Sind rechte Parteien eine Gefahr für den "Klimaschutz"?
Eine Studie über Rechtsruck und Klimawandel verstellt den Blick auf die politische Wirklichkeit. Was lernen Schüler, die für den Klimaschutz auf die Straße gehen?
"Rechtsruck in Europa gefährdet Klimaschutz" lautet das Fazit einer Studie, über die kürzlich fast alle Medien berichteten. Dabei übernahmen vor allem die linken und linksliberalen Medien überwiegend die Aussagen des Instituts Adelphi, das die Studie veröffentlichte. Selten wurde berichtet, dass Adelphi zum Thema der Untersuchung eine ganz klare Agenda verfolgt, die im Profil so ausgedrückt wird:
adelphi ist eine unabhängige Denkfabrik und führende Beratungseinrichtung für Klima, Umwelt und Entwicklung. Unser Auftrag ist die Stärkung von Global Governance durch Forschung, Beratung und Dialog. Wir bieten Regierungen, internationalen Organisationen, Unternehmen und zivilgesellschaftlichen Akteuren maßgeschneiderte Lösungen für nachhaltige Entwicklung und unterstützen sie dabei, globalen Herausforderungen wirkungsvoll zu begegnen.
Profil von Adolphi
Es wäre also sicher zur Information der Öffentlichkeit nicht falsch gewesen, darüber zu informieren, dass adelphi einen ökologischen Kapitalismus anstrebt. Denn das hat Konsequenzen für die Studienergebnisse.
Rechte als Sprachrohr der alten fordistischen Branchen
Denn damit steht sie in Frontstellung nicht nur gegenüber einem Großteil der untersuchten rechten Parteien, die sich oft als Sprachrohre der alten fossilen Industriebranchen gerieren, die von den Fraktionen des grünen Kapitalismus in den Hintergrund gedrängt werden. Das können Kohlearbeiter in Polen und Großbritannien oder der USA oder Dieselbeschäftigte in Südwestdeutschland sein.
Dabei wäre es aber ein falsches Bild, von einem rechten Klassenkampf auf diesem Gebiet zu sprechen. Die Rechten versuchen Beschäftigte, Angestellte und auch Unternehmer in diesen Branchen anzusprechen. Es geht also um eine Sozialpartnerschaft der alten fossilen Branchen gegen den grünen Kapitalismus und seinen Versprechungen.
Dabei sind auch immer die länderspezifischen Unterschiede zu beachten. Denn, wie die Studie richtig herausarbeitet hat, sind nicht alle untersuchten rechten Parteien gegen Initiativen und Gesetze, die den grünen Kapitalismus fördern. So wird in der Studie darauf verwiesen, dass elf Parteien der untersuchten rechten Parteien keine konsistente Haltung zum Klimawandel haben. Manche messen dem Politikfeld weniger Bedeutung zu als anderen.
"Diese Parteien leugnen den Klimawandel nicht direkt, ihre Aussagen sind viel subtiler", sagt Studienautorin Stella Schaller mit Verweis auf die ultrarechte Politikerin Marine Le Pen vom französischen Rassemblement National (früher Front National), die ungeachtet aller wissenschaftlicher Belege mit Aussagen wie "Ich weiß nicht, ob der Mensch zum Klimawandel beiträgt" auffällt. Auch die polnische Regierungspartei PiS, die sich zwar als "Pro-Kohle-Partei" bezeichnet, aber die klimawissenschaftlichen Erkenntnisse nicht bestreitet, fällt in diese Gruppe.
Drei Parteien, nämlich die finnische PS, die ungarische Fidesz und die lettische "Nationale Allianz", unterstützen den wissenschaftlichen Mainstream zum Klimawandel, auch wenn sie im EU-Parlament dennoch häufig gegen umwelt- und klimapolitische Maßnahmen stimmen.
Sind nicht kapitalfreundliche Parteien das größere Hindernis für einen effektiven "Klimaschutz"?
Doch ist es eine Spezialität extrem rechter Parteien, gegen Umweltgesetze und klimapolitische Maßnahmen zu stimmen? Ist das nicht gängige Praxis all der Parteien der sogenannten Mitte, die sich wortreich zu den berühmten Pariser Klimazielen bekennen und dann in EU-Gremien Sonderregeln für Dieselfahrzeuge aushandeln und mit allen Mitteln verhindern, dass das Kerosin stärker besteuert wird?
Das hat weniger mit der Frage zu tun, ob sie die wissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels infrage stellen, sondern für bestimmte Industriebranchen günstige Verwertungsbedingungen herausholen wollen. Daher müsste sich doch die Frage stellen, ob diese kapitalfreundlichen Politiker der unterschiedlichen Fraktionen nicht das größere Hindernis für eine Umweltpolitik im Interesse der Mehrheit der Menschen sind, als die untersuchten Rechtsparteien. Schließlich sind diese zurzeit noch in der Minderheit.
Hier zeigt sich, wie die ökokapitalistische Agenda von Adelphi die Fragestellung und dementsprechend natürlich auch die Ergebnisse der Studie entscheidend beeinflusst. Wie im Mainstream der politischen Diskussion soll es nur die Alternative geben, dass man entweder einen grün-angestrichenen Kapitalismus unterstützt oder zur Rechten gezählt wird. Bei einem solchen Setting kann natürlich die Frage gar nicht gestellt werden, ob die nichtrechten Parteien nicht das größere Problem für eine Umwelt sind, in der alle Menschen ein gutes Leben haben.
Natürlich wird auch gar nicht erst die Alternative jenseits rechter Verteidigung der alten fossilen Branchen und eines grünen Kapitalismus benannt. Denn natürlich gibt es auch linke und basisgewerkschaftliche Initiativen, die keineswegs den kapitalismusgemachten Einfluss auf das Klima leugnen und trotzdem keinen grünen Kapitalismus propagieren. Es gibt zahlreiche ökosozialistische Vorschläge auch für eine aktuelle Politik, die aber systematisch ausgeblendet werden, natürlich auch in der Studie eines Instituts, für den es eine solche Alternative einfach nicht gibt.
Dabei sind sich die Vertreter des grünen Kapitalismus mit den rechten Parteien in einem einig, nämlich in der Ablehnung von Klassenkämpfen. Beide propagieren den sozialpartnerschaftlichen Schulterschluss zwischen Lohnabhängigen und Managern. Während aber der Großteil der rechten Parteien die Sozialpartnerschaft der fossilen Branchen propagiert, setzen die Anhänger des grünen Kapitalismus auf eine solche Kooperation in ihren Branchen.
Was kann die neue Jugendumweltbewegung besser auf der Straße als im Leistungskurs lernen?
Beiden Richtungen ist auch gemein, dass sie mit Floskeln und Füllwörtern arbeiten, die beliebig interpretierbar sind. Dazu gehört auch die Vokabel vom Klimaschutz, die heute in keiner Verlautbarung des grünen Kapitalismus fehlen darf. In der erwähnten Umfrage steht er gleich in der Fragestellung. Da werden mit Klima und Schutz bewusst zwei positiv besetzte Begriffe verwendet. Zudem bleibt dann offen, was eigentlich genau getan werden muss und welche gesellschaftlichen Verhältnisse überhaupt verantwortlich sind für die Misere.
Die gerade in vielen liberalen und linken Kreisen so populäre neue Jugendumweltbewegung, es gab bereits vor zwei Jahrzenten eine, die auch jährliche Kongresse veranstaltete, lebt gerade von dieser Unbestimmtheit. Wenn Schüler auf die Straße statt in den Unterricht gehen, um "das Klima zu retten", dann stehen auf der einen Seite diejenigen, die rügen, dass ein Fernbleiben vom Unterricht nicht akzeptabel sei, und auf der anderen Seite die vielen anderen, die sich hinter die jungen "Klimaretter" stellen.
Es stimmt ja, dass sie auf der Straße oder vor den Toren von Ministerien mehr lernen können, als in den Schulen können. Doch was kommt bei dem alternativen Lehrplan in den Fragenkatalog? Ganz oben könnte dort die Frage stehen, was eigentlich mit Klimarettung gemeint ist? Welche Rolle spielt dabei der Kapitalismus? Warum beruft man sich auf die Pariser Klimabeschlüsse, die auch ein Großteil der Politiker unterstützen, die aber wiederum das große Interesse daran haben, dass alles im kapitalistischen Rahmen bleibt?
Müssten die jungen Leute, die so vehement und berechtigt, ihr Recht auf ihre eigene Zukunft einfordern, nicht erkennen, dass viele Menschen auf der Welt ein würdiges Leben schon heute verweigert wird, sowohl im globalen Süden, aber auch in Deutschland? Müsste daher der Kampf um die eigene Zukunft, wenn er nicht aus einer reinen Mittelstandsperspektive geführt wird, auch die Etablierung einer sozialen Bewegung sein? Und was ist mit den Kämpfen der Menschen, die unter dem Namen eines grünen Kapitalismus den Gürtel enger schnallen sollen, sei es durch Mieterhöhung für energetische Sanierung aber auch durch Erhöhung von Spritpreisen bei gleichzeitigen Abbau von öffentlichen Nahverkehr, was mit zu den Protesten der Gelbwesten in Frankreich geführt hat?
Diskussionen und vielleicht auch Antworten auf solche Fragen werden mit darüber entscheiden, ob die Jugend auf der Straße mehr über die Gesellschaft lernt als im Leistungskurs der gymnasialen Oberstufe. Die Antworten aber finden sich nicht bei den Protagonisten des grünen Kapitalismus und daher auch nicht in der Adelphi-Studie. Sie würde sich in der Kritik an beiden eher finden.