Trifft Faesers Abschiebe-Gesetz Opfer und Täter gleichermaßen?

Den ursprünglichen Fluchtgrund jesidischer Asylsuchender hat der Bundestag als Völkermord anerkannt. Nun sollen sie trotz instabiler Lage zurück. Foto: ANF

Befugnisse von Polizei und Behörden bei "Rückführungen" sollen ausgeweitet werden. Ministerin legt Fokus auf "Straftäter und Gefährder". Um wen es sonst noch gehen könnte.

Wer in Deutschland kein Bleiberecht hat, muss Deutschland verlassen – das sehen Gesetzentwürfe vor, die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Mittwoch ins Ampel-Kabinett einbringen will.

"Das ist notwendig, damit wir Menschen, die bei uns Schutz vor Krieg und Terror gefunden haben, weiter gut versorgen können", sagte Faeser am Sonntag der Rheinischen Post. So habe Deutschland allein 1,1 Millionen Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine Schutz geboten. Die Zahl der Rückführungen sei in diesem Jahr bereits um 27 Prozent höher als im Vorjahreszeitraum, betonte Faser. Zum neuen "Bündel restriktiver Maßnahmen" gehöre auch, "Straftäter und Gefährder konsequenter und schneller auszuweisen und abzuschieben".

Befugnisse von Polizei und Behörden bei der Durchsetzung der Abschiebungen sollen ausgeweitet werden. Weitere Änderungen zielen darauf ab, von den Asylsuchenden die sogenannten Mitwirkungspflichten im Asylverfahren stärker einzufordern. Die ungeklärte Identität sei nach wie vor eines der Haupthindernisse bei der Durchsetzung der Ausreisepflicht, heißt es im Gesetzentwurf.

In den letzten Tagen fiel das Stichwort "Abschiebung" mehrfach im Zusammenhang mit Antisemitismus und Ausschreitungen islamistischer Hamas-Sympathisanten auf deutschen Straßen. Auch Faeser lenkte vor wenigen Tagen das Augenmerk auf diese Gruppe.

Auch vor dem IS Geflohene könnten betroffen sein

Weniger intensiv berichtet wurde darüber, dass auch Jesidinnen und Jesiden, die vor den Dschihadisten der Terrormiliz "Islamischer Staat" aus dem Irak geflohen sind, aktuell die Abschiebung droht. Obwohl bekannt sei, "dass der Terror des IS wieder auf dem Vormarsch ist", betonte der Linke-Politiker Ferat Kocak in einer Rede im Berliner Abgeordnetenhaus.

Seine Lageeinschätzung unterscheidet sich kaum von der der Regierungsmehrheit im Bundestag – so wurde vergangene Woche auch das Mandat für den Bundeswehreinsatz im Irak verlängert. Dennoch erhalten zahlreiche jesidische Asylsuchende keinen Schutzstatus mehr.

Eine Gruppe aus der jesidischen Community hat vor zwei Wochen einen Hungerstreik vor dem Bundestag begonnen, um die Forderung nach einem Abschiebestopp zu unterstreichen. Bereits nach einer Woche mussten mehrere Personen vorübergehend ins Krankenhaus gebracht werden.

Auch innerhalb der Ampel-Koalition gibt es Stimmen, die zumindest für diesen Personenkreis einen Abschiebestopp fordern, darunter die Grünen-Politiker Anton Hofreiter und Max Lucks.

Anfang dieses Jahres hatte der Bundestag die IS-Verbrechen an Jesidinnen und Jesiden von 2014 als Völkermord anerkannt. Obwohl der IS in der Region bisher nicht zerschlagen werden konnte, nahmen sich die Regierungsparteien wenig später vor, verstärkt in den Irak abzuschieben – das geht aus der Antwort der Regierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion hervor.

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums erläuterte dies mit den Worten: "Die Zusammenarbeit mit dem Irak erfolgt im sogenannten vertragslosen Verfahren entsprechend dem völkerrechtlichen Grundsatz, wonach jeder Staat verpflichtet ist, seine eigenen Staatsbürger formlos zurückzunehmen, wenn diese im Gaststaat über kein Aufenthaltsrecht verfügen." Der Hungerstreik hat nun zumindest bei Einzelnen in den Reigen der Koalition einen Sinneswandel bewirkt.