Trauriger Rekord durch Ukraine-Krieg: Zahl der Opfer von Streumunition auf Höchststand
Globaler Bericht über Tote und Verletzte. Intensive Nutzung und Weitergabe geächteter Waffen trotz Verbotsvertrag. Wer das Regelwerk akzeptiert, wer nicht – und wer nur halbherzig.
Die Zahl der Menschen, die durch Angriffe mit Streumunition oder später durch Blindgänger getötet oder verletzt wurden, hat 2022 einen neuen Höchststand erreicht – und bei der großen Mehrheit handelt es sich um Zivilpersonen. Dies geht aus einem Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hervor, der am Dienstag in Genf veröffentlicht wurde.
Weltweit sind laut dem Streubombenmonitor 2023 im vergangenen Jahr 1.172 Menschen durch Streumunition getötet oder verletzt worden. Mit Abstand die meisten Opfer gab es in der Ukraine, wo mindestens 890 Menschen durch entsprechende Angriffe starben oder verletzt wurden – davon bereits 95 Prozent Zivilpersonen – und 26 durch Streumunitions-Reste.
Angriffe in drei Ländern, Opfer von Blindgängern in fünf weiteren
Da bis zu 40 Prozent dieser Munition beim Aufprall nicht explodiert, gilt die starke Kontamination ehemaliger Kampfgebiete als ernsthafte Bedrohung für die Zivilbevölkerung der betroffenen Länder: Während im vergangenen Jahr "nur" in drei Ländern Angriffe mit Streumunition verzeichnet wurden – neben der Ukraine in Myanmar und Syrien – gab es zusätzlich im Jemen, im Irak, der Demokratischen Volksrepublik Laos, im Libanon und in Aserbaidschan Personenschäden bei der Explosion von Blindgängern.
Das Oslo-Übereinkommen zwischen mehr als 110 Staaten verbietet den Einsatz, die Herstellung und auch die Weitergabe von konventioneller Streumunition – weder Russland noch die Ukraine sind ihm allerdings bisher beigetreten. Gleiches gilt für die USA.
Ampel zeigt Verständnis für Lieferung an die Ukraine
Deutschland ist beigetreten – die Ampel-Regierung hat aber im Juli Verständnis für eine Lieferung der USA an die Ukraine signalisiert, da schließlich auch russische Truppen diesen Munitionstyp in dem Nachbarland einsetzten. Herumliegen dürften dort aber in den nächsten Jahren die Blindgänger beider Seiten – zum Schaden ukrainischer Zivilpersonen.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) erklärte im ZDF-Sommerinterview am 9. Juli 2023 mit Blick auf die Entscheidung Washingtons, Deutschland könne "in der gegenwärtigen Situation den USA nicht in den Arm fallen".
Human Rights Watch bekräftigte am Dienstag jedoch die Forderung, dass alle Staaten der Welt das Oslo-Abkommen unterzeichnen, ratifizieren und sich daran halten müssten: "Der zivilen Schäden durch den neuen Einsatz von Streumunition und die jüngsten Transfers dieser Waffe zeigen, dass alle Länder dringend dem internationalen Verbot von Streumunition beitreten müssen", erklärte die Menschenrechtsorganisation.