USA: Außenpolitische Wende der Demokraten?

Kamala Harris und Tim Walz bei einer Wahlkampfveranstaltung im August  an der Temple University in Philadelphia

Bild: lev radin /shutterstock.com

Kamala Harris hat ihren Vize gekürt: Gouverneur Tim Walz aus Minnesota. Seine außenpolitischen Positionen deuten vorsichtigen Kurswechsel an.

Die US-Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris hat laut jüngsten Umfragen der New York Times in drei wichtigen Battleground-Staaten die Führung übernommen.

Harris erhielt ihre Nominierung zur Präsidentschaftskandidatin der Demokraten ohne viel Widerstand, wird von Liberalen und Linken als eine jüngere und vermeintlich progressivere Alternative zu Biden gesehen.

Taktisch klug: Harris als Projektionsfläche

Bislang hat sie sich jedoch mit konkreten politischen Positionen zurückgehalten und kein detailliertes Wahlprogramm vorgelegt. Das ist taktisch klug. Denn so kann sie als Projektionsfläche für die Wünsche sowohl gemäßigter als auch der politisch linken Wählerschaft dienen.

Auch Trump versucht, direkten Fragen auszuweichen und hat sich inzwischen öffentlich von dem politischen Programm distanziert, das konservative Think-Tanks eigens für ihn entworfen haben. Im Gegensatz zu seinem Vizepräsidenten J.D. Vance hat der Ex-TV-Star ein untrügliches Gespür für die unpopulären Aspekte der konservativen Agenda.

Maga ist jetzt "weird"

Die Demokraten sind inzwischen dazu übergegangen, Trump und sein Umfeld weniger als Gefahr für die Demokratie zu proklamieren, sondern die dem konservativen Weltbild innewohnende "weirdness" zu betonen.

Das erweist sich als wirksame Waffe in einem Land, in dem sich inzwischen sicher mancher nach einem Stück Normalität sehnt. Die Idee, den Maga-Republikanern ihre offensichtliche Weltfremdheit vorzuwerfen, stammt von Tim Walz, dem Gouverneur von Minnesota, und Kamala Harris, der frisch gekürten Kandidatin.

Seismograf Tim Walz: Außenpolitische Positionen

Die Wahl von Tim Walz zum Vizepräsidentschaftskandidaten wurde von den US-Demokraten parteiübergreifend begrüßt. Er wird in der Öffentlichkeit als eine Art politischer Seismograf für einen erfolgreichen politischen Kurs der Demokarten gesehen.

Walz' außenpolitische Positionen, die er in der Vergangenheit vertreten hat, könnten einen Hinweis darauf geben, wie Harris die politische Zukunft der USA gestalten möchte.

Mögliche Veränderungen im Verhältnis zu Israel

Seine Positionen scheinen zunächst auch unverdächtig, insofern sie Parteilinie widerspiegeln. So hatte sich Walz im israelisch-palästinensischen Konflikt immer wieder als unerschütterlicher Unterstützer Israels gezeigt.

Zuletzt hatte er sich jedoch besorgt über die schwierige Lage der palästinensischen Zivilbevölkerung geäußert. Damit unterscheidet sich Walz in seiner Haltung kaum von Harris, der kürzlich erklärte, er werde zum Leid der Menschen in Gaza nicht schweigen. Einige Pressestimmen sehen in Harris’ Äußerung einen partiellen außenpolitischen Kurswechsel.

Experten vermuten sogar, Harris habe sich bewusst für Walz und gegen ihren bisherigen Favoriten Josh Shapiro entschieden. Angeblich, weil sie sich von Walz Unterstützung bei der Aufgabe erhofft, einen neuen, klaren Ansatz zur Lösung des Konflikts zwischen Israel und der Hamas zu finden.

Vielleicht geht es der amtierenden Vizepräsidentin aber auch nur darum, einen Teil der verlorenen Stimmen der Jungen wieder ins Boot zu holen.

Ukraine: US-Hilfe wird abhängiger von militärischen Erfolgen?

In Bezug auf den Krieg in der Ukraine dürfte Harris kaum vom bisherigen Kurs der demokratischen Regierung abweichen. Man kann also weiterhin auf Unterstützung in Kiew hoffen. Allerdings könnte diese Unterstützung in Zukunft stärker vom militärischen Erfolg und möglichen diplomatischen Bemühungen der USA abhängen.

Eine Haltung, die manchen in der liberalen Presse zu flexibel und zu offen gegenüber Russland erscheint. Vielleicht beruhigt es diese Kritiker, dass Walz, wie viele in der Demokratischen Partei, ein glühender Anhänger der vom Krieg gebeutelten Nation ist.

Kritik am Handelskrieg mit China

Ebenfalls sehr persönlich, wenn auch etwas weniger Mainstream, ist die Haltung des Gouverneurs von Minnesota gegenüber China. Walz, der einige Zeit in China gelebt und unterrichtet hat, ist der chinesischen Kultur im Allgemeinen sehr zugetan, weniger jedoch der KPCh.

Während seiner Zeit als Kongressabgeordneter war er Mitglied der Congressional-Executive Commission on China und unterstützte mehrere Gesetzesvorlagen zur Bekämpfung von Rechtsverletzungen durch die chinesische Regierung.

Als Gouverneur hat sich Walz immer wieder für Handelsbeziehungen mit China eingesetzt. Er forderte die Trump-Administration mehrfach auf, den Handelskrieg mit der großen Volkswirtschaft zu beenden.

Militärisch vertritt Walz eine härtere Gangart gegenüber dem größten Konkurrenten der USA. In der Vergangenheit führte Walz sogar Pekings Bau künstlicher Inseln als Grund an, die Militärausgaben der USA nicht zu kürzen.

Harris' zuletzt bekannt gewordene Haltung gegenüber China deckt sich weitgehend mit Bidens Politik der letzten vier Jahre: eine diffuse Mischung aus Wettbewerb und Kooperation. In einer Vorwahldebatte 2019 sagte Harris, China stehle Produkte und geistiges Eigentum aus den USA und müsse dafür zur Rechenschaft gezogen werden.

Harris fügte diesen Bemerkungen jedoch den frommen Wunsch hinzu, dass die USA in wichtigen Fragen wie dem Klimawandel mit China zusammenarbeiten sollten.

Wie Walz kritisierte sie Trumps Handelskrieg mit China und betonte, sie sei keine "protektionistische Demokratin". Doch als die Biden-Administration sich anschickte, den geerbten Handelskrieg zu verlängern und teilweise sogar zu eskalieren, stellte sich Harris nicht gegen die Politik der demokratischen Regierung. Wie auch?

Harris' Handicap

Hier zeigt sich Harris' Handicap, Teil einer ungeliebten Regierung gewesen zu sein, deren Positionen sie entweder mitträgt oder nicht allzu offen kritisieren kann. Deshalb lässt sich Harris sicher gerne noch eine Weile von den Medien, den Demokraten und den Liberalen als bloßes Gegenbild definieren.

Als Opposition zu Trump, aber auch zu Joe Biden. Und vielleicht ist die Wahl von Tim Walz wirklich ein Weg für Harris, vorsichtig anzudeuten, wo und wie weit sich sein außenpolitischer Kurs von dem Bidens unterscheiden wird.

Und dann sind da noch die politischen Eliten im US State Department, die selbst starke Abweichungen vom bisherigen politischen Kurs oft erbittert bekämpfen. Kamala Harris hat es bisher allerdings versäumt, eine eigene außenpolitische Position zu formulieren und ist daher vor Kritik aus den eigenen Reihen gefeit.