Sondierungspapier: Was die künftige Regierung zu Energiekosten und Entlastung der Bürger plant
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Die Große Koalition in Vorbereitung: Wettbewerbsfähige Strompreise, Steuererleichterungen und Klimaschutz – Die Weichenstellung.
Telepolis liegt exklusiv das interne Papier vor, mit dem sich SPD und Union am 8. März 2025 auf die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen geeinigt haben.
Das 12-seitige Dokument enthält bereits konkrete Vorhaben und Maßnahmen für eine mögliche Große Koalition unter Führung eines CDU-Kanzlers.
Potentialwachstum erhöhen
Im Bereich Wirtschaft kündigen die Parteien an, "den Standort Deutschland wettbewerbsfähig zu machen – mit Vertrauen, Entschlossenheit und Planungssicherheit". Ziel sei es, "das Potentialwachstum in Deutschland wieder auf deutlich über ein Prozent zu erhöhen".
Man wolle "Investitionen und Innovationen für nachhaltiges Wachstum, neuen Wohlstand und Arbeitsplätze" fördern sowie "Mittelstand und Handwerk den Rücken stärken".
Industriestrompreis
Als konkrete Maßnahmen werden unter anderem "wettbewerbsfähige Energiekosten" durch einen Industriestrompreis genannt. Dazu heißt es:
"Für schnelle Entlastungen um mindestens fünf Cent pro kWh wollen wir in einem ersten Schritt die Stromsteuer für alle auf das europäische Mindestmaß senken und die Übertragungsnetzentgelte halbieren. Ziel ist eine dauerhafte Deckelung der Netzentgelte."
Kraftwerkstrategie mit Reservekraftwerken
Zur Erhöhung des Energieangebots sollen laut dem Papier "künftig Reservekraftwerke nicht nur zur Vermeidung von Versorgungsengpässen, sondern auch zur Stabilisierung des Strompreises zum Einsatz kommen".
Den Bau von bis zu 20 GW an Gaskraftwerksleistung bis 2030 wollen Union und SPD "im Rahmen einer zügig zu überarbeitenden Kraftwerksstrategie anreizen".
Ziel: Energieintensive Industrie CO2-neutral machen
Ein weiteres Ziel ist es, die energieintensive Industrie CO2-neutral zu machen. Dazu kündigen die Parteien an, "umgehend nach Beginn der Wahlperiode ein Gesetzespaket zu beschließen, das die Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid (CCS) insbesondere für schwer vermeidbare Emissionen des Industriesektors ermöglicht".
Außerdem müsse das Wasserstoffkernnetz "deutschlandweit die industriellen Zentren anbinden, auch im Süden und Osten Deutschlands".
Als "marktgerechtes Instrument" wollen SPD und Union zudem "Leitmärkte für klimaneutrale Produkte schaffen, z.B. durch Quoten für klimaneutralen Stahl, eine Grüngasquote oder vergaberechtliche Vorgaben".
Man stehe zu den deutschen und europäischen Klimazielen, wolle aber "Klimaschutz, soziale Ausgewogenheit und wirtschaftliches Wachstum pragmatisch und unbürokratisch zusammenbringen", heißt es in dem Papier.
Industriepolitik und E-Mobilität
Strategisch wichtige Branchen wie Halbleiterindustrie, Batteriefertigung, Wasserstoff oder Pharma sollen in Deutschland gehalten bzw. neu angesiedelt werden.
Dabei könne "die Clusterarbeit u.a. der ostdeutschen Länder für Halbleiter ein gutes Beispiel sein". Die Möglichkeiten des European Chips Act sowie der IPCEI sollen genutzt werden.
Zur Automobilindustrie bekennen sich SPD und Union "klar zum Automobilstandort Deutschland und seinen Arbeitsplätzen". Man setze dabei auf Technologieoffenheit und wolle sich "aktiv dafür einsetzen, Strafzahlungen aufgrund der Flottengrenzwerte abzuwehren".
Gleichzeitig solle die E-Mobilität "durch einen Kaufanreiz" gefördert werden. "Bei der Bewältigung der Transformation unterstützen wir auch die Zulieferer", versprechen die Parteien.
Steuerentlastungen
Steuerentlastungen sind ebenfalls vorgesehen: "Wir werden die breite Mittelschicht durch eine Einkommensteuerreform entlasten und die Pendlerpauschale erhöhen", heißt es in dem Papier. Für Unternehmen soll es "sofort nach Regierungsübernahme spürbare Anreize für Investitionen in Deutschland" geben.
In der kommenden Legislaturperiode werde man zudem "in eine Unternehmenssteuerreform" einsteigen.
Zur Vergabe von Eigen- und Fremdkapital bei Investitionen wollen Union und SPD "im Zusammenspiel von öffentlichen Garantien (z.B. KfW) und privatem Kapital Investitionsfonds auflegen, z.B. für Venture Capital, Wohnungsbau und Energieinfrastruktur".
Gastronomie und Verbraucher sollen entlastet werden, indem "die Umsatzsteuer für Speisen dauerhaft auf sieben Prozent" reduziert wird. Den Landwirten versprechen die Parteien, "die Agrardiesel-Rückvergütung vollständig wieder einzuführen".
Bürokratieabbau
Auch Bürokratieabbau wird angekündigt:
"Überbordende Bürokratie werden wir zurückbauen, etwa durch die Abschaffung von Berichts-, Dokumentations- und Statistikpflichten. Zudem werden wir die Zahl der gesetzlich vorgeschriebenen Betriebsbeauftragten signifikant reduzieren."
Man orientiere sich dabei am Vorschlag des Normenkontrollrates, "die Bürokratiekosten für die Unternehmen in den nächsten vier Jahren um 25 Prozent zu reduzieren".
Vorrang für Forschung und Innovation
Forschung und Innovation sollen Vorrang bekommen. SPD und Union kündigen "ein schlagkräftiges Programm für Forschung, Innovationen, Technologien, Transfer und Entrepreneurship" an – "eine Hightech-Agenda für Deutschland".
Die Fusionsforschung wolle man stärker fördern mit dem spektakulären Ziel:
"Der erste Fusionsreaktor der Welt soll in Deutschland stehen."
Zudem wollen die Parteien "die Chancen von Künstlicher Intelligenz und Digitalisierung stärker nutzen". Dazu brauche es "eine massive Aufstockung der Mittel für Forschung und Entwicklung".
Die Wissenschaftsfreiheit soll erhalten bleiben. Sie sei "das Fundament für Fortschritt und Innovation, die es zu schützen gilt", heißt es in dem Papier. Die Freiheit der Wissenschaft ermögliche "eine unabhängige Forschung und den Gewinn neuer Erkenntnisse frei von politischer Einflussnahme und Ideologie".
Digitalisierung
Auch die Digitalisierung soll vorangebracht werden. Sie sei "zentral für die Modernisierung des Staates" und mache "Verwaltung effizienter, transparenter und bürgerfreundlicher".
Dazu müssten "digitale Behördengänge flächendeckend ermöglicht, Datenregister vernetzt und Verwaltungsprozesse automatisiert werden".
Ein einheitliches Bürgerkonto solle "den Zugang zu digitalen Diensten erleichtern". Zudem brauche es "neue Kompetenzzuordnungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen".
Freihandel ausbauen
Schließlich wollen Union und SPD den Freihandel ausbauen. Die vier von der amtierenden Regierung in den Bundestag eingebrachten Wirtschaftspartnerschaftsabkommen würden "wortgleich wieder eingebracht und beschlossen".
Man setze sich zudem ein "für ein Inkrafttreten des Mercosur-Abkommens und den Abschluss neuer Freihandelsabkommen, darunter auch mit den USA".
Gleichzeitig wolle man "unsere Industrie vor unfairen Handels- und Subventionspraktiken schützen", versprechen die Parteien in dem Einigungspapier.