Sozialwissenschaft im Dienst der Inneren Sicherheit
- Sozialwissenschaft im Dienst der Inneren Sicherheit
- Verfassungsschutz will in kritischen Kreisen punkten
- Auf einer Seite lesen
Die Gründung des Zentrums für Analyse und Forschung sorgt für Kritik
Wissenschaftskonferenzen gibt es in Berlin viele. Doch sticht die Konferenz des Zentrums für Analyse und Forschung, die am 16. und 17. September in Berlin stattfinden soll, heraus und sorgt auch unter Wissenschaftlern für Kritik.
Schließlich handelt es sich beim Zentrum für Analyse und Forschung, um eine im Aufbau befindliche Einrichtung des Bundesamtes für Verfassungsschutz, also des Inlandsgeheimdienstes. Das Thema des Kongresses Mitte September lautet Extremismus und Sozialisation. Ein Grußwort kommt auch vom aktuellen Präsidenten des "Verfassungsschutzes", Thomas Haldenwang.
Moderate Kritik aus der Wissenschaft
In einer Erklärung haben nun rund 200 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Kritik an dem ZAF geäußert. Dabei nannten sie drei Gründe und argumentierten dabei sehr moderat.
Wissenschaft, so hieß es von dieser Seite, sei an eigene Standards wie gute Praxis und Forschungsethik gebunden. Dazu gehören die prinzipielle Freiheit der Wissenschaften, die Nachvollziehbarkeit des Forschungsprozesses und die öffentliche Verfügbarkeit erhobener Daten unter Wahrung der Persönlichkeitsrechte von Informationsquellen.
Die Kritiker betonen, dass Sicherheitsbehörden an solche Vorgaben nicht gebunden seien und diese oft auch nicht einhalten könnten.
Zudem sei es keine Kooperation auf Augenhöhe, wenn Verfassungsschutzämter mit Wissenschaftseinrichtungen kooperieren. Angehörige von Behörden unterliegen Weisungen von Vorgesetzten. Die Vergabe von Mitteln erfolge auf Zuruf und in der Regel ohne Wettbewerbsverfahren und wissenschaftlicher Prüfung.
Die Wissenschaftler befürchten, "als Zulieferer für behördlich vorgegebene Ziele" missbraucht zu werden, ohne die Gesamtheit der Datenerhebungen, Publikationen und Interpretationen gleichberechtigt mitbestimmen zu können.
Zudem äußerten sie die Befürchtung, in den Verdacht zu kommen, für staatliche Interessen zu arbeiten, wenn sie mit Verfassungsschutzämtern kooperieren. Das könnte eine Kooperation bei anderen wissenschaftlichen Projekten erschweren.
Ältere Kritik an Kooperation von Wissenschaft und Verfassungsschutz
Solche Erfahrungen mussten Wissenschaftler des Instituts für Demokratieforschung in Göttingen bereits 2018 machen, als ihnen linke Projekte Hausverbot erteilten.
Die Initiative No IFD reagierte damit auf die Kooperation von einigen Hochschulverantwortlichen mit Verfassungsschutzämtern. Die Leiterin des IFD sprach damals gegenüber der taz von Vorwürfen einer kleinen linken Gruppe, ohne allerdings inhaltlich darauf einzugehen.
Michael Lühmann, einer der mit Hausverbot in einigen linken Einrichtungen belegten IFD-Wissenschaftler erklärte, keinerlei Kontakte zu Verfassungsschutzämtern zu haben. Zudem hat er sich nachweislich kritisch zur Extremismustheorie geäußert.
Nur wurde das von den Kritikern gar nicht thematisiert. Sie monierten, dass das IFD den Verfassungsschutz als gleichberechtigten politischen Partner behandele und damit Legitimität verleihe.
Auch die Forschungsergebnisse kritischer Wissenschaftler, die selber nicht mit dem Verfassungsschutz kooperieren und ihn sogar sehr kritisch sehen, würden mit einfließen.