Stechmücken bringen tropische Krankheiten mit: Stoppt Gentechnik die Malaria-Zeitbombe?

Seite 2: Gentechnisch veränderte Mücken sollen Vermehrung eindämmen

In einer Studie, die im Fachjournal Science https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.ade8903 veröffentlicht wurde, schaltete das Team um Omar Akbari von der University of California San Diego in La Jolla (Kalifornien, USA) bei weiblichen Mücken der Art Anopheles gambiae ein Gen aus, das diese zum Überleben brauchen.

Während die weiblichen Mücken bereits im Larvenstadium sterben, geben die männlichen Nachkommen das für Weibchen tödliche Gen bei der Paarung weiter. Auf diese Weise könne eine Mückenpopulation um mehr als 90 Prozent reduziert werden, hoffen die Forscher.

Die "wiederholte Freisetzung von nicht stechenden Männchen seien ein effektives, begrenzbares, kontrollierbares und sicheres System zur Unterdrückung und Eliminierung der Population", sind die Autoren überzeugt. Früher oder später würden die Gen-Mücken aus einer Population verschwinden, da sie einen evolutionären Nachteil darstellen

Experimente mit Gen-Mücken in Afrika

Die Mücke der Gattung Anopheles stephensi, ursprünglich in Südasien und im Nahen Osten verbreitet, wurde erstmalig in Afrika im Jahr 2012 in Djibouti entdeckt – zu einem Zeitpunkt, als die Malaria im Land fast ausgerottet war. 2020 erkrankten in dem Land mit einer Million Einwohnern durch Anopheles stephensi 70.000 Personen an Malaria.

Die Mücke ist resistent gegen viele Insektizide und sticht nicht nur nachts wie andere Gattungen, sondern auch tagsüber. Anders als die in Afrika sonst gängigen Arten fühlt sie sich auch in Städten wohl, wo sie bevorzugt in Wasserbehältern und Blumentöpfen brütet. Auch im Sudan, in Äthiopien, Kenya, Somalia, Nigeria und Ghana breitete sich die neue Mücke aus.

Die Aussetzung von zehntausenden gentechnisch veränderter Anopheles-stephensi-Mücken Ende Mai dieses Jahres ist der Versuch, der invasiven Mücke mit einer neuen Methode beizukommen. Das eigens hierfür entwickelte Programm "Friendly Mosquito Program" wurde gemeinsam mit der britischen Biotechfirma Oxitec umgesetzt, welche die Methode entwickelt hat.

Mückenpopulationen in Brasilien wurden kurzfristig reduziert

Oxitec hatte bereits in mehreren Ländern mehr als eine Milliarde an gentechnisch modifizierten Mücken der Spezies Aedes aegypti ausgesetzt, deren stechende Weibchen Gelbfieber-, Dengue- oder Zikaviren übertragen. So war in Brasilien die generelle Anzahl an Mücken in den Monaten nach deren Freisetzung teilweise um bis zu 90 Prozent zurückgegangen.

Eine Reduktion der Mückenpopulation wurde im Herbst 2023 auch aus den Florida Keys in den USA gemeldet, wo bereits zwei Jahre zuvor genveränderte Moskitos ausgesetzt wurden.

Laut Oxitec kam es in manchen brasilianischen Städten zu einem Rückgang an Dengue-Infektionen. Im Land gab es seit Jahresbeginn mehr als eine Million Dengue-Fälle. Millionen freigesetzte Oxitec-Moskitos sollten Mückenpopulationen und Infektionen reduzieren. Dauerhaft konnten bisher allerdings nirgendwo lokale Moskitopopulation ausgerottet werden. Dafür müssten wohl jährlich immer neue Gen-Mücken freigelassen werden.

Gen-Mücken unter falschen Annahmen ausgesetzt

In Burkina Faso plant das Konsortium "Target Malaria" seit mehreren Jahren Freisetzungsversuche mit gentechnisch veränderten Mücken. Dabei sollen Genkonstrukte in die natürlichen Mücken-Populationen übertragen und die Anzahl weiblicher Mücken-Nachkommen reduziert werden. Die geplanten Freisetzungen basieren auf falschen Daten und fehlerhaften Annahmen, kritisiert Testbiotech, ein unabhängiges Institut für Folgenabschätzung in der Gentechnik.

Demnach mussten Experten von "Target Malaria" vor zwei Jahren feststellen, dass die künstlichen Gene in ein anderes Chromosom integriert wurden als ursprünglich angenommen. Das Konsortium ging davon aus, dass eine Übertragung der Genkonstrukte von einer Art (A. gambiae) auf eine andere Art (A. coluzzii) unwahrscheinlich sei.

Die in den Versuchen ausgesetzten Mücken waren seit Jahrzehnten als Anopheles gambiae klassifiziert, inzwischen werden sie als Hybridform der verwandten Art Anopheles coluzzii angesehen. Werde jedoch eine Hybridform freigesetzt wird, könne keine verlässlichen Aussagen über eine weiteren Genübertragung gemacht werden. Tatsächlich gibt es mindestens neun verwandte Arten von Anopheles-Mücken, die sich miteinander paaren können, von diesen übertragen sechs auch Malaria.

2019 hatten Wissenschaftler im Westen von Burkina Faso Gen-Mücken der Spezies Anopheles coluzzii freigesetzt. Die Männchen waren mit der CRISPR-Cas9-Methode genetisch unfruchtbar gemacht worden.

Mücken sind wichtige Glieder in der Nahrungskette

Was als kleiner Feldversuch geplant war, könnte mit einer unkontrollierten Ausbreitung gentechnisch veränderter Tiere enden, warnen Gentechnik-Kritiker. Alle bisherigen Versuche hätten gezeigt, dass Genmücken keine Gefahr für Menschen, Tiere oder die Umwelt sind, beschwichtigen die Hersteller der Genkonstrukte. Im Gegenteil: Folgen einer gentechnisch veränderten Mückenpopulation für Ökosysteme seien nicht kontrollierbar.

Viele Fischarten, Kaulquappen und fressen Mücken bzw. im Wasser lebende Mückenlarven. Spinnen und Libellen sind auf Mücken angewiesen. Auch füttern bestimmte Vogelarten wie der Teichrohrsänger ihre Jungen größtenteils mit Mücken. Besonders nahrhaft sind Mücken für Vögel und Fledermäuse, wenn sie in Schwärmen unterwegs sind.

Laut dem Biologen Dirk Reichle sind Stechmücken allerdings nur ein kleiner Teil des gesamten Menüs ihrer Fressfeinde. In trockenen Sommern kämen die Tiere auch gut ohne die Mücken aus. Wäre eine Tierart nur auf Stechmücken spezialisiert, würde sie in diesem Fall verhungern.

Mücken reinigen Gewässer und bestäuben Blütenpflanzen

Zudem funktionieren Mückenlarven wie kleine Filteranlagen für Gewässer: Weil sie sich von Mikroplankton und organischem Material ernähren, säubern sie gleichzeitig die Gewässer. Außerdem bestäuben Mücken Blütenpflanzen, denn die meisten Mücken ernähren sich von Nektar. Nur die weibliche Stechmücke braucht eine proteinreiche Blutmahlzeit, um Eier zu produzieren.

Auch Wespen halten Mücken in Schach. Denn deren Larven benötigen eiweißreiches Futter. Würden Mücken aus dem Ökosystem verschwinden, so hätte dies für eine Vielzahl von Tieren gravierende negative Folgen.

Selbstschutz gegen Stiche: Fliegengitter, Netze, weite Kleidung

Da sind zum Einen die chemischen Keulen: Im Handel gibt es Mittel mit Abwehrstoffen wie Deet und Icaridin, doch Deet kann über die menschliche Haut aufgenommen werden und wirkt wie ein Nervengift. Zudem kann es zu Haut- und Schleimhautreizungen, Juckreiz und allergischen Reaktionen führen.

Einfache Mittel, die Linderung verschaffen, sind hingegen kühlende Gele, Spucke und Eiswürfel oder Zitronen- und Zwiebelscheiben auf der Einstichstelle. Die gesündeste und effektivste Methode ist ein feinmaschige Fliegengitter aus Synthetik oder Baumwolle vor die Fenster zu hängen. Das schützt gleichzeitig vor Fliegen.

Im Garten sollten Regentonnen oder Gartenteiche wegen der Larven mit Fliegennetzen abgedeckt werden. Mögliche Brutstätten für Stechmücken wie Eimer, ungenutzte Blumentöpfe, offene Gießkannen, alte Reifen oder ähnliches sollten geleert werden. Im Freien schützt lange, weite Kleidung vor Mückenstichen. Dünne und enganliegende Sachen hingegen werden von Mücken problemlos durchstochen.