USA: Dysfunktionale Republikaner gegen "Deep State"

Kevin McCarthy nach der Wahl zum Speaker of the House. Bild: U.S. federal government

Nach der Blamage der GOP bei den Wahlen im US-Repräsentantenhaus: Rechte Fraktion der Republikaner will mehr Aufsicht über Justiz, FBI und CIA.

Vergangene Woche durfte die US-amerikanische Öffentlichkeit eine politische Blamage der Republikanischen Partei im Kongress miterleben, die sich wahlweise als die offensichtlichste Dysfunktion seit 100 Jahren oder als Aufstand mit anderen Mitteln bezeichnen lässt.

Kevin McCarthy quälend langer Aufstieg zum "Speaker oft the House" zog sich über mehrere Tage und 15 Abstimmungsrunden, in denen der rechte Flügel der Republikanischen Partei im Kongress versuchte, McCarthys Aufstieg zum Vorsitzenden des Repräsentantenhauses zu verhindern. Am Samstag in den frühen Morgenstunden konnte sich der Kongressabgeordnete aus Kalifornien gegen seine innerparteilichen Gegner um Jim Jordan endlich durchsetzen.

Nun ist der 57-jährige Kalifornier endgültig in seiner Eigenschaft als mächtigster Republikaner im Repräsentantenhaus bestätigt, jedoch erst nach einer Reihe an Zugeständnissen an die Aufständischen aus den eigenen Reihen.

Angeblich musste sich McCarthy an Donald Trump persönlich wenden, um seine Gegner auf dem Kapitol zu überzeugen und das, obwohl Trump dem Abgeordneten niemals seine Unterstützung entzogen hatte. Im Gegenteil, McCarthy warb ganz öffentlich um Trumps Unterstützung, – die ihm dieser ebenso medienwirksam gewährte.

Kampf um persönliche Macht

US-Mainstreammedien wie CNN legen McCarthys Kampf um den Vorsitz im Repräsentantenhaus als das jüngste Anzeichen Trumps schwindender Macht über die Republikanische Partei aus, und vielleicht haben sie damit sogar recht. Andere Stimmen in den US-Medien, wie etwa das Magazin Intercept, interpretieren die Geschehnisse der letzten Tage schlicht als einen Kampf um persönliche politische Macht.

Einer könnte in jedem Fall von dem Debakel der letzten Woche definitiv profitiert haben: Donald J. Trump. Auf den ersten Blick scheint in Bezug auf den Ex-Präsidenten und seine rechtlichen Schwierigkeiten keine Meinungsverschiedenheiten zwischen McCarthy und seinen Herausforderern im "Freedom Caucus" zu geben.

Sowohl Kevin McCarthy als auch sein kurzzeitiger Herausforderer Jim Jordan wurden beide vor den Kongress-Ausschuss zur Untersuchung zu den Geschehnissen um den Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 zitiert, – beide standen loyal zu Trump.

Der parteiinterne Kampf um die Kontrolle über das Repräsentantenhaus ist also, trotz der für die Republikaner enttäuschenden Zwischenwahlergebnisse, kein Kampf zwischen Pro-Trump- und Anti-Trump-Lagern oder eine Diskussion um die Weigerung einiger Republikaner, das Ergebnis der Präsidentschaftswahl 2020 anzuerkennen.

Dennoch, Trump steht unter dem Druck der Justizbehörden und es könnte Uneinigkeit im Lager der Republikaner geben, wie tief die Loyalität zum Ex-Präsidenten gehen sollte.

Zugeständnisse an das rechte Lager der Republikaner

So betraf eines der Zugeständnisse, die McCarthy dem rechten "Freedom Caucus" für seine Wahl zum "Speaker of the House" machen musste, die Einrichtung eines Sonderunterausschusses, der die "Weaponization of the Federal Government" untersuchen soll. In diesen Aufgabenbereich würden auch die Überprüfung der Ermittlungen gegen den ehemaligen Präsidenten Donald Trump gehören.

Das Gremium soll unter der Leitung des Abgeordneten Jim Jordan stehen, der schon für Trump im Zusammenhang mit dessen Amtsenthebungsverfahren im Geheimdienstausschuss saß.

Weiterhin soll das geplante Komitee über mindestens die gleichen finanziellen und personellen Mittel wie der Sonderausschuss zum 6. Januar 2021 verfügen. Doch die Befugnisse des geplanten Ausschusses gehen noch weiter.

Das neue Gremium wird ermächtigt, alle Angelegenheiten im Zusammenhang mit bürgerlichen Freiheiten oder der Verwendung von Informationen über US-Amerikaner durch Bundesbehörden zu untersuchen.

Schlagwort "Church Committee": Justiz, FBI, CIA im Visier

Die Republikaner preisen den geplanten Ausschuss als neues "Church Committee". Der Vergleich mit dem berühmten Komitee, das im Nachspiel des Watergate-Skandals Licht auf die Machenschaften der US-Geheimdienste warf, soll signalisieren, dass der Ausschuss möglichen Missbrauch von Bundesbehörden zu politischen Zwecken unparteiisch untersuchen wird. Es überrascht nicht, dass die Demokraten dieser Darstellung diametral widersprechen.

Hierbei ignorieren die Liberalen beflissen, dass Untersuchungen, die den Justizapparat, FBI oder CIA betreffen, immer nur dann zustande kommen, wenn die politischen Umstände innerhalb und außerhalb der politischen Strukturen es zulassen.

Aus Sicht der Republikaner, die in den Ermittlungen gegen Trump eine Verschwörung des "Deep State" wittern, macht der Vergleich mit dem "Church Committee" sicherlich Sinn. Welche Rolle die Geheimdienste bei Nixons Absetzung gespielt haben, bleibt bis heute zumindest teilweise Spekulation.

Doch der Ausschuss und die daraus resultierenden Reformen wie der "Foreign Intelligence Surveillance Act" (Fisa) und die Einsetzung des "Senate Select Committee on Intelligence" markieren den letzten großen Versuch von gewählten Vertretern in den USA, ihre Kontrolle über die Geheimdienste auszuweiten.

Geschichtlicher Kontext

Das "Church Committee" des US-Senats deckte in den 1970er-Jahren eine Reihe illegaler Geheimdienstprogramme auf, darunter auch die Beteiligung der CIA an der Ermordung ausländischer Staatsoberhäupter und dem Sturz von Regierungen in Ländern wie Iran, Guatemala und Chile.

Auch die Experimente der CIA an menschlichen Versuchspersonen, einschließlich der Verabreichung von LSD an unwissende Personen, wurden erst durch die Anhörungen vor dem Senat bekannt.

Weiterhin wurde das FBI zum Ziel von Ermittlungen durch den Senat. Auf diesem Weg wurde bekannt, dass das FBI im Rahmen des Cointelpro-Programmes (Counter Intelligence Program) politische Organisationen und Gruppen der Bürgerrechtsbewegung und der Antikriegsbewegung zielgerichtet infiltrierte, überwacht und destabilisiert hatte.

Zeitgleich wurden durch die Ermittlungen des Pike-Komitees auch illegale Überwachungsmaßnahmen gegen die US-Bevölkerung offengelegt. Unter dem Namen Shamrock-Projekt hatte die NSA jahrzehntelang Telegramme US-amerikanischer Staatsbürger abgefangen und gesammelt.

Damals beschloss der Kongress, die durch das "Pike Committee" gewonnen Erkenntnisse zu veröffentlichen, der Report des Komitees wurde allerdings vorher an die New York Times geleakt und unter dem Namen "The Family Jewels" veröffentlicht.

Bei einer solchen Fülle an rechtlichen Verstößen durch US-Geheimdienste sollten doch gerade Liberale und Demokraten an einer möglichst weitreichenden Kontrolle dieser Institutionen interessiert sein.