Studie enthüllt: Deutsche einig wie nie und trotzdem gespalten

Christian Kliver

Bild: Piotr Piatrouski/ Shutterstock.com

Deutsche sind sich in vielen politischen Fragen einig wie nie zuvor. Das zeigt eine neue Studie der FU Berlin. Doch warum driften die Menschen dennoch auseinander?

Kurz vor der Bundestagswahl 2025 werfen zwei neue Studien der Freien Universität Berlin einen interessanten Blick auf Veränderungen und Konstanten in der deutschen Wählerschaft seit 2017. Die Ergebnisse zeichnen ein differenziertes Bild, das einerseits von bedeutsamen Verschiebungen, andererseits aber auch von überraschender Stabilität geprägt ist, wie Thorsten Faas vom Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft erläutert.

Studie "Polarisierung trotz Stabilität"

In der ersten Studie mit dem Titel "Polarisierung trotz Stabilität" untersuchten die Politologen anhand von Bevölkerungsumfragen zu den Wahlen 2017, 2021 und 2024, wie sich die Einstellungen der Bürger zu Demokratie, Medien, politischen Themen und Parteien verändert haben.

Die auffälligsten Entwicklungen zeigten sich dabei im medialen Umfeld, mit dem Aufkommen neuer Plattformen wie TikTok, sowie in der Parteienlandschaft. "In weniger als zehn Jahren sehen wir einerseits einen Wandel, den sich in diesem Tempo kaum jemand hätte vorstellen können", so Faas. Als Beispiel nennt er die erst im Januar 2024 gegründete Partei Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW).

Stimmung pessimistischer

Auch die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Lage in Deutschland hat sich laut der Studie eingetrübt, was sich in den Aussagen der Befragten widerspiegelt. Während die Einschätzung der persönlichen ökonomischen Situation weitgehend stabil blieb, fiel die der allgemeinen wirtschaftlichen Lage vom positiven in den deutlich negativen Bereich.

Erstaunlicherweise haben sich die inhaltlichen Positionen der Bürger zu vielen politischen Themen kaum verändert. Die verstärkte Polarisierung, die dennoch zu beobachten ist, führt Faas daher eher auf einen Wandel der Wahrnehmung als auf tatsächliche Meinungsverschiebungen zurück. Er bringt es auf die Formel "Polarisierung trotz (inhaltlicher) Stabilität".

Freie Wahlen wichtig

Trotz aller Veränderungen genießen Grundpfeiler der Demokratie wie freie Wahlen und Medien weiterhin breite Unterstützung. Allerdings zeigen sich laut der Studie zum Teil deutliche Unterschiede zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen. Besonders junge Menschen mit formal niedriger Bildung sowie AfD-Anhänger stehen vielen Aspekten der Demokratie kritisch gegenüber.

Zweite Studie widmet sich dem Einfluss von Wahl-O-Mat und Umfragen

In einer zweiten, noch laufenden Online-Umfrage untersuchen die Wissenschaftler der FU, welche Rolle Wahlumfragen und Orientierungshilfen wie der Wahl-O-Mat für noch unentschlossene Wähler spielen. Noch bis zum 23. Februar können Interessierte unter www.wahlumfrage2025.de anonym an der Befragung teilnehmen und so mithelfen aufzuklären, wie Bürger auf den letzten Metern vor dem Urnengang zu ihrer Wahlentscheidung kommen.

"Dann können wir besser verstehen, was auf der Zielgeraden zur Wahl passiert, wie sich Menschen orientieren, welche Rolle dabei bestimmte Instrumente, aber auch Umfragen selbst spielen und wie die Wähler letztlich ihre Entscheidungen treffen", erläutert Faas die Ziele der Erhebung.

Die Ergebnisse der beiden Studien versprechen spannende Erkenntnisse darüber, wie sich das Wahlverhalten und die Einstellungen der Deutschen zu Parteien und Demokratie in den vergangenen Jahren gewandelt haben – und was vielleicht doch konstanter ist, als man angesichts des rasanten Wandels in Medien- und Parteienlandschaft vermuten würde.