Taiwan-Konflikt: Rücken China und Russland im Sturm zusammen?
Das Verhältnis zwischen China und den USA im Konflikt um die Insel Taiwan ist mehr als angespannt. Nicht zuletzt wegen einer massiven Militärpräsenz
US-Präsident Joseph Biden spart im Konflikt zwischen der Volksrepublik China und Taiwan nicht mit markigen Worten. Der von China schon lange abgespaltenen Inselrepublik sagte er ausdrücklich militärischen Beistand bei Konflikten mit den übermächtigen Festlandchinesen zu. Flottenverbände der Nato unter deutscher Beteiligung patrouillieren bereits in der Region vor Chinas Küsten.
Die USA schicken dabei ebenso Kriegsschiffe in von China beanspruchte Gewässer wie die chinesische Luftwaffe Flugzeuge in eine von Taiwan beanspruchte Identifikationszone zur Luftverteidigung schickt. In beiden Fällen handelt es sich nicht um international anerkannte Hoheitsgebiete, sondern um eine gegenseitige Provokation in Gewässern, die die jeweils andere Seite einseitig als eigene Zone ansieht. Die Lage ist militärisch nicht nur dadurch höchst angespannt.
Verschärfter Taiwan-Konflikt als Zeichen der Konkurrenz USA-China
Der Hintergrund all des Säbelrasselns ist hier aber nicht der Konflikt um die Taiwanesische Insel, sondern eine aktuell viel größere Rivalität zwischen dem von den USA geführten Westen auf der einen und China auf der anderen Seite. Denn dass Taiwan sich als selbstständig betrachtet und Festlandchina es als "abtrünnige Provinz" ansieht, ist ein Zustand, der schon seit Jahrzehnten andauert. Nicht immer war der militärische Aspekt der Konfrontation vor Ort so heikel wie aktuell. Die Taiwanesische Präsidentin Tsai Ing-Wen spricht von der instabilsten Situation seit 72 Jahren. Das ist genau die Dauer der Trennung Taiwans von China.
Wegen der sich zuspitzenden Lage ist auch keine Besserung in Sicht. Auf dem diesjährigen Treffen des russischen Waldaj-Expertenforums bezeichnete der chinesische Experte Zhou Bo von der Uni Tsinghua die Rivalität zwischen den USA und seinem Land bereits als "ewige Konkurrenz", die noch länger als 20 Jahre andauern und sich in den kommenden Jahren verstärken werde.
Russland unterstützt chinesische Ansprüche
Russland unterstützt dabei ganz offen den chinesischen Anspruch auf Taiwan, was Außenminister Sergej Lawrow erst vor wenigen Tagen ausdrücklich in einer Rede bestätigte. Andrej Kortunow vom Russischen Rat für Auswärtige Beziehungen sieht diese Äußerung in der chinesischen Global Times als Bestätigung einer strategischen Partnerschaft zwischen Russland und China, die aktuell sehr intensiv gepflegt wird.
Die zunehmend feindseligen Beziehungen zwischen beiden Partnern und dem Westen sorgen dafür, dass es sowohl in Moskau als auch in Beijing Befürworter eines Militärbündnisses gibt, das diese Partnerschaft noch vertiefen soll. So wie in deutschsprachigen Medien viel von Bedrohung aus China oder Russland die Rede ist, besteht aus chinesisch-russischer Sicht die tatsächliche Bedrohung in Form des Westens, der an allen Außengrenzen massive militärische Präsenz zeigt. Keine Seite traut der anderen - und jede traut der anderen alles zu.
Dass es dennoch bisher kein festes Militärbündnis zwischen Moskau und Beijing gibt, führt der chinesische Außenpolitik-Experte Zhao Huasheng darauf zurück, dass sich beide Mächte nur ungern in einen festen politischen Block mit einem mächtigen Gegenüber einfügen wollen. China sei zwar wirtschaftlich, aber eben nicht militärisch der stärkere Partner. Weiter wollten beide nicht über den anderen per Automatismus in einen militärischen Konflikt hineingezogen werden. Weder Russland in Taiwan noch auf der anderen Seite China beispielsweise wegen der Krim.
Dieser Wille äußert sich auch darin, dass man sich bei Konfliktsituationen, wie jetzt um Taiwan, zwar gegenseitig unterstützt, aber auch versucht zu deeskalieren. Andrej Kortunow, in China hochgeachtet, legt in Bezug auf Taiwan großen Wert darauf, dass er nicht an eine militärische Eskalation der Angelegenheit glaube, unabhängig von "apokalyptischen Szenarien" mancher Militärexperten in der Sache.
Er selbst hofft vor allem auf einen vorsichtigen Kurs Taiwans, den großen Nachbarn nicht mit unüberlegten Schritten zu provozieren. Der Preis eines echten Militärkonflikts wäre auch nach Ansicht von Kortunow äußerst hoch - höher als in anderen Stellvertreterkonflikten in der jüngsten Zeit wie in der Ukraine. Die chinesische Global Times spricht in diesem Fall sogar von einem "Dritten Weltkrieg". Taiwan selbst wäre dabei - ungeachtet jeder westlichen Hilfe - das erste Opfer.
Die Sichtweisen sind konträr
Dafür sorgt natürlich auch die massive militärische Präsenz in der Region, der Nato im Südchinesischen Meer sowie der chinesischen Seite an deren Küste. Dabei fühlt sich die Nato voll in ihrem Element, da man doch Taiwan als Teil der sogenannten "freien Welt" gegen das autokratisch-kommunistische China beschützen müsse.
Wie unterschiedlich hier die Sichtweisen sind zeigt, dass etwa russische Experten die Insel nicht als "Hort der Freiheit" begreifen, sondern als "unsinkbaren Flugzeugträger der USA" für Südostasien. So unterschiedlich der allgemeine Sprachgebrauch ist, so leicht können auch bei all dem Militär vor Ort Missverständnisse entstehen, gerade wenn beide Seiten zu Provokationen greifen, um ihren Standpunkt zu bekräftigen. Schnell kann hier eben eine Aktion, die gar nicht als Angriff geplant war, als solche verstanden werden.
Um die explosive Situation vor Ort zu entspannen, die diese Eskalationsgefahr in sich trägt, trafen sich in der Schweiz aktuell eine amerikanische und eine chinesische Delegation. Ihr Ziel war, wieder einen stabileren Zustand herzustellen. Destabilisierend wirken im gleichen Moment jedoch andere Aktionen der Beteiligten.
So berichtet das Wall Street Journal von der Schaffung einer Abteilung des US-Geheimdienstes CIA namens "China Mission Center", um der Bedrohung aus China zu begegnen. Das chinesische Außenministerium nannte diese Einheit laut der Moskauer Zeitung Nesawisimaja Gaseta "eine Manifestation der Mentalität der Ära des Kalten Krieges".
Auch der politische Gegensatz wird andauern
Der auch politische Gegensatz zwischen China und dem Westen wird nach Ansicht von Experten ebenso anhalten wie der wirtschaftliche. China werde sich trotz des kapitalistischen Wandels nie in eine wirtschaftsliberale Demokratie nach westlichem Vorbild verwandeln, ist sich Zhou Bo beim Waldaj-Club sicher. Die eigenen, chinesischen Traditionen seien wesentlich älter als der Kapitalismus nach westlichem Muster. China begreife sich daneben nach wie vor - trotz aller Marktwirtschaft im Inneren - als sozialistischer Staat. Doch nicht nur das chinesische Selbstverständnis hat verhindert, dass sich China politisch dem Westen anschloss.
Die Dominanz des Westens sei im Niedergang begriffen und die Welt werde niemals "westlich" werden. Der Westen mache von außen den Eindruck eines zerrütteten Gesellschaftsmodells. In den USA als Basis gehe es vielen Bürgern wirtschaftlich schlecht und sie seien in extremer Opposition zur herrschenden Regierung, wie die Erstürmung des Kapitols Anfang des Jahres symbolisch gezeigt habe - das Land sei gespalten wie zuletzt kurz vor dem Bürgerkrieg Mitte des 19. Jahrhunderts.
An das 19. Jahrhundert erinnert auch manchmal das Gebaren des Westens, Konflikte mit der Präsenz von immer mehr Militär in den verschiedensten Weltregionen begegnen zu müssen. Zwar hat die Rhetorik sich geändert: Es geht offiziell nicht mehr um den Schutz des Abendlandes, sondern um die Bewahrung von Freiheit und Menschenrechten. Sollte jedoch irgendwo die militärisch Konfrontation in einen heißen Militärkonflikt umschlagen, ist für die Opfer die Frage, was genau von beiden Seiten wo verteilt werden sollte, nicht mehr von Bedeutung.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.