UN-Chef: Propaganda-Maschine der fossilen Industrie muss gestoppt werden

Eine Demonstrantin hält ein Schild über die Leugnung des Klimawandels durch ExxonMobil bei einem Protest in Washington D.C. in die Höhe. Bild: Johnny Silverclou / CC BY-SA 2.0

In glänzenden Werbeanzeigen propagieren Öl- und Gaskonzerne wie die Autoindustrie, ihre Treibhausgase zu reduzieren. Aber nicht nur die Zahlen sprechen eine andere Sprache, auch interne Dokumente, die jetzt geleakt wurden.

In einer Rede am Dienstag vor der UN-Generalversammlung forderte UN-Generalsekretär Antonio Guterres eine Steuer auf die enormen Übergewinne der fossilen Brennstoffindustrie. Die Verschmutzer müssten endlich für die Schäden bezahlen.

Diese Mittel sollten in zweierlei Hinsicht umgeschichtet werden – für Länder, die unter den durch die Klimakrise verursachten Verlusten und Schäden leiden, und für Menschen, die mit steigenden Lebensmittel- und Energiepreisen zu kämpfen haben.

Die Welt befinde sich in einer eskalierenden Krise, so Guterres weiter, und das erfordere entschlossenes Handeln.

Machen wir uns keine Illusionen. Wir befinden auf rauer See. Ein Winter der globalen Unzufriedenheit steht vor der Tür, eine Krise der Lebenshaltungskosten tobt, das Vertrauen bröckelt, die Ungleichheiten explodieren und unser Planet verbrennt. Wir haben die Pflicht zu handeln, und doch befinden wir uns in einer globalen Sackgasse. Die internationale Gemeinschaft ist weder bereit noch willens, die dramatischen Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen.

Diejenigen, die immer weiter große Gewinne mit der Verschmutzung machen, müssten zur Verantwortung gezogen werden. Das gelte auch für Banken, Private-Equity-Firmen, Vermögensverwalter und andere Finanzinstitute, die unablässig in die Kohlenstoffverschmutzung investieren.

In seinem Plädoyer für einen grundlegenden Wandel prangerte der UN-Generalsekretär darüber hinaus die PR- und Werbefirmen an, weil sie die Verschmutzung durch fossile Brennstoffe, die den Planeten zerstört, ermöglichen.

Wie schon Jahrzehnte zuvor für die Tabakindustrie manipulieren Lobbyisten und Spin-Doktoren die Realität und verbreiten Fehlinformationen. Die fossilen Industrien sollten weniger Zeit darauf verwenden, eine PR-Katastrophe zu verhindern – und mehr Zeit, die planetarische Katastrophe abzuwenden.

Guterres' Rede folgt auf die Veröffentlichung des jüngsten "F-List"-Berichts der Kampagne "Clean Creatives" von Fossil Free Media. Der Bericht beschreibt die Beziehungen zwischen fast 240 PR- und Werbefirmen und ihren Kunden aus der fossilen Brennstoffindustrie. Jamie Henn, Direktor von Fossil Free Media stellt fest:

Seit Jahrzehnten weiß "Big Oil" von den verheerenden Gesundheits- und Klimaauswirkungen fossiler Brennstoffe und hat sich mit Werbeagenturen und PR-Firmen zusammengetan, um eine milliardenschwere Kampagne zu starten, die die Öffentlichkeit in die Irre führt und verwirrt, die Dringlichkeit der Klimakrise herunterspielt und die Arbeit, die sie für eine Lösung geleistet haben, verzerrt.

Obwohl Klimaforscher berechnet haben, dass die globalen Treibhausgase bis 2030 halbiert werden müssen, um den Temperaturanstieg bei 1,5 Grad Celsius halten zu können, planen die Öl- und Gasunternehmen, die Produktion sogar noch auszuweiten.

Der Bericht von Fossil Free Media unterstreicht daher die Verantwortung der PR-Industrie, die Öffentlichkeit nicht zu täuschen:

Werbung und PR für fossile Unternehmen entspricht nicht der Realität. Shell hat zugegeben, dass ihre "Betriebspläne und Budgets nicht das Netto-Null-Emissionsziel von Shell widerspiegeln", das in ihrer Werbung häufig erwähnt wird. In den Jahren 2020 und 2021 wird in 80 Prozent der Chevron-Werbung das Thema Nachhaltigkeit erwähnt, während nur 1,8 Prozent der Investitionsausgaben in Nicht-Öl- und Gasprojekte fließen. Diese Anzeigen stellen für die PR-Agenturen ein juristisches sowie ein Reputationsrisiko dar. Weltweit laufen über 1.800 Klimaschutz-Verfahren, viele davon wegen irreführender Werbung. Sowohl Shell als auch BP wurden von Aufsichtsbehörden in den Niederlanden bzw. im Vereinigten Königreich gerügt und aufgefordert, Kampagnen einzustellen, die die Öffentlichkeit in die Irre führen. In Frankreich wurde die Werbung für fossile Brennstoffe verboten, in anderen Ländern wird ein Verbot erwogen. Es gab noch nie einen besseren Zeitpunkt, sich von den Kunden der fossilen Brennstoffindustrie zu trennen.

Leaks: BP, Exxon & Co. sind Schurken, die Klimaschützern Ungeziefer wünschen

Im Zuge von Anhörungen im US-Kongress sind zudem interne Dokumente und E-Mails geleakt worden, die zeigen, wie sich Öl- und Gaskonzerne wie Shell, Chevron, BP oder Exxon von ihren Klimazielen intern distanzieren, zugeben, die Öffentlichkeit über ihre Absichten, nachhaltig zu werden, täuschen und Klimaaktivist:innen verhöhnen und ihnen wünschen, von Ungeziefer befallen zu werden. Varshini Prakash von der Klimabewegung Sunrise in den USA kommentierte daraufhin lakonisch:

Erst ignorieren sie dich, dann lachen sie dich aus, dann wünschen sie dir Ungeziefer, dann gewinnst du.

Die Dokumente seien "der jüngste Beweis dafür, dass die Ölgiganten in Bezug auf ihre Zusagen, zur Lösung der Klimakrise beizutragen, ständig lügen und dass die politischen Entscheidungsträger ihnen niemals vertrauen sollten", so Richard Wiles, Präsident des Center for Climate Integrity. Und er fügte hinzu:

Wenn die Öl- und Gaskonzerne in Bezug auf das Klima etwas teilen, dann ist es ihre völlige Unfähigkeit, die Wahrheit zu sagen.

So machte Exxon in den letzten drei Monaten rund 18 Milliarden Dollar Gewinn mit fossilen Brennstoffen – mehr als dreimal so viel wie im gleichen Zeitraum im letzten Jahr –, während es sich öffentlich zu den Pariser Klimazielen bekennt. Intern drängte ein Vorstandsmitglied im Umkreis des Exxon-Chefs jedoch 2019 darauf, den Hinweis auf das Paris-Abkommen aus einer Veröffentlichung einer Industrielobbygruppe, der Exxon angehört, zu löschen.

Der Konzern Shell hat sich offiziell dazu verpflichtet, bis 2050 keine Treibhausgase mehr zu produzieren, macht in einem internen Dokument aus dem Jahr 2020 aber deutlich, dass man "keine unmittelbaren Pläne" habe, in den nächsten zehn bis 20 Jahren "zu einem Netto-Null-Emissionsportfolio überzugehen".

Ro Khanna, Vorsitzender des Unterausschusses für Umwelt im US-Kongress, sagte, dass

die Dokumente, die ich heute im Rahmen meiner Untersuchung veröffentlicht habe zu den Anstrengungen von Big Oil, die amerikanische Öffentlichkeit über die Klimakrise zu täuschen, erschütternd und explosiv sind. Interne E-Mails und Regeln für die öffentliche Kommunikation zeigen, dass die Klimazusagen von Big Oil auf unbewiesenen Technologien, buchhalterischen Spielereien und irreführender Sprache beruhen, um die Realität zu verschleiern. Die Dokumente zeigen auch eine Kultur unfassbarer Respektlosigkeit gegenüber führenden Klimaaktivisten wie Bill McKibben und einflussreichen Klimagruppen wie der Sunrise-Bewegung.

Die jüngsten Täuschungsmanöver von Öl- und Gaskonzernen – die sich einreihen in eine lange Geschichte der Propaganda, die erst darauf abzielte, die Klimakrise herunterzuspielen, nun in Form von Greenwashing der fossilen Unternehmen bei der Lösung der Klimakrise betrieben wird – kommen zu einem Zeitpunkt ans Tageslicht, da das Global Registry of Fossil Fuels bekannt gegeben hat, dass, wenn man alle noch vorhandenen fossilen Vorräte verbrennen würde, 3,5 Billionen Tonnen an Treibhausgasen in die Atmosphäre gelangen. Das würde das verbleibende Budget für die vereinbarte 1,5 Grad-Celsius-Obergrenze um das Siebenfache übersteigen.

Die Greenwashing-Propaganda, unterstützt von PR- und Werbefirmen, täuscht die Öffentlichkeit also weiter über die tatsächlichen Motive und Pläne der fossilen Industrien – damals wie heute. Viele Medien machen dabei mit – nicht zuletzt, indem sie den Werbe- und PR-Lügen ein Massenpublikum zuführen. Die Aufforderung der Kongressabgeordnete Carolyn B. Maloney, Vorsitzende des US-Ausschusses, der sich mit den Untersuchungen zur fossilen Brennstoffindustrie befasst, müsste daher an einen größeren Kreis adressiert werden:

Diese Unternehmen behaupten, dass sie Teil der Lösung für den Klimawandel sind, aber interne Dokumente zeigen, dass sie ihre Geschäfte wie gewohnt weiterführen. Ich fordere die großen Unternehmen für fossile Brennstoffe auf, ihre Täuschung zu beenden und ihre Emissionen jetzt zu reduzieren – bevor es zu spät ist.

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