Türkei-Syrien-Irak im Krieg ums Wasser
Syrien und der Irak sind Geiseln der Türkei, weil Euphrat und Tigris immer weniger Wasser führen und eine anhaltende Dürre- und Hitzewelle herrscht, nehmen die Proteste im Irak zu
Heiß und trocken ist es nicht nur in Europa, sondern auch im Irak. Die Hitze und die Dürre waren neben der Arbeitslosigkeit mit ein Grund für die vielen Proteste im Südirak, vor allem in Basra zwischen Iran und den Golfstaaten, wo schon vor Wochen die Temperaturen auf fast 50 Grad angestiegen waren und die Versorgung mit Trinkwasser und Strom nur zeitweise funktionierte. Der Iran fuhr die Stromversorgung im irakischen Grenzgebiet wegen der drohenden Sanktionen und wachsender Verschuldung angesichts der Hitzewelle stark zurück. Obgleich die Provinz Basra ölreich ist, kommt von der Ölproduktion von der Zentralregierung nach Meinung der Bewohner zu wenig zurück. Inzwischen haben sich die Proteste aber auch in andere Gebiete verbreitet und etwa Bagdad, Babil Nadschaf und Kerbala erreicht.
Der Konflikt hat sich mittlerweile so aufgeschaukelt, dass die Rufe nach Autonomie stärker wurden. Die Provinzregierung hat mehrheitlich eine Petition für eine unabhängige Region verabschiedet, aber deren Amtszeit ist eigentlich schon letztes Jahr abgelaufen. Neue Regionalwahlen sollen wegen der vielen Vertriebenen in den sunnitischen Gebieten erst Ende des Jahres stattfinden.
Noch aber gibt es nach den umstrittenen Parlamentswahlen im Mai nicht einmal neue Regierung. Derzeit konkurrieren zwei schiitische Gruppen, der Sairoun-Block um Moqtada al-Sadr und dem noch amtierenden Regierungschef Haidar al-Abadi und die Fateh-Allianz um Hadi al-Ameri und den früheren Regierungschef Nouri al-Maliki, um Verbündete bei den Sunniten und Kurden, um eine Koalitionsmehrheit zu erreichen. Auf die Proteste gehen die Lager kaum ein, auch wenn die Lage explosiv wird, sollten sich in den sunnitischen oder kurdischen Gebieten Bewohner anschließen und obwohl sich der einflussreiche Geistliche Ali Sistani hinter die Demonstranten gestellt hat.
Es ist aber auch die Hitzewelle mit der Aussicht auf weitere Dürreperioden, die die Lage im Irak noch instabiler machen könnte, als sie bereits ist. Al-Abadi entließ zwar Ende Juli den Elektrizitätsminister Qassim al-Fahdawi, was aber den Konflikt nicht beenden wird. Während die Regierungsbildung auf sich warten lässt und große Teile der sunnitischen Gebiete, vor allem die großen Städte, durch den Krieg gegen den IS weiter verwüstet sind, hat sich die Terrororganisation offenbar wieder im Untergrund neu formiert und verstärkt den Krieg mit Anschlägen, Überfällen und Entführungen. Ziel von Angriffen sind auch die Stromnetze.
Hälfte der landwirtschaftlichen Fläche Iraks nicht mehr nutzbar
Gestern war es in Basra 48 Grad heiß, in Bagdad mit 45 Grad auch nicht viel besser. Mittlerweile haben sich den Protesten auch Landwirte angeschlossen. Sie protestieren gegen die Entscheidung des Landwirtschaftsministeriums, in der Provinz Diwaniyah aufgrund der anhaltenden Dürre und des geringen Wasserstands der Flüsse Tigris und Euphrat keinen Reis mehr anzubauen. Betroffen sind auch Getreide, Baumwolle, Sonnenblumen und Bohnen. Die Bauern fürchten um ihre Existenz und werfen der Regierung vor, sie nicht zu unterstützen bzw. sie beispielsweise im Interesse von anderen Ländern schädigen zu wollen.
Nach dem Landwirtschaftsministerium ist im Vergleich zu 2017 die Hälfte der landwirtschaftlichen Flächen im Irak wegen der Dürreperiode nicht mehr nutzbar. Auch die Viehhaltung im Süden des Irak ist kaum mehr möglich. Die Tiere verdursten, wer kann, weicht mit seinem Vieh in besser bewässerte Gebiete aus. Schuld an der Lage ist nicht nur die Hitzewelle, sondern auch die Nachbarländer Türkei und Iran tragen dazu bei, weil sie Wasser zurückhalten. Das ist kein neues Problem, aber mit der Dürre verstärken sich die Folgen des "Kriegs um das Wasser".
Der Irak ist - ebenso wie Syrien - vor allem eine Geisel der Türkei bei der Wasserversorgung, denn sowohl der Euphrat als auch der Tigris kommt aus der Türkei (Iraq’s Water Crisis). So wurde erst im Februar der neue Ilisu-Damm am Euphrat in Betrieb genommen. Aber auch Dämme im Iran und Syrien senken die Wassermengen, so dass nun bei Basra, dem "Venedig des Ostens", wegen des fehlenden Wasserstands zunehmend Salzwasser eindringt. Schon jetzt gibt es deswegen in der Provinz Basra fast kein landwirtschaftlich nutzbares Land mehr.
Klimaerwärmung und Wasserpolitik der Türkei können neue Flüchtlingsbewegung verursachen
Die Lage für Syrien und den Irak wird sich zuspitzen, wenn die Türkei das Südostanatolien-Projekt (GAP) fertigstellt, zu dem auch der Ilisu-Damm gehört. Am Euphrat und Tigris wurden 22 Staudämme sowie 19 Wasserkraftwerke und Bewässerungsanlagen gebaut bzw. sind am Entstehen, womit die Türkei noch bessere Kontrolle über das Wasser hat - und entsprechend Druck zur Durchsetzung von Zielen auf Syrien und den Irak ausüben kann. Der Krieg um das Wasser spielt auch eine wichtige Rolle bei den Kämpfen mit der PKK und den syrischen Kurden. Allein schon die gewaltige Wasserverdunstung der Stauseen reduziert das Flusswasser erheblich, dazu tragen die Flüsse weniger Schwemmland mit sich. Befürchtet wird, dass mit Abchluss des Projekts noch weitaus weniger Wasser über die Flüsse nach Syrien und den Irak kommt als bisher.
Zwar hat der Irak mit der Türkei 1946 ein Abkommen über die Regulierung der beiden Flüsse geschlossen, aber dort nur vereinbart, dass der Irak über den Wasserstand und geplante Vorhaben unterrichtet werden sollte. 1980 kam es zu einem weiteren Abkommen über technische Zusammenarbeit, dem auch Syrien beitrat. Einseitig, aber ohne Abkommen garantierte die Türkei einen Durchfluss von 500 Kubikmeter pro Sekunde. Syrien und Irak vereinbarten aufgrund der türkischen Zusage, dass der Irak 58 Prozent und Syrien 42 Prozent der Wassermenge erhält. Zu einem ersten schweren Konflikt kam es 1992, als die Türkei nach Fertigstellung des Ata-Türk-Staudamms, auch Teil von GAP, für einen Monat den Euphrat ganz lahmlegte, um den Stausee zu füllen.
Die Türkei besteht aber auf der absoluten Souveränität über die Ressourcen des Landes. Dazu wird nicht nur Öl, Gas oder Mineralien, sondern eben auch das Wasser gezählt, das in den Flüssen fließt. Das wird allerdings nach internationalem Recht bestritten. Nach dem Prinzip 21 der Erklärung der Konferenz der Vereinten Nationen über die Umwelt des Menschen von 1972 wird jedem Land zwar die Souveränität zur Ausbeutung der eigenen natürlichen Ressourcen zugesprochen, so lange diese nicht die Umwelt anderer Staaten oder Gebieten über die nationale Rechtsprechung hinaus schadet. Aber es gibt keine wirkliche Regelung, was die Haltung der Türkei oder die der stromaufwärts gelegenen Länder begünstigt, die mit dem Wasser die abhängigen, stromabwärts gelegenen Länder erpressen oder schädigen können. Die Wasserkonflikte zwischen der Türkei, Syrien und dem Irak sind bereits alt, aber nun droht, dass die Wüstenbildung rasant voranschreitet.
Aber die Türkei baut ihre Kontrolle über das Wasser aus und zweigt mehr für die eigene Nutzung ab. Die Klimaerwärmung mit Hitzewellen und sich mehrenden Dürreperioden verstärkt die Problematik. Absehbar sind nicht nur Konflikte in Syrien und im Irak über den Zugang zu dem verbleibenden Wasser der Flüsse, sondern auch neue Migrationsbewegungen, weil in Teilen Syriens und Iraks Landwirtschaft unmöglich wird, die Trinkwasserversorgung nicht mehr gesichert ist und die Hitze das Leben unerträglich macht. Man kann sich also auf weitere Flüchtlingsbewegungen einstellen, deren Ursache in der Klimaerwärmung und nationalen Egoismen liegt. Syrien und der Irak sind intern durch Konflikte blockiert und haben keine funktioierende Nationalregierungen, die Abmachungen durchsetzen können. Die Türkei hat damit ein leichtes Spiel.