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Sinkende Einkommensunterschiede setzen Männer unter Druck

Bild: Michael Vadon/CC BY-2.0

Durch Globalisierung bedrohte weiße Männer ohne College-Abschluss haben Trump gewählt, eine Studie weist auf die Folgen der Deindustrialisierung vor allem für den Heiratsmarkt hin

Woher kommen die Wut und die Antiglobalisierungsstimmung der weißen Männer im vorwiegend mittleren Alter, die nicht in den boomenden Großstädten leben und Donald Trump wählten? Also den Politiker, der wie andere Rechtspopulisten Stimmung gegen die Globalisierung, gegen die Einwanderer/Ausländer und gegen das gesellschaftliche Establishment aus Politik, Medien und Kultur macht. Wenn Trump auf Jobs setzt, die Unternehmen aus dem Ausland zurückholen und Handelsbarrieren errichten will, zielt er damit auf einen wichtigen Teil seiner Wählerschaft.

Nach Exit-Polls [1] wählten 57 Prozent der weißen Amerikaner Trump, mehr weiße Männer (62%) als Frauen (52%) , aber auch viele junge Weiße (47%) und vor allem Zweidrittel derjenigen, die keinen Hochschulabschluss haben. Wie The Atlantic berichtet [2], sollen sich auch viele der Weißen und vor allem die Jungen aus dem politischem und kommunalem Leben zurückziehen. Das betreffe vor allem die Arbeiterklasse (working class) in wichtigen Swing States wie Pennsylvania oder Michigan

Eine vom National Bureau of Economic Research veröffentlichte interessante Studie von David Autor vom MIT, Gordon Hanson von der University of California und David Dorn von der Universität Zürich ("When Work Disappears: Manufacturing Decline and the Falling Marriage-Market Value of Men") bringt einen neuen Aspekt für die Attraktivität der Rechtsnationalen ins Spiel, der mit der Schicht der Männer ohne Hochschulabschluss zu tun hat, die in der verarbeitenden Industrie tätig sind, um ihre Jobs fürchten oder diese bereits verloren haben. Weil ihre Karriere- und Einkommensaussichten sinken oder wegbrechen, sinkt auch ihre Attraktivität auf dem Heiratsmarkt und damit wohl auch bei der Partnerwahl. Das macht wütend und verzweifelt.

An Orten, wo es überwiegend verarbeitende Industrie gibt, ist diese ein Angelpunkt, ein Grundstein der Lebensweise, in der die Männer relativ stabile, mäßig hohe Einkommen haben und Frauen eher mit ihnen verheiratet sind.

David Autor

Allerdings sind die Ergebnisse wohl über diese Schicht hinaus gültig. In den letzten Jahrzehnten ist der Anteil der jungen Menschen, die verheiratet sind, stark zurückgegangen. Zwischen 1979 und 2008 fiel der Anteil der Frauen im Alter von 25-39 Jahren, die verheiratet sind, bei den Hochschulabgängerinnen um 10 Prozent und um 20 Prozent bei denjenigen, die einen Highschool-Abschluss oder weniger haben. Parallel dazu steigt die Zahl der der Kinder in Alleinerziehenden-Haushalten, so hat sich in etwa derselben Zeit die Zahl der Kinder von unverheirateten Müttern fast verdoppelt.

Seit der Finanz- und Wirtschaftskrise wurde in den USA deutlich, dass mehr Männer als Frauen von deren Folgen betroffen waren und dass die Gehälter der Männer stärker darunter leiden. Zunehmend rücken Frauen in höhere Positionen auf, macht ein höherer Anteil Hochschulabschlüsse und verdienen auch Frauen auch öfter mehr als die Männer. In den USA stagniert das Erwerbspersonenpotenzial [3], also die Zahl der Menschen, die dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, und ist von 66,4 Millionen 2007 auf knapp 63 Millionen gesunken. Wo ein höherer Anteil der Männer und Frauen im verarbeitendem Gewerbe arbeiten, ist der Einkommensunterschied zwischen ihnen deutlich größer und sind Frauen im Alter von 18-35 Jahren eher verheiratet, als in Regionen mit einer geringeren Beschäftigung in dem Sektor oder mit einer hohen Arbeitslosigkeit der jungen Menschen.

Sinkende Einkommensunterschiede machen Männer weniger attraktiv

Sinkende Einkommensunterschiede und Arbeitslosigkeit wirken sich, so die These der Wissenschaftler, negativ auf den Heiratsmarkt in den Regionen aus, in denen viele im verarbeitenden Gewerbe tätig oder nach der Krise in die Arbeitslosigkeit gerutscht sind. Aus Sicht der gering ausgebildeten Frauen wächst die Unsicherheit, was Einkommen und Status der Männer nach der Schwangerschaft betrifft, was dazu führt, dass weniger oft geheiratet wird, aber die Zahl der außerehelichen Kinder steigt, wenn Männer mit guter Ausbildung und höherem Einkommen auf dem lokalen Heiratsmarkt Mangelware sind. Steigt jedoch die Arbeitslosenquote bei den jungen Frauen mit geringer Qualifizierung relativ an, erhöht sich Heiratsbereitschaft.

Bei Wirtschaftskrisen oder bei steigenden Importen aus dem Ausland sollen sich die Mechanismen auf dem Heiratsmarkt besonders nachhaltig auf dem unteren Ende der Einkommensschichten auswirken. Die Zahl der Männer, die arbeitslos sind oder weniger verdienen, auch weniger als die Frauen, steigt, während ihre Attraktivität für die Frauen sinkt. Dazu kann ein Anstieg im Drogen- und Alkoholkonsum, der Kriminalität und auch der Mortalität kommen.

Die Autoren gehen in der Studie vor allem den Auswirkungen einer erhöhten Einführung von chinesischen Waren auf dem US-Arbeitsmarkt nach, was sie als "Handelsschock" bezeichnen und was auch erklärlich machen könnte, warum Trump auch mit seiner Antiglobalisierungspolitik, die sich stark gegen China richtete, Wähler an sich ziehen konnte. Allerdings sagen sie, dass ihre Analyse der sich verändernden Strukturen auf dem Heiratsmarkt und der Fertilität durch "exogene Schocks" auf lokale Arbeitsmärkte nicht allein und auch nicht primär durch die gestiegenen chinesischen Importe erklärt werden könnten. Aber sie glauben gezeigt zu haben, dass Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt und gestiegene Arbeitslosenquoten in bestimmten Sektoren sich vor allem auf die Männer und deren Chancen auf dem Heiratsmarkt auswirken.

Steigende Mortalität nach Schocks auf lokale Arbeitsmärkte

Nach den Berechnungen der Wissenschaftler würde ein "Schock" von einem Punkt Anstieg chinesischer Importe auf hauptsächlich männliche Beschäftigung zwischen 1990 und 2007 den Anteil der 18-25-jährigen Frauen, die keine Heirat eingehen, um 3,9 Prozentpunkte ansteigen lassen, während ein solcher "Schock" auf überwiegend weibliche Beschäftigung den Anteil der jungen Frauen, die niemals verheiratet waren, um 3,1 Prozentpunkte senkt.

Ganz allgemein würden "negative Schocks auf die lokalen Arbeitsmöglichkeiten durch wachsende internationale Konkurrenz mit China bei den industriell hergestellten Waren zu erhöhter Arbeitslosigkeit bei Männern und Frauen, zu einer Verringerung des relativen Einkommens der Männer, besonders am unteren Ende der Einkommensschicht, führen". Dazu gebe es einen Anstieg der Mortalität aufgrund riskanten oder ungesunden Verhaltens, einen Rückgang der Heiratsquote bei den jungen Menschen, einen Rückgang der Fertilität mit einem Anstieg der Geburten von minderjährigen und unverheirateten Müttern und einen steilen Anstieg des Anteils von Kindern in verarmten Haushalten, weniger stark in alleinerziehenden Haushalten.

Sollten die Analysen für die "Handelsschocks" auf den Arbeits- und Heiratsmärkten für die Regionen, in denen das verarbeitende Gewerbe wegbricht, das Mitte des 20. Jahrhunderts den Wohlstand breiter Schichten garantiert hat, aber seit Jahrzehnten schrumpft, zutreffen, dann dürfte auch die kommende Automatisierungswelle ähnliche Folgen haben. Dann wären aber nicht nur die Arbeitsplätze von Arbeitern betroffen, sondern auch die von Höherqualifizierten und Akademikern, was nach der Studie den Heirats- und Partnermarkt noch maßgeblicher beeinflusst.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-3644515

Links in diesem Artikel:
[1] http://edition.cnn.com/election/results/exit-polls
[2] https://www.theatlantic.com/politics/archive/2017/03/religiously-unaffiliated-white-americans/518340/
[3] https://data.bls.gov/timeseries/LNS11300000