Spahn-Befragung: Schwarz-Grün zeichnet sich ab
Der Bundesgesundheitsminister beantwortet einige Fragen der Bundestagsabgeordneten und weicht anderen aus
Auf Twitter ist der Satz "Guten Morgen! Ist Jens Spahn schon zurückgetreten?" Ende Februar 2021 eine beliebte Tageseröffnung. Im Leben außerhalb der Sozialen Medien gilt jedoch Norbert Bolz' Satz Rücktritt war gestern - und deshalb stellte sich der CDU-Politiker am Mittwoch den Fragen der Bundestagsabgeordneten.
Zugespielte Bälle
Aus Spahns eigener CDU waren die Fragen erwartungsgemäß eher zugespielte Bälle für Antworten, die der Bundesgesundheitsminister gut vorbereitet hatte. Selbsttests? Davon wurden passenderweise am Mittwoch drei zugelassen. Die Arztpraxen wollen mitimpfen? (vgl. Impfung: Arztpraxen wollen in der ersten Hälfte des zweiten Quartals übernehmen). Das unterstützt der Minister "ausdrücklich"!
Aber auch die Fragen aus den Reihen der Grünen wirkten so, als ob sie schon zusammen mit Spahn auf der Regierungsbank sitzen würden. Eine Grünen-Abgeordnete fragte beispielsweise nach Impfungen für Personen der Prioritätsstufe 2 (worauf Spahn stolz verlautbaren konnte, da werde schon geimpft), eine andere regte an, das öffentlich-rechtliche Fernsehen solle statt der Sendung "Börse vor Acht" ein Programm namens "Gesundheit vor Acht" ausstrahlen. Da war sogar die Regierungspartei SPD kritischer, deren Abgeordneter Matthias Miersch sich immerhin nach einer "nationalen Öffnungsstrategie" erkundigte.
Die Länder
Noch kritischer waren die Fragen aus den Reihen der drei nichtgrünen Oppositionsparteien. Manche davon beantwortete Spahn, anderen wich er aus. Zur Fragen nach der Impfgeschwindigkeit verwies er ebenso auf die Länder wie auf solche, warum der Einzelhandel nicht öffnen darf, wenn das Robert-Koch-Institut das Ansteckungsrisiko dort als gering einstuft.
Manchmal wirkte Spahn dabei so, als ob er Entscheidungen von Merkel und Söder verteidigen muss, hinter denen er selbst eher bedingt steht. Dass das so sein könnte, mutmaßte auch FDP-Chef Christian Lindner - aber nicht im Plenarsaal, sondern auf Twitter. Manchmal schien sich der Gesundheitsminister sogar vorsichtig von Merkel abzugrenzen - etwa, als er meinte, eine Inzidenz von Null könne es nur mit einer Mauer um Deutschland geben - und er wolle deshalb lieber nach einer "Balance suchen". Außerdem müsse man "lernen, mit dem Virus zu leben, so wie mit den Masern".
Als ihn der FDP-Abgeordnete Christoph Hoffmann mit eindrucksvollen Schilderungen über anhaltende Ausbrüche unter immer noch ungeimpften Pflegeheiminsassen und über aus der Quarantäne entlassene Angesteckte in Baden-Württemberg zu Kritik am potenziellen CDU-Koalitionspartner verlocken wollte, flüchtete sich Spahn in die Aussage, darüber wisse er zu wenig und deshalb halte er sich "mit Bemerkungen zurück".
Patente, ein Antikörpermedikament und ein Immobiliengeschäft
Aus den Reihen der Linksfraktion fragte Achim Kessler nach der Aufhebung von Patentschutz für Impfstoff, da man den globalen Süden ja nicht ungeimpft als Brutstätte von Mutationen zurücklassen könne (vgl. Corona: WTO berät über Aussetzung von Patenten). Spahn entgegnete hierauf, er habe den Verdacht, dass sich der Abgeordnete möglicherweise nicht umfassend genug mit der Komplexität der Impfstoffproduktion vertraut gemacht hat. Ob man etwas über eine Zwangslizenz darf, sei nämlich eine Sache - aber ob man das dann auch kann, eine andere. Er, so Spahn setze deshalb nicht auf Zwang sondern auf Kooperation. Und so lange es diese Kooperation gebe, sei auch kein Zwang nötig.
In etwas größere Verlegenheit brachte die Linken-Abgeordnete Heike Hänsel den Bundesgesundheitsminister: Sie fragte ihn nach den 400 Millionen Euro für 200.000 Dosen eines Antikörpermedikaments, von dem noch nicht einmal Zwischenstudien vorliegen. Hier wand sich Spahn heraus, indem er meinte, dieses Medikament sei "international umkämpft", und wenn er es nicht so früh bestellt hätte, dann wäre Hänsel nachher die erste gewesen, die ihm das als Versäumnis ausgelegt hätte.
In noch größerer Bedrängnis wirkte der Bundesgesundheitsminister, als ihn die AfD-Abgeordnete Beatrix Storch nach der Firma Gematik, deren Chef Markus Leyck Dieken und einem Immobiliengeschäft fragte. Hierzu meinte der CDU-Politiker lediglich, die Gematik sei eine Selbstverwaltungsorganisation, an der der Bund 51 Prozent halte, und deshalb sei schon der erste Teil der Frage falsch. Auf die anderen beiden Teile ging er nicht ein.
Dafür meldete der Tagesspiegel gestern, dass Spahns Anwälte in dieser Sache nicht nur Unterlassungserklärungen verschicken, sondern auch über das Grundbuchamt ermittelten, welche Reporter damit befasst sind. Spahn selbst war für Fragen von Telepolis dazu nicht erreichbar.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.