US-Wahlkampf: Wie toxisch wird der Schlagabtausch?

Donald Trump und Kamala Harris im Profil, dazu im Vordergrund "US-Wahl 2024"

Bild: Muhammad Alimaki / Shutterstock.com

Von weird bis zum erfundenen Sex auf der Couch: Demokraten drehen auf. Nicht nur Trump und Vance, auch Harris und Walz gehen unter die Gürtellinie.

Am Montagabend hielt Präsident Biden seine erste und letzte Rede als amtierender Präsident auf einem Parteitag der Demokraten. Darin warnte er vor der Gefahr, die Trump für die US-Demokratie darstellt. Biden versicherte den Anwesenden, dass er volles Vertrauen in Kamala Harris habe, sein politisches Erbe anzutreten.

Während Biden versucht, die politische Bühne mit einiger Würde zu verlassen, werden andernorts Hemmungen abgelegt. Die Angriffe im US-Wahlkampf werden immer persönlicher. Auch die Demokraten scheinen in diesem Wahlkampf von Skrupeln zu lassen.

Zunächst hilflos und beleidigt: Trump und sein Wahlkampfteam

Im Grunde war es schon offiziell, doch nun wurde es auf der DNC mit dem nötigen Dekor öffentlich bestätigt. Kamala Harris ist die legitime Kandidatin der Demokratischen Partei für die US-Präsidentschaftswahlen im November. Das stört die Republikaner, allen voran Donald Trump.

Bisher sah es so aus, als hätten die Konservativen das Rennen um das Weiße Haus bereits gewonnen. Trump und sein Wahlkampfteam wirkten nach dem Rückzug Bidens und dem vorzeitigen Wahlantritt von Harris kurzzeitig ratlos.

Als die Umfragetrends kippten – sie sehen derzeit Harris knapp vorn –, gab man sich auf konservativer Seite beleidigt. Hatte Trump nicht gerade einen amtierenden Präsidenten in einem TV-Duell zum Rücktritt gezwungen und ein Attentat überlebt? Trumps Umfragewerte spiegeln diese Erfolge nicht wider.

Trump und seine Anhänger brauchten etwas Zeit, um sich auf seine neue Gegnerin und ihren frisch gekürten Vizepräsidentschaftskandidaten Tim Walz einzustellen. Inzwischen scheint Trump jedoch kaum eine Gelegenheit auszulassen, Kamala Harris und ihren Running Mate anzugreifen.

Kandidat Walz etikettiert Gegner als "weirdos"

Aber auch die Demokraten scheinen Michelle Obamas einstige Empfehlung "When they go low, we go high" in den Wind geschlagen zu haben – mit einigem Erfolg.

Vor allem Tim Walz' Kommentare scheinen Trump und seinem Vize J.D. Vance unter die Haut zu gehen. Seine Behauptung Ende Juli, die Republikaner seien schlicht "weird" (verschroben, seltsam, verrückt), stieß in den US-Medien auf große Resonanz. Trumps Antwort ließ nicht lange auf sich warten.

Bei einem Wahlkampfauftritt in Pennsylvania argumentierte Trump, die Wahl von Tim Walz zu Harris’ Running Mate zeige, dass sie eine linksextreme Ideologie vertrete. Die Reaktionen des Ex-Präsidenten zeigen aber auch eine gewisse Unsicherheit.

Trump: "Ich denke, wir sind extrem normale Menschen"

Bei seinem Auftritt in einem Maschinenbauunternehmen in der Stadt York wies der 78-Jährige den Vorwurf der Demokraten zurück, "seltsam" zu sein. "Ich denke, wir sind extrem normale Menschen", sagte Trump über sich und seinen Vizekandidaten J.D. Vance.

Im gleichen Atemzug versuchte Trump dann den Spieß umzudrehen und bezeichnete Gouverneur Walz als "whack job" (Bedeutung: "seltsam", "mit mentalen Problemen"). Vielleicht geht Trump die Kommentare gerade deshalb so nahe, weil er ahnt, dass an den Angriffen der Demokraten etwas dran ist?

Denn zumindest ein Teil von Trumps politischer Agenda sind Zugeständnisse an die Rechten, die ihn einst an die Macht gebracht haben.

Der Posterboy der neuen Rechten und die Fake-News vom Sex auf der Couch

Das Problem: Einige dieser extremen politischen Positionen sind bei einem Großteil der politisch gemäßigten Wählerschaft unbeliebt. Umso mehr dürfte Trump inzwischen die Wahl von JD Vance als Vizepräsidentschaftskandidat bereuen.

Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht eine neue peinliche Geschichte über den Posterboy der neuen Rechten in den News-Zirkus geschickt wird. Manchmal sind es auch Fake-News, die zum Gerücht werden. So etwa eine erfundene Stelle im Buch von JD Vance.

Im letzten Monat wurde auf X eine erfundene Passage über einen Sexakt mit einer Couch gepostet, die angeblich in Senator JD Vance’ Buch "Hillbilly Elegy" vorkommt. Sogar eine Seitenzahl wurde angegeben. Allerdings: Die Stelle gibt es im Buch gar nicht.

Das Gerücht wird zum Joke

Aus dem Online-Scherz wurde in den sozialen Medien ein Gerücht und in den Medien eine oft wiederholte Geschichte. Und wieder war es Tim Walz, der sich die Gelegenheit für einen Seitenhieb nicht entgehen ließ. Am Tag seiner Nominierung zum Vizepräsidentschaftskandidaten der Demokraten sagte Walz auf einer Wahlkampfveranstaltung:

Ich muss Ihnen sagen, dass ich es kaum erwarten kann, mit diesem Mann (Vance, Einf. des A.) zu debattieren. Das heißt, wenn er bereit ist, von der Couch aufzustehen und sich zu zeigen.

Das Problem für das Wahlkampfteam von Trump ist, dass Vance als Vertreter der Neuen Rechten eng mit einer Strömung verbunden ist, die stark von einer Online-Debattenkultur belebt wird, die Aufregung höher schätzt als langweilige Wahrheiten. Doch was in dieser Szene als "edgy" gilt, erscheint dem US-amerikanischen Mainstream als bizarre Frauenfeindlichkeit. Auf der nationalen Bühne machen Vances Ansichten zu Frauenrechten, Sexualität und Religion sie zu einer leichten Zielscheibe.

So hat das Harris-Wahlkampfteam offenbar auch kein Problem damit, Vances Ansichten über die Rolle der Frau mit Anspielungen auf das erfundene "Couch-Gerücht" zu unterstreichen. Dabei entwickelt den Joke weiter. Am 27. Juli postete das Harris-Kampagnenkonto auf X den Screenshot eines Tweets von Vance aus dem Jahr 2021, in dem er sich über "Katzenfrauen" lustig macht.

Das Kampagnenkonto kommentierte den Tweet mit einem Wortspiel: ""JD Vance does not couch his hatred for women." Ohne Wortspiel auf Deutsch: "JD Vance versteckt seinen Hass auf Frauen nicht."

Trump teilt gegen Harris aus: "Spielzeug"

Trump seinerseits ignoriert derzeit alle Einwände seiner republikanischen Kolleginnen, Kamala Harris direkt anzugreifen. Es überrascht nicht, dass der Ex-Präsident auch nicht davor zurückschreckt, das Aussehen seiner Konkurrentin zu kommentieren. Am Montag erklärte Trump Elon Musk während eines Livestreams:

"Sie sieht aus wie die schönste Schauspielerin, die je gelebt hat. Tatsächlich sah sie einer großen First Lady, Melania, sehr ähnlich. Sie sah nicht aus wie Kamala. Aber natürlich ist sie eine wunderschöne Frau, also belassen wir es dabei, oder?"

Offenbar bezog sich Trump mit seiner Äußerung auf ein Bild der Vizepräsidentin auf der Titelseite des Time Magazine, das er als “Free-Ride”, also kostenlose Werbung, bezeichnete.

In anderen Äußerungen deutete Trump kürzlich an, dass Harris’ Aussehen sie an der Ausübung des Präsidentenamtes hindern würde. Sie würde von anderen Staats- und Regierungschefs als "Spielzeug" angesehen werden, ohne jedoch zu erklären, warum.

Trump: Unsicher, skrupellos

Weiterhin behauptete Trump in einem Live-Interview auf einer Konferenz für schwarze Journalisten, Harris habe sich vor dem Wahlkampf ausschließlich als indische Amerikanerin identifiziert, bevor sie aus wahltaktischen Gründen "schwarz" geworden sei.

Trumps Kommentare lassen seine eigene Unsicherheit erkennen, nun gegen eine Frau anzutreten, die zudem die jüngste Kandidatin ist und bereits einige Erfolge bei den Minderheiten verbuchen konnte, die Biden bereits verloren hatte.

Demokraten im schmutzigen Wahlkampf

Kamala Harris selbst hat sich bisher nur indirekt zu Trumps verbalen Sticheleien geäußert. Bei einer Rede in Pennsylvania sagte die amtierende Vizepräsidentin, die Stärke einer Führungspersönlichkeit bestehe nicht darin, andere niederzumachen. Wahre Stärke bestehe darin, andere aufzubauen. "Wer andere niedermacht, ist ein Feigling“, sagte Harris, ohne Trump namentlich zu erwähnen.

Solche etwas distanzierteren Äußerungen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Demokraten den Republikanern inzwischen in den sprichwörtlichen Wahlkampfschmutz gefolgt sind. Im Moment scheint die Harris-Walz-Kampagne mit dieser neuen Taktik Erfolg zu haben.

Biden und seine Verbündeten haben Trump immer wieder zum Feind der amerikanischen Demokratie hochstilisiert. Harris und Walz hingegen haben erkannt, dass dieses Narrativ Trump politisch und kulturell zu viel Gewicht verleiht.

Deshalb ist man im Lager der Demokraten dazu übergegangen, die Republikaner als das darzustellen, was sie in den Augen vieler US-Amerikaner sind: “weirdos”.

Auch wenn das bedeutet, sich zu persönlich beleidigenden Kommentaren hinreißen zu lassen und Gerüchte zu verbreiten: Bisher ist diese Strategie erfolgreich.

Ob die direkten Konfrontationen in den geplanten TV-Duellen auch so hässlich werden und in welchem Rahmen sie stattfinden, bleibt abzuwarten. Unterhaltsam soll es werden.

Eine langweiligere, aber inhaltsreichere Debatte hätte der politischen Kultur der USA allerdings gutgetan.