach "Militärstrategen und politische Entscheidungsträger im Westen bereits über die Frühjahrsoffensive im nächsten Jahr nachdenken" und darüber, "wie man sich auf einen langwierigen Konflikt vorbereiten kann".

Das Journal warnte am Sonntag davor, dass sich der Konflikt zu einem "langwierigen Kampf entwickeln könnte, der sich über mehrere Jahre hinzieht", und stellte fest, dass das Ziel der Ukraine, alle verlorenen Gebiete zurückzuerobern, "in weite Ferne gerückt zu sein scheint".

Tom Malinowski, ehemaliger demokratischer Kongressabgeordneter und Beamter im Außenministerium der Obama-Regierung – jetzt Senior Fellow am McCain Institute – argumentiert in Politico:

Damit der Krieg in der Ukraine unter Bedingungen endet, die mit den amerikanischen Interessen und Idealen vereinbar sind, muss die Ukraine als Siegerin dastehen, und Russlands Invasion muss als entscheidender Fehlschlag in die Geschichte eingehen.

Malinowski verweist insbesondere auf die Erklärung von Präsident Joe Biden im Februar dieses Jahres, dass "die Ukraine niemals ein Sieg für Russland sein wird – niemals".

Am 10. August erklärte ein ungenannter hochrangiger Beamter gegenüber CNN, dass "wir nicht wissen, wie lange dieser Krieg noch andauern wird", aber dass das Weiße Haus "nicht davor zurückschrecken wird, in den Kongress zurückzugehen, auch jenseits des ersten Quartals des nächsten Jahres hinaus, wenn wir das Gefühl haben, dass wir das tun müssen".

Mit anderen Worten: Die Vereinigten Staaten und die Nato verschieben erneut die Zielpfosten in einem Krieg, der bereits durch eine ständige Ausweitung der Mission gekennzeichnet ist. Zumindest einige ihrer russischen Kollegen scheinen das genauso zu sehen, denn der ehemalige russische Präsident und stellvertretende Vorsitzende des Sicherheitsrates, Dmitri Medwedew, erklärte kürzlich: "Wenn es Jahre oder sogar Jahrzehnte dauern sollte, dann soll es so sein".

Das wirft jedoch die Frage auf, wann ein guter Zeitpunkt für die Beendigung des Krieges gekommen ist. Die ukrainische Regierung und ihre Befürworter behaupten, dass ihre Offensive durch einen Mangel an modernen militärischen Waffen behindert wird, obwohl Militärexperten darauf bestehen, dass keine Waffe ein "Wundermittel" gegen die eingegrabene russische Verteidigung ist und die Gründe für Kiews militärisches Versagen tiefer liegen. Diese Annahme ist nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass allein in den ersten Wochen der Offensive eine beträchtliche Menge an vom Westen gelieferten schweren Waffen zerstört wurde.

Wenn die nächste Offensive ähnlich scheitert, wird dann ein Waffenstillstand wieder verschoben werden? Wie viele Jahre könnte das noch dauern?

Die Kosten wären katastrophal

Selbst wenn Kiew in Zukunft eine erfolgreiche Operation gegen die russischen Streitkräfte durchführt, ist nicht sicher, dass sie zu einem Ende des Krieges führen wird. Zum einen könnte Moskau beschließen, eine eigene Gegenoffensive zu starten, um alle Erfolge der ukrainischen Streitkräfte zunichtezumachen, und damit vielleicht einen endlosen Kreislauf des militärischen Hin und Her in Gang setzen.

Oder es könnte zu einer Wiederholung des letzten Herbsts kommen, als Kiew und seine Nato-Unterstützer, ermutigt durch die großen Fortschritte bei der ukrainischen Gegenoffensive im September, die Idee von Gesprächen ablehnten, um einen "totalen Sieg" anzustreben, was letztlich zu katastrophalen Kosten führen würde.

Selbst jetzt halten die ukrainische Führung und viele ihrer westlichen Unterstützer an dem maximalistischen Ziel fest, die Grenzen des Landes von vor 2014 wiederherzustellen, wozu auch die Rückeroberung der Krim gehört.

Ironischerweise ist ein langwieriger Krieg genau das, was zumindest einige Nato-Beamte von Anfang an erhofft hatten, um Russland in seinem eigenen Afghanistan-ähnlichen Schlamassel gefangenzuhalten. So berichtete die New York Times im März 2022, dass die Regierung "der Ukraine helfen will, Russland in einen Sumpf zu führen".

Aber ein längerer Krieg wird nicht gut für die Ukraine sein, die bereits erschreckend hohe menschliche und wirtschaftliche Kosten durch einen langwierigen Krieg erlitten hat und die mit jedem Monat mehr und mehr in Schulden aufhäuft. Und auch für den Rest der Welt wird er nicht gut sein, da er die Lebenshaltungskosten weltweit in die Höhe treibt und gleichzeitig die bereits zweimal abgewendete Möglichkeit eines katastrophalen Nato-Russland-Krieges mit sich bringt, der in einen Atomkrieg ausarten könnte.

Sollte sich der Krieg bis ins nächste Jahr hinziehen, könnte er bei den Wahlen 2024 zu einem wunden Punkt in der Politik werden. Präsident Biden hat bei seinem Amtsantritt versprochen, "endlose Kriege" zu beenden und eine neue Ära "hartnäckiger Diplomatie" einzuleiten, während sein wahrscheinlicher Gegner, Donald Trump, in Bezug auf den Krieg eine pro-diplomatische Position eingenommen hat, was einen langwierigen Krieg in der Ukraine für Biden zu einer potenziell politischen Belastung macht.

Da die US-Öffentlichkeit und republikanische Gesetzgeber zunehmend gegen weitere Militärhilfe für die Ukraine sind, riskiert der Präsident, dass die US-Beteiligung am Krieg nicht zu seinen Bedingungen endet, sondern dass der Kongress die weitere Finanzierung einstellt. Hinzu kommt die Unberechenbarkeit der Kriegspolitik während des Wahlkampfes, die den Druck auf die Regierung erhöhen könnte, das Engagement Washingtons zu verstärken, damit eine vermeintliche Niederlage nicht Bidens Chancen auf eine Wiederwahl gefährdet.

Sogar US-Regierungsvertreter geben jetzt leise zu, dass der Vorsitzende der Generalstabschefs, General Mark Milley, "Recht hatte", als er Kiew aufforderte, das Beste aus seinen Erfolgen zu machen, indem es Ende letzten Jahres Frieden anstrebte, und dass "wir vielleicht ein Zeitfenster verpasst haben, um auf frühere Gespräche zu drängen". Dafür ist es jetzt vielleicht noch nicht zu spät.

Aber wenn die Regierung weiter zögert, riskiert sie, nicht nur Russland, sondern auch die Vereinigten Staaten und Europa in einen weiteren endlosen Konflikt zu verwickeln, dem ukrainischen Volk anhaltenden Schrecken zu garantieren und das Gespenst einer nuklearen Katastrophe über dem Rest der Welt schweben zu lassen.

Der Artikel erscheint in Kooperation mit dem US-Magazin Responsible Statecraft und findet sich dort im englischen Original. Übersetzung: David Goeßmann.