US-Vorherrschaft im Pazifik? Selbstüberschätzung ist der Irrweg
- US-Vorherrschaft im Pazifik? Selbstüberschätzung ist der Irrweg
- Interessen der asiatischen Staaten
- Auf einer Seite lesen
Neue pazifische Ära wird von China bestimmt. Containment-Strategie gegen die asiatische Supermacht funktioniert weder militärisch noch wirtschaftlich. Das Umdenken beginnt.
Auch beim diesjährigen Nato-Gipfel zeigte sich, dass der indopazifische Raum für das atlantische Bündnis immer wichtiger wird. 2022 wurde das Gebiet zum ersten Mal in das Strategische Konzept aufgenommen. Dieses Mal sorgte der von den USA forcierte Plan, eine Nato-Niederlassung in Tokio zu eröffnen, für Aufsehen und Meinungsverschiedenheiten.
Einige Bündnispartner, allen voran Frankreich, stellten sich quer. Hinter dem Vorstoß standen vor allem die USA und Japan, die das neu belebte Bündnis nutzen wollten, um Europa zu einem stärkeren Engagement im Indopazifik, zu bewegen.
Angeblich geht es bei diesem Vorhaben darum, Taiwan vor einem militärischen Zugriff Chinas zu bewahren. Die USA sind schon länger davon überzeugt, dass ein Konflikt mit der neuen Supermacht unausweichlich ist.
In der Auseinandersetzung zwischen China und den USA geht es vordergründig um die Inselstaat Taiwan, und somit um die Dominanz in der Halbleiter-Chip Industrie, aber eben auch um US-amerikanisches Prestige und um einen Hegemon, der mit der Erkenntnis ringt, eben keiner mehr zu sein.
Trotz zaghafter neuerlicher Annäherungen zwischen Washington und Beijing, sind die Verbündeten der USA beunruhigt, wie auch Berichterstattung aus Deutschland zeigt.
Um zu verstehen, worin der zeitweise geradezu unversöhnliche Kurs Washingtons begründet ist, hilft ein Blick darauf, was sich auf dem akademischen Feld der Internationalen Beziehungen ("International Relation Studies") tut. In den USA ist das kein abgehobener irrelevanter Nebenschauplatz, sondern wichtig für die Drehbücher der Washingtoner Politik.
Woher die Idee einer US-Primacy in Asien?
In seinem 2023 veröffentlichten Buch "Pacific Power Paradox American Statecraft and the Fate of the Asian Peace" (ausführliches Gespräch dazu auf YouTube) nimmt sich Autor Van Jackson der Frage an, woher der US-amerikanische Vormacht-Anspruch im Indopazifik eigentlich rührt und aus welchen liberalen ideologischen Glaubensbekenntnissen heraus er sich begründet.
Van Jackson zufolge basiert die US-Außenpolitik in der Region auf der Annahme, dass die Vereinigten Staaten dort von Natur aus eine positive stabilisierende Kraft darstellen. Diese Grundannahme wird in den International Relation Studies häufig mit "Asian Peace" umschrieben und wurde von Regierungen beider Parteien, sowohl der Demokraten wie der Republikaner, in Washington geteilt.
Der Glaube an friedliche Verhältnisse durch US-amerikanische Vorherrschaft besagt, dass die uneingeschränkte Macht der USA nach dem Sieg über Japan im Zweiten Weltkrieg einen langandauernden stabilen Frieden im Indopazifischen Raum zur Folge hatte.
Diese Interpretation eines Friedens trifft aber nur zu, wenn man einiges ausklammert. So etwa die strukturelle Gewalt in einigen der Länder, die zu innerer Konflikte bis hin zu Bürgerkriegen geführt hat, z.B. aktuell in Myanmar. Jedoch hat diese innerstaatliche Gewalt dem US-amerikanischen Prestige und vor allem dem Glauben der US-amerikanischen außenpolitischen Eliten in die Gerechtigkeit ihrer Mission keinen Dämpfer verpasst.
Auf Kollisionskurs mit Beijing: Fehlkalkulationen
In einem im Januar in Foreign Affairs veröffentlichten Artikel erklärt Van Jackson, wie die liberale Ideologie und der Glaube an die Notwendigkeit von "US-american Primacy" die Biden-Regierung auf einen Kollisionskurs mit Beijing gesetzt hat.
Van Jackson zufolge ist die verstärkte Konzentration der USA auf den asiatischen Raum vor allem auf die Befürchtung zurückzuführen, dass die wachsende Stärke Chinas das Vermögen der Vereinigten Staaten, die globale Ordnung nach Gutdünken gestalten zu können, beeinträchtigen wird.
Jackson hält dies für eine fatale Fehlkalkulation, denn die Überzeugung, nur die US-Primacy könne langfristig Frieden im Pazifik garantieren, sei heutzutage allein durch eine gehörige Dosis Selbstüberschätzung möglich.
Denn China hat mittlerweile rüstungstechnisch weit genug aufgeholt, um den USA zumindest nahe der eigenen Haustür die Stirn zeigen zu können.
Auch die Fantasie, China vor der eigenen Küste langfristig von einer Eroberung Taiwans abhalten zu können, entpuppt sich zunehmend als Produkt westlicher Einbildungskraft. Selbst in den eigens abgehaltenen Kriegssimulationen gelangte das Defense Department in Washington zu der Einsicht, dass ein solches Szenario für alle beteiligten Parteien katastrophal ausgehen würde.
So viel also zur militärischen Primacy der USA im Indo-Pazifik. Aber auch auf dem Terrain der ökonomischen Kriegsführung erweckt die Haltung der USA gegenüber China den Eindruck einer Selbstüberschätzung.
Der Handelskrieg, einst von Trump unter dem Deckmantel isolationistischer Politik begonnen, ist ein großangelegter Wirtschafts-Feldzug der Containment Strategie, der nun unter der Führung der Biden Regierung ausgeweitet und verschärft wird - mit einem besonderen Fokus auf die umkämpfte Halbleiter-Chip-Herstellung und Taiwans Führungsposition in diesem Bereich der Tech-Industrie.
Die Containment Strategy der USA, wurde schon während des Kalten-Krieges gegen die Sowjetunion eingesetzt, und das mit einigem Erfolg. Inzwischen haben die Vereinigten Staaten die globale Wirtschaft in einen Nullsummenkampf gegen Peking verwandelt.