Spaltet der Gas-Streit die slowakische Politik?

Die Gasleitung von Russland in die EU hat einen Knick.

(Bild: YAKOBCHUK V / Shutterstock.com)

Die Slowakei steckt in einer tiefen Energiekrise. Während Premier Fico auf Moskau setzt, fordert die Opposition seinen Rücktritt.

Das einstige Ziel vom russischen Präsidenten Wladimir Putin, mittels Umgehung in der Ostsee und im Schwarzen Meer den transsibirischen Transportkorridor von Urengoj in Nordwestsibirien bis Uschhorod an der ukrainisch-slowakischen Grenze aus dem Spiel zu nehmen, ist mit dem Transitende erreicht. Jetzt klagt die Slowakei die Ukraine an, diesen Korridor geschlossen zu haben und erhofft von Moskau dazu eine Lösung.

"Kritische, verzweifelte Menschen, die Brüssel unterworfen sind, wollen für sich selbst und nur für sich selbst sorgen. Die Frage ist, wie sie in der Slowakei ohne Gas leben wollen, da es ohnehin aus Russland kommt", monierte der slowakische Parlamentspräsident Andrej Danko auf Facebook zu den Gesprächen seiner sechsköpfigen Delegation in Moskau am 15. Januar.

Russland braucht die EU nicht

Damit nicht genug klagte Danko, dass westliche Unternehmen in Russland weiterhin gute Geschäfte machten und sein Land zu Sanktionen oder sinnlosen Energiekäufen gedrängt werden würde. "Die westlichen Mächte tragen mit ihrem Handeln keineswegs zu Frieden, Stabilität oder Wirtschaftswachstum bei. Im Gegenteil: Sie drangsalieren uns immer heftiger", so Danko.

Dank seiner Delegation sei es zu einem neuen Dialog mit Russland gekommen. Die Slowakei benötige Russland, "um ihren Bürgern Stabilität zu gewährleisten, insbesondere im Energiebereich. Liebe Freunde, Russland braucht die Union nicht, aber wir brauchen Russland wirklich", lautet sein Fazit.

Alles auf Moskau gesetzt

Zählbare Ergebnisse brachte Danko aus Moskau bis auf seine Anklage an die Europäische Union nicht mit. Kurz davor lieferten sich Medien zufolge der slowakische Premier Robert Fico und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj einen Schlagabtausch, bei dem es um die Einladung zu Gesprächen zum Gastransit ging. Schlug Fico in einer Videoerklärung am 13. Januar vor, sich in der Slowakei zu treffen, erklärte Selenskyj: "Ok, kommen Sie nach Kiew am Freitag."

Dem war ein mahnender Appell von Selenskyj an Fico auf X vorangegangen, nachdem dieser angedroht hatte, Stromexporte in die Ukraine einzustellen. "Wir boten den Menschen in der Slowakei unsere Hilfe bei der Anpassung an das Fehlen des russischen Gastransits an, aber Fico lehnte arrogant ab. Viele in Europa warnten ihn, dass Nichtstun und Abwarten keine Option sei." Er habe jedoch weiter auf Moskau gesetzt, erklärte Selenskyj.

Technisch gut vorbereitet

Die Slowakei sei technisch gut auf den Transitstopp vorbereitet, erklärte das slowakische Wirtschaftsministerium am Jahresende. Gasspeicher seien praktisch zu 100 Prozent gefüllt. Das staatliche Unternehmen SPP verfüge über ein diversifiziertes Portfolio an Gaslieferungen von fünf weiteren großen internationalen Energieversorgern wie BP, ExxonMobil, Shell, RWE oder ENI.

Ebenso habe die ZSE-Gruppe, zu der die großen Gaslieferanten ZSE Energia und Východoslovenská Energetika gehören, Anfang Juli über eine Vereinbarung mit der polnischen ORLEN-Gruppe zur Lieferung von LNG hauptsächlich aus den USA informiert. Hinzu kämen Gaspipeline-Verbindungen zu allen umliegenden Ländern. Somit sei der Transport von Erdgas aus allen Richtungen möglich.

Teure Kriegsrechnung

Die Einstellung des Transits von russischem Gas durch die Ukraine hält das Ministerium zugleich für "keine rationale Entscheidung". Der Stopp werde zu einem Preisanstieg auf den europäischen Märkten führen, was der Slowakei und europäischen Wirtschaft schade.

Slowakische Gasunternehmen müssten allein 177 Millionen Euro mehr an Transitgebühren bezahlen. Auf Europa könnten Schätzungen Mehrkosten von rund 51 Milliarden Euro bei den Gas- und weiteren 77 Milliarden Euro bei den Strompreisen in den nächsten zwei Jahren zukommen. Durch den Transitstopp der Ukraine verliert die Slowakei laut Fico rund 500 Millionen Euro im Jahr.

Unruhe in der Slowakei

Rund vier Milliarden Kubikmeter Gas verbraucht die Slowakei im Jahr und importierte das Gros davon aus Russland. Dass milliardenschwere Gaseinnahmen dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine von Nutzen sind und Europa schaden, ist in slowakischen Rechnungen nicht berücksichtigt. Den Gashahn hat der russische Gaslieferant Gazprom selbst abgedreht. Was wohl passiert wäre, wenn weiter Gas aus Sibirien in der Ukraine angekommen wäre?

Im Land rumort es außerdem. Die Opposition reichte Medienberichten zufolge ein Misstrauensvotum gegen Ficos Regierung ein. Die gesamte Opposition habe sich trotz aller Unterschiede, Probleme und persönlichen Beziehungen dafür entschieden, erklärte Michal Šimečka, Vorsitzender der Oppositionsbewegung Progressive Slowakei.

Ministerpräsident Robert Fico habe das Regieren und das Land "aufgegeben", und es buchstäblich im Stich gelassen. Fico löse nicht die Probleme der Slowakei, die den Bürgern Sorgen bereiten. Stattdessen "fliegt er um die Welt, beugt sich den Diktatoren, genießt den Luxus", während seine Regierungskoalition auseinanderfällt, so Šimečka. Ficos Besuch in Russland vor Weihnachten löste im Land Beschämung und Ärger aus.