Terroranschlag in Moskauer Konzerthalle: Warum Vorsicht bei Täter-Spekulationen geboten ist

Die Moskauer Konzerthalle Crocus City Hall in Brand.

Die Moskauer Konzerthalle Crocus City Hall in Brand. Bild: Screenshot

Weit über hundert Menschen tot, über hundert verletzt. Ein Inferno. Trotz Isis-Bekennerschreiben wird über andere Täter spekuliert. Ein Spiel mit dem Feuer.

So viel ist klar: Bei dem schwersten Terroranschlag in Russland seit Jahren wurden gestern Abend mindestens 133 Menschen getötet und 107 verletzt, als bewaffnete Männer in militärischer Ausrüstung in einer großen Konzerthalle am Stadtrand von Moskau, der Crocus City Hall, das Feuer eröffneten und Sprengstoff zündeten.

Schreie und Panik

Die staatliche Nachrichtenagentur Ria zitierte einen Sprecher einer Kommission, die die Ermittlungen aufgenommen hat, dass die Zahl der Todesopfer noch steigen könne.

Videos, die auf Social Media geteilt wurden, zeigen schlimme Szenen und hilflose Menschen. Panik brach aus im mit 6.200 Besuchern voll besetzten Saal, während wohl vier Angreifer begannen, Besucher der Konzerthalle zu erschießen. Überlebende Augenzeugen sprechen davon, dass die Menschen schrien und versuchten, wegzurennen.

Update:

In seiner Rede an die Nation erklärte der russische Präsident Wladimir Putin nun:

"Alle vier unmittelbaren Täter des Terroranschlags, alle, die Menschen erschossen und getötet haben, wurden gefunden und festgenommen. Sie versuchten, sich zu verstecken und bewegten sich in Richtung Ukraine, wo nach vorläufigen Angaben auf ukrainischer Seite eine Möglichkeit zum Überschreiten der Staatsgrenze für sie vorbereitet wurde. Insgesamt wurden elf Personen festgenommen.

Der Inlandsgeheimdienst der Russischen Föderation und andere Strafverfolgungsbehörden arbeiten daran, die gesamte Komplizenschaft der Terroristen zu ermitteln und aufzudecken: diejenigen, die ihnen Transportmittel zur Verfügung stellten, Fluchtwege vom Tatort skizzierten, Verstecke vorbereiteten und Waffen und Munition lagerten."

Die Angreifer zündeten auch Sprengsätze, die ein riesiges Feuer entfachten, das zeitweise bis zu 12.900 Quadratmeter umfasste, wie die russische Nachrichtenagentur Interfax berichtet.

Es wurden Hubschrauber eingesetzt, um die Flammen aus der Luft zu löschen, während die Feuerwehrleute den Brand vom Boden aus bekämpften. Das Feuer wurde schließlich am frühen Samstag unter Kontrolle gebracht.

Bekennerschreiben

Russische Ermittler veröffentlichten zugleich Bilder von einer automatischen Kalaschnikow, Westen mit mehreren Ersatzmagazinen und Säcken mit verbrauchten Patronenhülsen.

Lange blieb unklar, wer die Angreifer gewesen sind, von denen zumindest einige laut Berichten nach der Tat entkommen konnten. Nach Angaben von Interfax unter Berufung auf den Kreml sollen elf Menschen festgenommen worden sein. Vier von ihnen stehen im Verdacht, direkt in den Angriff verwickelt gewesen zu sein. Sie sollen auf der Flucht in der russischen Region Brjansk erfasst worden sein. Es handelt sich laut Medienberichten um tadschikische Staatsangehörige.

Der Islamische Staat in der Provinz Chorasan (ISKP), ein afghanischer Ableger des Isil (Isis), bekannte sich in einer von seiner Nachrichtenagentur Amaq veröffentlichten Erklärung zu dem Anschlag.

Demnach hätten ihre Kämpfer am Stadtrand von Moskau angegriffen, "Hunderte von Menschen getötet und verwundet und große Zerstörungen angerichtet, bevor sie sich sicher in ihre Stützpunkte zurückzogen" und dann entkamen.

Isis richtet Fokus auf Putin

Russland meldete in diesem Monat mehrere Vorfälle mit Isil-Beteiligung, wobei der Geheimdienst FSB am 7. März erklärte, er habe einen Anschlag der ISKP auf eine Moskauer Synagoge vereitelt.

Auch die USA hatten vor einer erhöhten Bedrohung durch "Extremisten" gewarnt, die einen Anschlag auf "große Versammlungen" in Moskau planten, und diese Erkenntnis mit den Russen geteilt. Am Freitagabend erklärte ein US-Beamter, Washington verfüge über nachrichtendienstliche Erkenntnisse, die das Bekenntnis des Isil zu dem Anschlag auf die Moskauer Konzerthalle bestätigten.

Terrorexperten wie Peter Neumann vom King’s College in London oder Wassim Nasr vom Soufan Center, einer in Washington ansässigen Forschungsgruppe, halten das Bekennerschreiben für echt. Das Portal The Insider berichtet zudem, dass die Kleidung, die zwei verdächtige Personen bei der Befragung durch russische Sicherheitskräfte trugen, auch auf dem IS-Foto zu erkennen sei, das über Amaq im Laufe des Tages veröffentlicht wurde und die vier mutmaßlichen Terroristen zeigen soll.

Experten zufolge hat sich die Gruppe in den letzten Jahren gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin gestellt. "Isis-K [ISKP] hat sich in den letzten zwei Jahren auf Russland fixiert und Putin in seiner Propaganda häufig kritisiert", sagte Colin Clarke ebenfalls vom Soufan Center.