UN-Ranking: Wie kann es sein, dass die USA ganz hinten landen?

Seite 2: Wirtschaftssanktionen und Entwicklungshilfe

Barbados zum Beispiel hat zwei VNRs in den Jahren 2020 und 2023 vorgelegt. Fünf Länder haben jedoch noch nie eine einzige VNR vorgelegt: Haiti, Myanmar, Südsudan, Jemen und ja, die Vereinigten Staaten von Amerika. Der Südsudan und der Jemen stehen nun auf der Liste der Länder, die 2024 eine VNR vorlegen wollen, nicht aber die USA.

Derzeit umfasst der Multilateralismus-Index 74 der 193 UN-Mitgliedsstaaten, also die Gruppe, für die wir umfangreiche Daten über die Bemühungen der Regierungen zur Erreichung der SDGs gesammelt haben. Der Multilateralismus-Index ist positiv mit diesen SDG-Bemühungen korreliert, d. h. Länder, die sich an die UN-Prozesse halten (gemäß dem Index), zeigen auch ein starkes Engagement für die SDGs.

Der Multilateralismus-Index basiert auf fünf Indikatoren.

Der erste Indikator ist der Anteil an UN-Verträgen zwischen 1946 und 2022, den jedes Land ratifiziert hat. So hat Barbados beispielsweise mehr als 80 Prozent der wichtigsten UN-Verträge ratifiziert, die USA dagegen weniger als 60 Prozent.

Der zweite Punkt ist die Verhängung einseitiger Wirtschaftssanktionen (manchmal auch "einseitige Zwangsmaßnahmen" genannt) durch einzelne Länder, die nicht von der Uno genehmigt wurden. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen verkündete 1974, dass "kein Staat einen anderen Staat durch wirtschaftliche, politische oder sonstige Maßnahmen zwingen darf, um von ihm die Unterordnung der Ausübung seiner souveränen Rechte zu erwirken, oder dazu ermutigen darf".

Der dritte Teil misst die Mitgliedschaft jedes Landes in den wichtigsten UN-Organisationen.

Der vierte Indikator prüft die Militarisierung der einzelnen Länder und ihre Neigung, Krieg zu führen. Dieser Indikator stützt sich auf die hervorragende Arbeit des Global Peace Index.

Der fünfte Indikator betrifft die wirtschaftliche Solidarität jedes einkommensstarken Landes mit ärmeren Nationen, und zwar anhand der öffentlichen Entwicklungshilfe (ODA) in Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE).

Gemäß einer Resolution der UN-Generalversammlung vom Oktober 1970 sollen Länder mit hohem Einkommen mindestens 0,7 Prozent des BNE für die öffentliche Entwicklungshilfe aufwenden. Die USA hingegen wendeten im Jahr 2022 nur 0,22 Prozent auf.

Wir kombinieren diese fünf Indikatoren, um den Multilateralismus-Index zu erstellen.

Unser Index, der auf Daten bis zum Jahr 2022 basiert, hat seine Vorhersagekraft unter Beweis gestellt. In den letzten Wochen haben wir bei einer Abstimmung nach der anderen gesehen, wie sich die Vereinigten Staaten innerhalb der Uno selbst isolierten. Multilateral innerhalb des UN-Systems zu sein, bedeutet schließlich, sich an die UN-Vorgaben und die Stimme der Weltgemeinschaft zu halten.

Am 18. Oktober standen die USA im UN-Sicherheitsrat alleine da, als sie ihr Veto einlegten, um eine Resolution zu stoppen, die einen humanitären Waffenstillstand in Gaza forderte. Die Abstimmung ergab zwölf Ja-Stimmen, zwei Enthaltungen. Nur die USA legten ihr Veto gegen die Maßnahme ein.

In ähnlicher Weise verabschiedete die UN-Generalversammlung am 2. November 2023 die Resolution A/78/L.5, in der die Vereinigten Staaten aufgefordert werden, ihr langjähriges Wirtschafts-, Finanz- und Handelsembargo gegen Kuba aufzuheben. Um es milde auszudrücken, war das keine knappe Abstimmung: 187 Länder stimmten für die Resolution, während nur die USA und Israel dagegen stimmten.

Die Ukraine enthielt sich der Stimme, und drei Länder haben nicht abgestimmt. Somit stimmten 187 mit Ja, zwei mit Nein und ein Staat enthielt sich. Die diesjährige Resolution folgt auf 30 ähnliche Resolutionen, die bis ins Jahr 1993 zurückreichen. Die Vereinigten Staaten haben jede einzelne dieser Resolutionen der UN-Generalversammlung ignoriert.

In einer weitreichend vernetzten und voneinander abhängigen Welt, die mit noch nie dagewesenen und komplexen Krisen konfrontiert ist, die von Pandemien über Kriege bis hin zum Klimawandel reichen, ist die Notwendigkeit des Multilateralismus im Rahmen der UN-Charta dringender denn je.

Keine Regierung kann diese Probleme für sich alleine angehen. Barbados hat den höchsten Standard gesetzt unter den Ländern, den andere anstreben sollten. Die USA sollten anerkennen, dass das UN-System, das auf der Grundlage der UN-Charta funktioniert, die wahre "regelbasierte internationale Ordnung" ist.

Dieser Artikel erscheint in Kooperation mit US-Nachrichtenportal Common Dreams. Das englische Original findet sich hier. Übersetzung: David Goeßmann.

Jeffrey D. Sachs ist Universitätsprofessor und Direktor des Zentrums für nachhaltige Entwicklung an der Columbia University, wo er von 2002 bis 2016 das Earth Institute leitete. Außerdem ist er Präsident des UN Sustainable Development Solutions Network und Kommissar der UN Broadband Commission for Development. Er war Berater von drei Generalsekretären der Vereinten Nationen und ist derzeit SDG-Beauftragter von Generalsekretär Antonio Guterres. Sachs ist der Autor des kürzlich erschienenen Buches "A New Foreign Policy: Jenseits des amerikanischen Exzeptionalismus" (2020). Zu seinen weiteren Büchern gehören: "Building the New American Economy: Smart, Fair, and Sustainable" (2017) und "The Age of Sustainable Development," (2015) mit Ban Ki-moon.

Guillaume Lafortune ist Vizepräsident und Leiter des Pariser Büros des U.N. Sustainable Development Solutions Network (SDSN) - dem größten globalen Netzwerk von Wissenschaftlern und Praktikern, das sich für die Umsetzung der Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) einsetzt. Zuvor war er als Wirtschaftswissenschaftler bei der OECD in Paris und im Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung der Regierung von Quebec tätig. Guillaume ist Autor von mehr als 50 wissenschaftlichen Publikationen, Buchkapiteln, Policy Briefs und internationalen Berichten über nachhaltige Entwicklung, Wirtschaftspolitik und gute Regierungsführung.