zurück zum Artikel

UFO-Ortung: Auch in Deutschland und Europa eine Frage der Einstellung.

Blick in einen Flugüberwachungsraum in den 1980-er Jahren. Bild: DianneNH (via Pixabay.com) / Pixabay License

Seit dem "China-Ballon" über den USA wurden auf einmal weitere Objekte geortet. Dafür gibt es eine einfache Erklärung. Was der Ballon-Eklat geändert hat.

Während von Beginn an klar war, dass es sich bei dem großen "China-Ballon" um einen Höhenballon handelte, wurden in den USA alleine am darauffolgenden Wochenende ganz offiziell drei Flugobjekte registriert und kurz danach abgeschossen, obwohl deren Herkunft, Natur und mögliche Absichten bis heute "unidentifiziert" sind.

Experten wie Politiker kamen schnell zu dem Schluss, dass bisherige Filter-Einstellungen der Radar- und Ortungssysteme dafür verantwortlich waren, dass solche UFOs der Ortung bislang entgangen sind. Auch in Deutschland, Österreich und Europa ist das nicht anders.

Angesichts der jüngsten ungewöhnlichen Anzahl und Entdeckungsrate unidentifizierter Flugobjekte (UFOs) über Nordamerika hat sich ein US-Beamter gegenüber der Washington Post wie folgt geäußert [1]:

Die Fälle des Eindringens (unbekannter Flugobjekte in unseren Luftraum) in der vergangenen Woche haben die Art und Weise verändert, wie Analysten Informationen von Radargeräten und Sensoren empfangen und interpretieren.

Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates Admiral John Kirby während der White-House-Pressekonferenz am 13. Februar 2023. Bild: Screenshot C-SPAN

Auch der Sprecher des Weißen Hauses, John Kirby, erläuterte am 13. Februar 2023 auf einer Pressekonferenz [2]:

Einer der Gründe, warum wir jetzt mehr von diesen Objekten sehen, ist der, dass wir genauer nach mehr Ausschau halten. Sie haben gehört, was General VanHerck gestern gesagt hat: Man hat die Filter-Einstellungen der Radarsysteme modifiziert, um noch genauer nach kleinen und langsamen Radarzielen in großer Höhe zu suchen. Wenn man die Radar-Parameter richtig einstellt, so wird es auch wahrscheinlicher, dass man genau das auch findet, wonach man sucht.

Mittlerweile haben selbst hochrangige Militärs, bis hin zum US-Präsidenten selbst [3], den Umstand bestätigt und erläutert, dass bisherige Filtereinstellungen der Radarsysteme die Detektion bestimmter Objekte im Luftraum (im aktuellen Fall geht es um kleine, langsam und sehr hoch fliegende Objekte) nur schwer bis gar nicht detektieren konnten und man die Systeme spätestens seit dem Auftauchen den großen "China-Ballons" angepasst habe.

Tatsächlich bestätigt sich damit nun eine Situation, wie ich sie bereits im Herbst 2021 in meinem Buch "Deutschlands UFO-Akten – Über den politischen Umgang mit dem UFO-Phänomen in Deutschland" für Deutschland, Österreich, die Schweiz und ganz Europa beschrieben habe und mit offiziellen Aussagen der Verteidigungsministerien Deutschlands und Österreichs belegen konnte: Auch hierzulande wurden und werden exotische Radarsignale von den Systemen automatisch ausgefiltert, um die Luftraumüberwachung zu gewährleisten.

Was also eigentlich dazu führen soll, die Luftraumüberwachung zu vereinfachen, führte bislang und führt auch aktuell dazu, dass Flugobjekte unbekannter Herkunft zwar zunächst erfasst, danach aber von den Systemen herausgefiltert und damit nicht weiter verfolgt werden.

Auf Anfragen hin erklärte ein Sprecher des Bundesministeriums für Verteidigung [4] noch im Januar 2022:

Bislang gab es schlichtweg keine registrierten Vorfälle und Beobachtungen, die wir nicht technisch, meteorologisch oder astrophysikalisch erklären konnten. (…)

Dass dies tatsächlich aber nur vordergründig der Wirklichkeit entspricht, zeigte bereits der UFO-Forscher Illobrand von Ludwiger in seinem 1999 erschienenen Buch "UFOs über Europa – Wissenschaftliche Beweise durch Radargeräte, optische Sensoren und militärische Luftraumüberwachung". Darin erklärt der Physiker, warum Computer-erstellte Radarspuren von UFO-Bewegungen nicht immer wiedergeben:

Die Flugspurbildung im Radarrechner setzt eine kontinuierlich verlaufende Kurve voraus, wie sie von allen Flugzeugen und Raketen geflogen wird, nicht aber von UFOs. Wenn Flugobjekte ohne Transpondermeldung – also von der militärischen Luftraumüberwachung – erfasst werden, dann wird von einem Programm aus drei nacheinander vom Radar gemessenen Positionspunkten eine Flugbahn gebildet. Aus der Flugbahn wird ein Erwartungsraum für die nächste Position extrapoliert.

Wenn das Objekt beim nächsten Radarscan oder -umlauf nicht in den Erwartungsraum fällt, wird der folgende Erwartungsraum entsprechend größer gebildet. Wird beim dritten Mal wieder kein Echo in den erweiterten Erwartungsraum gefunden, so wird die Spur abgebrochen. Wenn ein Objekt nicht den Erwartungen entspricht, wenn es beispielsweise in der Lage wäre, in einer sehr steilen Kurve umzukehren, so wird seine Bahn vom Rechner-Algorithmus als ‚unmöglich‘ interpretiert. "Unmögliche Flugwege" werden nach etwa 30 Sekunden aus dem System entfernt.

Was das österreichische Bundesheer anders macht

Dass entsprechend ungewöhnliche Radarziele und Ortungen aber dennoch zunächst auftauchen und detektiert werden, konnten v. Ludwiger und Kollegen damals anhand zahlreicher Radardaten der Schweizer Luftaufsicht belegen (s. Abb. 2).

Abbildung 2. Die linke Abbildung zeigt ein Radar-Beispiel aus v. Ludwigers Buch "UFOs über Europa" (S. 144): "In der Nacht des 18. Juni 1993 wurde im Schweizer Luftraum ein 'Flugzeug' entdeckt, das sich nicht über Transponder meldete und damit seine Identität nicht auswies. Es flog zunächst mit 240 Stundenkilometern. Während man versuchte, das Objekt zu identifizieren, wechselte dieses Flugobjekt plötzlich seine Flugrichtung um 90 Grad. Dabei beschleunigte es auf Überschallgeschwindigkeit. Da der Rechner Flugspuren von Objekten mit Geschwindigkeiten von mehr als Mach 4 eliminiert (weil Flugzeuge mit dieser Geschwindigkeit in Europa noch nicht gebaut werden), wurde die Spur verloren." Die Abbildung rechts zeigt die visualisierte Radardaten eines Objekts, dass am 13. Juni 1993 zwischen 23:14 und 23:20 Uhr extreme Höhenveränderungen über Dübendorf in der Schweiz vollführte. Bild: v. Ludwiger, I. "UFOs über Europa" (München, 1999)

Durch meine Recherchen zu meinem Buch "Deutschlands UFO-Akten" konnte ich diesen Sachverhalt erneut bestätigen. Darin zitiere ich unter anderem die Erläuterungen eines leitenden Ingenieurs des Österreichischen Bundesheeres, Kommando Luftraumüberwachung zur Frage, ob in Österreich mit dem dortigen militärischen Luftraumüberwachungssystem "Goldhaube" bereits UFOs geortet wurden:

(…) Die kurze Antwort auf ihre Frage ist: Nein, es wurden im System Goldhaube keine derartigen Flugobjekte erfasst.

Die etwas längere Antwort ist: Jedes Radar ist, um eine hohe Reichweite zu erzielen, höchst empfindlich. Deshalb entsteht durch verschiedene Mechanismen zwangsläufig auch eine hohe Anzahl an Erfassungen, die keine Ziele sind ("Falschalarme" u. ä.). Diese Erfassungen werden im Radar nach Kriterien gefiltert, die aus den erwarteten (spezifizierten) Eigenschaften eines Ziels abgeleitet sind. Erfassungen, die diese Kriterien nicht erfüllen, werden verworfen. In weiterer Folge werden aus den Radarerfassungen Flugspuren gebildet, auch diese Algorithmen basieren auf den spezifizierten Eigenschaften, – insbesondere den kinematischen Grenzen – der relevanten Ziele.

Nur durch diese (automatisierten) Verarbeitungsschritte kann ein nutzbares (einigermaßen "sauberes") Radarbild erzeugt werden. Dies hat jedoch zur Folge, dass nur Ziele dargestellt werden, die auch die spezifizierten Eigenschaften haben – Ziele mit UFO-ähnlichem Flugverhalten gehören nicht dazu.

Stark zusammengefasst würde dies also bedeuten, dass Luftraumüberwachungssysteme wie Goldhaube u. a. deshalb keine unidentifizierten Flugobjekte und schon gar nicht solche mit exotischen Flugeigenschaften und Fähigkeiten orten (können), weil gar nicht erst danach gesucht wird bzw. entsprechende Signale (so vorhanden) ohnehin aussortiert und gar nicht auf dem üblichen Radar angezeigt werden.

Eine aktuelle Bestätigung für diesen Umstand lieferte Brigadier Gertfried Promberger, Kommandant der Luftstreitkräfte des Österreichischen Bundesheeres in einem ORF1-Radiointerview "Fliegende Rätsel" [5]. Von einem Höreranruf nach dem Zitat aus meinem Buch angesprochen und bejahte dies grundsätzlich.

Da Goldhaube weit über die österreichischen Landesgrenzen hinausreicht und aufgrund der geografischen wie geopolitischen Lage Österreichs auch mit den Systemen anderer Länder zusammenarbeitet und koordiniert wird, hatte ich auch beim bundesdeutschen Verteidigungsministerium nachgefragt, ob Gleiches auch auf das bundesdeutsche Luftüberwachungssystem zutrifft.

Wie ein Sprecher des Bundesministeriums der Verteidigung mit telefonisch mitteilte, könne und werde er natürlich keine Details des bundesdeutschen Luftraumüberwachungssystems ausplaudern, doch treffe die Ausführung des österreichischen Kollegen grundsätzlich auf alle Radarsysteme zu. Der Sprecher fügte aber auch hinzu, dass er damit nicht sagen wolle, dass man deshalb "heimlich" UFOs orte. Dem sei nicht der Fall. Weitere Rücksprachen mit der Bundeswehr nahestehenden Experten auf diesem Gebiet bestätigten diese Bewertung.

Neben Suchparametern ist noch ein zweiter Faktor nötig

In einer Leserzuschrift bestätigte mir auch ein ehemaliger Bundeswehrsoldat dieses Vorgehen:

In den 1980-ern war ich persönlich bei der Bundeswehr in einem Radarzug in Meßstetten auf der Schwäbischen Alb tätig. Ich kann nur bestätigen, dass fast täglich seltsame Radarechos registriert wurden, diese allerdings nur auf den Beobachtungsschirmen, welche ‚zugelassen‘ sind, dargestellt wurden. (Kommandostellen und Wartungsstellen, wie in meinem Fall). Normale Operateure, "OPs", bekamen diese gar nicht mit, da die Signale durch die EDV herausgefiltert wurden. Damals war das System GEADGE im Einsatz. (Zu hohe Geschwindigkeiten / Beschleunigungen in allen Richtungen usw. wurden gefiltert). Die OPs sehen eigentlich nie die eigentlichen Radarechos sondern immer nur aufbereitete Daten des Systems.

Fasst man die obig zusammengetragenen Informationen und Aussagen zusammen, so ist es also lediglich eine Frage von Suchalgorithmen und -Filtereinstellungen, damit exotische Radarziele detektiert, weiterverfolgt und dokumentiert werden können – in den USA, aber auch in Europa und Deutschland.

Dass dies bei entsprechendem Interesse möglich ist und dann auch umgehend exotische Radarziele – also UFOs per definitionem – auftauchen, das zeigen die Schweizer Beispiele aus den 1990-er Jahren.

Es wäre ein Gewinn sowohl für die Flugsicherheit, Aufklärung und nicht zuletzt für die Wissenschaft, wenn auch hierzulande die Filter erweitert und diese Daten dann auch Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen zugänglich gemacht würden. Schließlich gibt es in Deutschland mit dem Interdisziplinären Forschungszentrum für Extraterrestrik [6] (IFEX) das einzige Universitätsinstitut weltweit, das sich neben seiner Weltraum- und Satellitenforschung ganz offiziell auch der Erforschung von UFOs bzw. UAP widmet.

Hier ist man nicht nur Willens, sondern könnte auch sehr gut die Aufgaben einer offiziellen deutschen UFO-Forschungsstelle übernehmen, wie es sie unter anderem in Frankreich [7] (Geipan [8]) und den USA [9] (Aaro [10]) bereits gibt.

Immerhin bestätigte die Bundesregierung vor wenige Tagen erstmals, dass auch Deutschland bei der Untersuchung von unidentifizierten Flugobjekten im "engen vertraulichen Austausch mit seinen Bündnispartnern" stehe, so ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums auf meine Anfrage [11], nachdem es zuvor immer nur geheißen hatte, man sehe der Tatsache, dass man noch keine Objekte detektiert habe, die unidentifiziert geblieben seien, "keinen Anlass zur Thematisierung von UFOs/UAP".

Andreas Müller, Jahrgang 1976, studierte Kommunikationsdesign an der HBK Saar und arbeitete schon früh als Journalist mit Schwerpunkt anomalistischer Phänomene. Er ist Herausgeber des Nachrichtenportals GrenzWissenschaft-Aktuell.de [12] (GreWi), in dieser Position assoziiertes Mitglied am Interdisziplinären Forschungszentrum für Extraterrestrik (IFEX) an der Universität Würzburg und Autor des im Oktober 2021 erschienen Buches "Deutschlands Ufo-Akten – Über den politischen Umgang mit dem Ufo-Thema in Deutschland [13]" (GreWi/BoD, 452 Seiten, ISBN: 978-3754306802).

Einige der vorliegenden Akten hingegen sprechen eine andere Sprache. Bis auf Weiteres bleibt es also in Deutschland dabei: Die Detektion von UFOs ist eine Frage der Einstellung – der Geräte und auch in den Köpfen.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-7495091

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.washingtonpost.com/national-security/2023/02/11/military-shootdown-alaska-flying-object/
[2] https://www.c-span.org/video/?526029-1/white-house-briefs-chinese-spy-balloon-program
[3] https://youtu.be/toUqQHxgO2k
[4] https://www.grenzwissenschaft-aktuell.de/grewi-nachgefragt-neue-bundesregierung-neue-position-zu-ufos-und-uap20220111/
[5] https://oe1.orf.at/programm/20230217/709156/Fliegende-Raetsel
[6] https://www.uni-wuerzburg.de/ifex/ziele-und-aufgaben/
[7] https://www.cnes-geipan.fr/
[8] https://www.cnes-geipan.fr/
[9] https://www.defense.gov/News/Releases/Release/Article/3100053/dod-announces-the-establishment-of-the-all-domain-anomaly-resolution-office/
[10] https://www.defense.gov/News/Releases/Release/Article/3100053/dod-announces-the-establishment-of-the-all-domain-anomaly-resolution-office/
[11] https://tinyurl.com/4m8zdy4k
[12] https://www.grenzwissenschaft-aktuell.de/
[13] https://www.amazon.de/dp/3754306804/ref=nosim?tag=telepolis0b-21