zurück zum Artikel

Teheran verkehrt

Bild: Tom Appleton

Der Straßenverkehr von Teheran ist wie das Fahren im Autoscooter auf einer Kirmes. Aufregend. Lustig. Aber auch lebensgefährlich.

Und es ist praktisch unmöglich, das wirklich Spezifische des Teheraner Stadtverkehrs auf ein Foto zu bannen. Ich habe es versucht. Man erwischt die Dimension der Klaustrophobie, das Gedränge verschiedener Fahrzeuge, Menschen dazwischen - aber weil das Foto statisch ist, eingefroren, unbewegt, vermisst man die Dimension der Geschwindigkeit. Man sieht nicht das Gewurrle und Gebrumm um einen herum, man hört nicht die wilde Symphonie der Motoren, der Hupen, der menschlichen Rufe.

Kurzum: Es muss eine Filmkamera her. Es gibt bei Youtube unzählige kleine Filmchen, die den Teheraner Verkehr anschaulich vorführen. Eine Gruppe junger amerikanischer Touristen stellte sich beispielsweise bei einer - fast schon beliebigen - Teheraner Kreuzung [1] mit einer Videokamera oder einem iPhone hin

und filmte knapp zwei Minuten lang den dort stattfindenden Straßenverkehr. Die Zuschauer kommentierten das Gesehene live on camera, sie gackern und kichern, sie wiehern und rufen, schon in Erwartung eines größeren Unfalls: "Oh my God!" - und das Spektakel erscheint ihnen amüsant und spannend wie eine Wrestling-Show im Fernsehen. Kein Wunder, dass der Clip dann auch auf einer deutschen Seite unter dem Titel "Unglaublich-lustige-videos-Kreuzung-in-Teheran" erscheint.

Teheran verkehrt (0 Bilder) [2]

[3]

Normalerweise würden amerikanische Touristen die Arme über dem Kopf zusammenschlagen, wenn sie an einem solchen Verkehrsgeschehen selber teilnehmen müssten. Beispielsweise in Italien, wo der Tumult auf der Straße dem iranischen noch am ehesten gleichkommt. "Es gibt kaum etwas lustigeres, als einem Amerikaner bei dem Versuch zuzusehen, in Italien Auto zu fahren," meint beispielsweise der britische Auto-Papst, Jeremy Clarkson.

Frisch angekommen nach einem 14-Stunden-Flug, quetschen sie ihre ausladenden Hinterteile in etwas hinein, was sie für ein Spielzeug halten und machen sich auf zu einem Rendezvous mit dem Sensenmann. Ich habe schon erwachsene Männer an italienischen Tankstellen schluchzen gesehen, die jedem, der es hören wollte, erklärten, dass sie von einem anderen Auto gerammt worden seien, oder dass eine Nonne ihnen bei einer Geschwindigkeit von 90 Stundenkilometern in einem Abstand von 2.5 Zentimetern hinterhergefahren sei und dabei gewunken und die Lichthupe betätigt habe. Greifen Sie sich jeden beliebigen amerikanischen Reiseführer über Europa, und Sie werden riesige Textstellen entdecken, die mit großen, fetten Buchstaben amerikanischen Staatsbürgern anraten, sich in Italien der öffentlichen Verkehrsmittel zu bedienen. Die beiden Auto-Kulturen sind wie Baleys [4] und Limettensaft. Sie passen einfach nicht zueinander.

Ich erwähne die italienische Verkehrsszene an dieser Stelle hauptsächlich deswegen, weil Telepolis-Leser damit eher vertraut sein dürften. Die iranische Situation darf als exponentielle Steigerung der italienischen gelten.

Entsprechend reagieren auch deutsche Reisende oder Reiseanbieter auf den Verkehr in Teheran. Das Internet ist voll mit ihren Reflektionen zum Thema. Unter der Überschrift "Teherans Verkehr: mörderisch" erfährt man beispielsweise bei einem Reiseanbieter, der den Iran ansonsten aktuell als "weiterhin sicheres" Reiseland anpreist [5]:

Fahrbahnmarkierungen haben in Teheran eher dekorativen Charakter. Insbesondere beim Kreisverkehr zeigt sich die hohe Kunst der Fahrer, denn mitunter zwängen sich zwölf Autos nebeneinander in den Kreis hinein und wieder hinaus. Überholt wird theoretisch links, in der Praxis aber eher rechts, und Einfädeln ist Millimeterarbeit. Das Fahrverhalten und die Angewohnheit, auch mitten auf der Straße auf ein Taxi zu warten, tragen trotz großzügig ausgebauter Schnellstraßen zu den Staus bei. Ein weiteres Problem in Teheran ist der ruhende Verkehr, denn es gibt zu wenig Parkplätze in der Innenstadt.

Eine andere deutschsprachige Iran-Seite, Irananders [6], die das Land als "kontrastreich und differenziert" anpreist, nennt in einer Schlagzeile "260.000 Verkehrstote im Iran" und erläutert dazu:

Der Leiter der iranischen Verkehrspolizei, Eskandar Momeni, teilte mit, dass es in den letzten zehn Jahren im Iran 260.000 Verkehrstote und zwei Millionen Verletzte gegeben hat.

Und, um eine Stimme aus einem typischen deutschen Reise-Blog [7] zu zitieren:

Über die Hauptstadt Irans hört man so einiges: Der Verkehr sei chaotisch, es gäbe nichts zu sehen und man sterbe fast an Smog. Nach einem Tag in Teheran kann ich sagen: Der Verkehr ist chaotisch, es gibt kaum was zu sehen, und es wundert [mich] nicht, dass hier jährlich 10.000 Menschen an der Luftverschmutzung sterben.

Teheran erstickt am eigenen Mief

Gerade die Luftverschmutzung steht deutlich mit dem Verkehrsvolumen in einem Zusammenhang, aber auch mit den Klima-Extremen im Sommer und Winter.

Das wurde im Spätherbst und beginnenden Winter, in den Monaten November und Dezember des vergangenen Jahres, besonders deutlich. Während man in Europa einen schneeweißen Winter mit entsprechenden Temperaturen erlebte - als Extrem, minus 30°C in Finnland - gab es in Teheran kaum Regen und keine Spur von Schnee. Dafür gab es, bei Tagestemperaturen von +15° bis +20°C und nachts tiefstens bis +5°C, im Großraum Teheran eine Luftverpestung wie noch nie. Die Maßnahmen der Regierung und sonstiger Zuständiger beschränkten sich auf kosmetische Eingriffe. Es wurde den Älteren und den Kindern täglich empfohlen, nicht unbedingt nach draußen zu gehen. Die Schulen blieben an manchen Tagen wegen Smog [8] und Luftinversion geschlossen.

Dienstags und Donnerstags erhielten die Kinder Schulfrei, am Freitag, dem iranischen "Sonntag", blieben sie ohnehin zuhause. Der Smog - das atemberaubende Gemisch aus Auto, Industrie- und Heiz-Abgasen - wird in Teheran normalerweise im Winter durch dichten Schneefall und solide Minustemperaturen gebannt. Jetzt sammelten sich die Luftschadstoffe wie Stickstoffdioxid, Kohlenmonoxid, Schwefeldioxid, Ozon und Feinstaub immer weiter an [9].

Die hohe Konzentration bedeutet dabei eine große gesundheitliche Belastung für die Bevölkerung. Der iranischen Nachrichtenagentur Fars zufolge nimmt jeder Einwohner Teherans täglich 800 Milligramm verschiedenster schädlicher Stoffe auf, die sich dauerhaft in der Lunge absetzen.

Jetzt, im Sommer, oft mit Temperaturen knapp an der +50°C-Grenze, scheint der giftige Cocktail noch um etliche Prozentpunkte tödlicher zu werden.

Das Problem ist dabei nicht allein, dass die Situation so ist, wie sie ist, sondern auch, dass es keine zuverlässigen Zahlen dazu gibt, und keine verlässlichen Taten, die von der Politik gesetzt werden. Die komplette Unzuverlässigkeit aller iranischen Statistiken erweist sich kaum irgendwo deutlicher als in den widersprüchlichen Angaben zur Bevölkerung Teherans. Zwischen 8,5 und 13 Millionen Menschen wohnen in dieser Stadt, heißt es. Eine Dunkelziffer von plus/minus vier Millionen - das ist praktisch die gesamte Bevölkerung Berlins - bedeutet die komplette Verabschiedung von jedweder Planung, nicht allein des Verkehrswesens, sondern auch für alle städtebaulichen Belange, für Erziehung, Gesundheitswesen, Wasserversorgung, Polizei. Dazu passt die kolportierte Zahl von zwei (2) Löschzügen, die der Teheraner Feuerwehr insgesamt zur Verfügung stehen. In Teheran läuft eben alles verkehrt, nicht nur der Straßenverkehr.

Statistiken - und ganz grobe Lügen

Eine Quelle [10] der politischen Information, auf die man sich, wie man hoffen möchte, verlassen könnte, ist die englischsprachige Tehran Times, die, wie sie sich selbst tituliert, "führende internationale Tageszeitung des Iran."

Gibt man hier einmal das Wort "traffic" (Verkehr) in die Suchfunktion ein, erhält man ein buntes Durcheinander von Artikeln aus den verschiedensten Jahren, das in gewisser Weise an das Durcheinander erinnert, das man im Teheraner Verkehr erlebt. Auch "Tehran traffic" bringt nicht viel. Es scheint, als habe es in den vergangenen Jahren hauptsächlich einen Artikel zum Thema gegeben, den von Mehdi Noroozvandiyan. Er erschien am 10. November letzten Jahres.

Hier gab es immerhin einmal handfeste Zahlen. In den ersten fünf Monaten des vergangenen Jahres, heißt es (und im Iran begann das neue Jahr erst am 21. März), habe es landesweit 6.000 Verkehrstote gegeben, und 35.000 Verletzte bei insgesamt 72.389 Verkehrsunfällen. Im Jahr davor, März 2009 bis März 2010, waren es 21.000 Verkehrstote.

Die weiter oben genannten Zahlen aus Irananders stammten vom 5. Juli letzten Jahres und zugeordnet wurden sie dem höchsten Winkemann der iranischen Verkehrspolizei, Eskandar Momeni. Im November, in der Tehran Times, sind die Zahlen dann etwas nach unten korrigiert worden, und diesmal ist es der Vize-Chef, Taqi Dehghan, der sie verkündet. Als (misstrauischer) europäischer Zeitungsleser würde man daraufhin fast schon die Korrektheit beider Zahlenreihen bezweifeln. Und sehr zu Recht. Denn alle iranischen Statistiken erweisen sich nach kurzem Hinsehen als pure Phantasie. Klar ist jedenfalls, dass man das Problem beschönigen möchte.

Nun noch einige weitere Daten aus dem Artikel von Noroozvandiyan: Die gegenwärtigen Verkehrsregeln, heißt es, stammten aus den Siebzigerjahren. Damalige Bevölkerung des Landes: 30 Millionen. Jetzige: 70 Millionen. Auf den Straßen des Landes befänden sich 12 Millionen Fahrzeuge.

Es wird Dr. Ahmad Shojaee zitiert, Chef jener gerichtsmedizinischen Einheit, die im Iran die Verkehrstoten untersucht. Die Provinzen Teheran und Fars hätten im ersten Quartal (März bis Juni 2010) mit 539 bzw. 507 pro Tag die höchsten Unfallraten erreicht. Bei der Gesamtzahl der Verkehrstoten wurden 60 Prozent den Vorstädten zugeordnet, die Innenstädte brachten es auf 29,4 Prozent, die Landstraßen kamen mit 9,9. Prozent relativ glimpflich davon. Die "höchste Unfallrate" mit Todesfolge hätte es unter den 18- bis 29-Jährigen gegeben, die 30,2 Prozent aller Verkehrstoten ausmachten. (Wobei laut Wikipedia [11] zwei Drittel der iranischen Bevölkerung unter 30 sind.)

Man fragt sich also, welcher Altersgruppe wohl die übrigen 70 Prozent der Verkehrstoten angehören mögen? Ich vermute, dass es eine separate Statistik gibt, die ältere Fußgänger umfasst, die beim Überqueren der Straße niedergefahren wurden.

Der Rest des Tehran-Times-Artikels befasst sich schließlich mit einem Bonus-Malus-System, mit dem man hofft, das Verkehrsverhalten der Iraner unter Kontrolle zu bringen. (Als besondere Delikatesse erwog man dabei auch das öffentliche Auspeitschen besonders hartnäckiger Verkehrssünder, aber man hat die Idee fallen gelassen. Vermutlich weil es kaum einen Autofahrer gibt, der eben nicht in die Kategorie "aggressiver Triebtäter" fällt.)

In einem weiteren Artikel der Tehran Times vom 24. April letzten Jahres wurde der oberste Teheraner Verkehrspolizist, Hadi Hashemi, mit folgender Statistik zitiert: "Die 3,8 Millionen Autos in Teheran sind derart abgewirtschaftet, dass sie die gleiche Umweltverschmutzung wie 48 Millionen normgerechte (Standard-)Autos verursachen." Und weiter: Mehr als 80 Prozent der Teheraner Luftverschmutzung werde durch unzulängliche (Sub-Standard-)Fahrzeuge verursacht.

Wieder hege ich den Verdacht, dass hier einfach von 3,8 auf das Zehnfache hochgerechnet wurde, sozusagen "schätzomativ", und dann noch ein Sahnhäubchen dazu gegeben wurde. 38 Millionen? Sagen wir lieber 48! Womit mir auch Zweifel aufkommen bezüglich der Ausgangszahl, jenen 3,8 Millionen Autos. Und wenn es angeblich nur 80 Prozent dieser 3,8 Millionen sind, also 3,04 Millionen Autos, die einen Dreck wie 48 Millionen Autos in die Luft blasen, dann zählt ja jedes einzelne Auto fast für 16. Eine stolze Leistung.

Der iranische Streitwagen

Wer sich einmal die Firmensymbole der einzelnen Automarken betrachtet, wird eine Reihe von Variationen des Rades - bei Mercedes, VW, Opel, Auto Union, Toyota - oder irgendwelcher Buchstaben erkennen. Die Iranian National Automobile Company übersetzte einst ihren Namen ins Persische, Iran Khod-Ro [12],

"iran(ische) geht (von)selbst", also eben: die iranische "auto-mobil" Firma, bzw. im übertragenen Sinn: "der Iran fährt selbst."

Kleine Lesehilfe: Man liest von rechts nach links. Iran Khodro. "Der Iran fährt selbst." Das "kh" am Wortanfang wird hart ausgesprochen wie das deutsche "ch" in "Bach". Bild: Tom Appleton

Als Firmensymbol wählte man sich dazu, nicht ohne Stolz, den pferdegezogenen Streitwagen eines Darius des Großen [13].

Der Paykan [14],

eine mit 2,3 Millionen (!) Stück sehr erfolgreiche Fortsetzung des britischen Hillman Hunter [15],

von dem in England nur 8.000 (!) Stück hergestellt worden waren, wurde im Iran von 1967 bis 2005 gebaut, mit Wartezeiten bis zu zwei Jahren, eine benzinschluckende, dreckschleudernde Schrottmühle, ähnlich dem DDR-Trabant - unverwüstlich, aber (was die Umwelt betrifft) extrem zerstörungswütig.

Im iranischen Triumphwagen Paykan war jeder Mann ein König. Ein Beherrscher der Landstraße. Bild: Tom Appleton

Der Paykan bestimmt auch heute noch das Straßenbild Teherans und ein Großteil der 30.000 Taxis der Stadt - wie immer sind solche Zahlen mit Vorsicht zu genießen - sind nach wie vor Autos dieser Marke. Da die Taxis regelrecht aggressiv Jagd auf Fahrgäste machen (und jederzeit anhalten, um weitere Mitfahrer aufzunehmen, die in die gleiche Richtung unterwegs sind), hat sich das Taxi zu einem ganz eigenen städtischen Kommunikationsmedium entwickelt. Jeder neue Witz, jede wichtige Nachricht, jedes politische Gerücht wird unter den stets wechselnden Kunden weitergereicht, und verbreitet sich somit in Windeseile. Die Mund-zu-Mund Propaganda hängt also Rundfunk und Presse locker ab. Und es ist ein System, dass sich seit den Zeiten der Revolution bewährt hat, weil es sich nicht wirklich unterbinden lässt.

Der Paykan bestimmt auch heute noch das Straßenbild Teherans. Als Taxi ist er ein aggressiver Jäger auf Kundschaft. Bild: Tom Appleton

Das Taxi galt im Iran immer schon als Vorreiter des Fortschritts. Reza Schah [16], der Vater des 1978 gestürzten Schah Mohammad Reza Schah [17], importierte Ende der Zwanzigerjahre auf einen Schlag rund 20 Ford-Automobile des Modell T, die ersten KFZs des Landes, die die bis dahin üblichen, als Konzept aus Europa importierten, aber im Iran hergestellten, "Doroshke" genannten, Pferdekutschen ablösen sollten. Trotzdem hielten sich die Fiaker noch regulär bis Ende der Fünfzigerjahre. Die markanten schwarzen Vauxhall-Velox-Taxis der Fünfzigerjahre mit den weißen Kotflügeln, die man, ebenso wie die Droschken [18], noch gelegentlich in alten indischen Filmen sieht, sind heute komplett verschwunden. (Auf einem historischen Foto aus den Beständen meines Vaters, circa 1955, kann man sie deutlich erkennen.)

Teheran, Innenstadt, Mitte der 50er Jahre, Kreuzung Firdausi / Istanbul Strasse. Die Taxis mit den weißen Kotflügeln waren charakteristisch für das Verkehrsbild. Bild: Archiv Appleton

Ebenso verschwunden sind die vor einen Wagen gespannten Pferde oder Esel, die einzeln oder als Karawane beladenen Maultiere und Kamele, die einst das Stadtbild prägten. Auf einem noch älteren Foto aus den Beständen meines Vaters, Ende der Zwanzigerjahre, sieht man das iranische Parlamentsgebäude, offenbar für eine Neujahrsfeier geschmückt, vor dem gerade eine beladene Karawane von Mauleseln vorbeizieht. Dass es bereits Autos in der Stadt gab, erkennt man am Asphalt vor dem Parlament, der allerdings (wie man ebenfalls deutlich sieht) im Frühjahr bereits schwere Winterschäden aufweist.

Die Lasttiere sind wohl auch dem Auto zum Opfer gefallen - nicht selten buchstäblich. Zu meinen deutlichsten Kindheitserinnerungen aus Teheran gehört das Bild, wie mein Vater und ich im Taxi von der damaligen Teheraner Innenstadt nach Shemiran fuhren. Unterwegs kamen wir an einem Unfall vorbei. Auf der Straße lag, auf dem Rücken, mit den Beinen in der Luft zuckend, bereits verendend, mit heraushängenden Gedärmen, ein großer Esel. Die Straße war über und über mit Blut bespritzt, aber auch mit zerquetschten Tomaten übersäht. Inmitten all dessen der Eseltreiber, auf dem Asphalt sitzend, mit gespreizten Beinen, sich den Kopf haltend, ebenfalls über und über blutüberströmt. Unweit davon am Straßenrand ein großer amerikanischer Wagen mit zerbeulter Schnauze. Nach kurzem Hinsehen fuhren wir weiter. Niemand wäre auf die Idee gekommen, den schwerverletzten Mann in sein Auto zu nehmen und ins nächste Krankenhaus (Tajrish, etwa 8 Kilometer entfernt) zu fahren.

Die hohe Zahl der Verkehrstoten heute erklärt sich vermutlich auf ähnliche Weise. Man schafft die Verletzten einfach nicht schnell genug in die Notaufnahme.

Dass der iranische Verkehrsteilnehmer sein Auto auch heute noch buchstäblich als ein Kampffahrzeug wie aus Darius’ Zeiten ansieht, beobachtet man immer wieder. Ich habe Autofahrer gesehen, die mit einem dicken Mercedes partout durch eine enge Straße hindurch mussten, die ihnen links und rechts vom Auto kaum drei Zentimeter Platz bot. Sie schrubbten lieber ihr Auto zuschanden, als einen einzigen Augenblick nachzugeben.

Der aggressionsgehemmte Golf in Teheran. "Gol" bedeutet "Blume". Bild: Tom Appleton

Vielleicht ist das der Grund, warum die Firma Volkswagen ihren Golf im Iran unter dem Namen Gol anbietet, um den letzten Buchstaben, das F, verkürzt. Schließlich erregt nichts ein iranisches Gemüt heute mehr als die Frage, ob der persische Golf nun der persische Golf sei oder von den arabischen Anliegerstaaten als "arabischer Golf" bezeichnet werden dürfe. Die deutsche Namensverkürzung des Golf ist daher eine spezifische Friedensgeste, denn Gol bedeutet schlicht und einfach "Blume".


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-3390011

Links in diesem Artikel:
[1] http://www.fun-insite.de/Unglaublich-lustige-videos-Kreuzung-in-Teheran-6-d758342307.html
[2] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_3390013.html?back=3390011;back=3390011
[3] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_3390013.html?back=3390011;back=3390011
[4] http://en.wikipedia.org/wiki/Baileys_Irish_Cream
[5] http://iran-erlebnis.de/content/view/48/124/
[6] http://irananders.de/
[7] http://www.travelblog.org/Middle-East/Iran/North/Tehran/blog-480422.html
[8] https://www.wiki.uni-freiburg.de/webgeo/doku.php?id=glossar:smog
[9] http://www.payvand.com/news/10/oct/1194.html
[10] http://www.tehrantimes.com/index_View.asp?code=229999
[11] http://en.wikipedia.org/wiki/Demographics_of_Iran
[12] http://en.wikipedia.org/wiki/Iran_Khodro
[13] http://de.wikipedia.org/wiki/Dareios_I
[14] http://www.rootes-chrysler.co.uk/paykan.html
[15] http://www.hillmanhunter.co.uk/
[16] http://de.wikipedia.org/wiki/Reza_Schah_Pahlavi
[17] http://de.wikipedia.org/wiki/Mohammad_Reza_Pahlavi
[18] http://www.google.co.uk/imgres?imgurl=http://www.team-bhp.com/forum/attachments/vintage-cars-classics-india/210305-old-bollywood-indian-films-best-archives-old-cars-img_3725.jpg&imgrefurl=http://www.team-bhp.com/forum/vintage-cars-classics-india/43088-old-bollywood-indian-films-best-archives-old-cars-13.html&usg=__k530A4fa3z8816kQ9voypWR_8ks=&h=824&w=1466&sz=460&hl=en&start=50&zoom=1&tbnid=c9nv-HsSzboriM:&tbnh=92&tbnw=163&ei=7TLoTbLcOu7OiAKXleyGAQ&prev=/search%3Fq%3Dvelox%2Btaxi%26um%3D1%26hl%3Den%26safe%3Doff%26sa%3DX%26biw%3D1136%26bih%3D628%26tbs%3Disz:l%26tbm%3Disch&um=1&itbs=1&iact=rc&dur=166&page=4&ndsp=17&ved=1t:429,r:3,s:50&tx=122&ty=36&biw=1136&bih=628