USA: Grabenkämpfe der Republikaner

Leon Gerleit

Wenn Angstmacherei und Kulturkampf-Propaganda bei der großen Wählerschaft nicht überzeugen – substanzielle Zerreißproben bei der Partei, die Joe Biden ablösen will und viel verspielt.

Eigentlich sollten die Republikaner im Jahr 2024 realistische Chancen haben, die Demokraten an der Regierung abzulösen.

Wie immer ist jedoch die altehrwürdige Republikanische Partei (GOP) sich selbst der größte Feind. In der Parteiführung tut sich eine immer größere Kluft zwischen der alten "moderaten" Machtelite und dem konservativeren Teil ihres Kollegiums im Repräsentantenhaus und Senat auf.

Erst letzten November forderte Rick Scott, der Senator aus Florida, den Minderheitsführer Mitch McConnell heraus, verlor jedoch den Wettkampf um die Führung der GOP im Senat und muss jetzt mit den politischen Folgen leben – wie dem Verlust seines Sitzes im "Committee for Commerce".

Die Spaltung

Hier geht es um mehr als nur einen persönlichen Konflikt. Scotts Kampf gegen McConnell um das Amt des Parteivorsitzenden hat die Republikanische Partei gespalten. In der eigentlichen Abstimmung am 14. Februar hat McConnell Senator Scott zwar leicht besiegt – das Endergebnis lautete siebenunddreißig zu zehn –, aber die Tatsache, dass McConnell nun weiß, dass zehn republikanische Senatoren bereit waren, ihn zu stürzen, erschwert seine Rolle an der Spitze der Partei.

Zwischen den beiden republikanischen Powerplayern steht mehr als Scotts Ambitionen auf McConnells Position.

Mitch McConnell zeigt sich nervös, wie sich Scotts kompromisslose politische Attitüde auf die Chancen der Republikaner in der Präsidentschaftswahl 2024 auswirken könnte.

Kompromisslose politische Ziele

Schon während der Zwischenwahlen letzten November hatte Rick Scott neben dem offiziellen Parteiprogramm gleich noch sein eigenes veröffentlicht, indem er an seiner Position festhält, die letzten Reste von Präsident Obamas "Patient Protection and Affordable Care Act" abzuschaffen, ein Vorhaben, von dem die Republikaner aus Erfahrung wissen, dass es ihnen zu viele Stimmen in der kommenden Wahl kosten würde.

Die Republikaner erfuhren, als sie 2017 schon einmal den Versuch unternommen hatten, "Obamacare" abzuschaffen, einen derartigen Backlash von ihrer Wählerschaft, dass einige von ihnen ihre Sitze im Senat derart gefährdet sahen, dass sie sich am Ende gegen die von der Trump Regierung vorgeschlagene "Reform" des Gesundheitssystems wandten.

Betrachtet unter diesem Gesichtspunkt kann man McConnells Frustration mit Rick Scott fast verstehen. Denn Scott beharrt auf dieser unpopulären Position, ohne dass die GOP überhaupt an der Macht und damit in der Lage wäre, soziale Dienste weiter zu beschneiden.

Damit riskiert der Senator aus Florida die negative Reaktion von Wählerinnen und Wählern der Republikaner auf seine sozialchauvinistische Politik, ohne in der Lage zu sein, seine eigentlichen politischen Ziele verwirklichen zu können.

Joe Biden und sein Stab erkannten sofort die Schwachstelle in der Führung der Republikaner. Der Präsident nutzte den Anlass der State of the Union Address, um die gesamte Partei mit Rick Scotts Plan in Verbindung zu bringen.

Minimierter Staat

Was einen Teil der Wählerschaft eventuell vergraulen könnte, kommt bei anderen besser an. So erklärte das "Club for Growth", ein konservatives "Super PAC", dass er den Senatoren in seinem nächsten Wahlkampf 2024 wieder unterstützen wird.

David McIntosh, Präsident des "Clubs", erklärte gegenüber Politico, dass sich Rick Scott in Gegensatz zu andern Republikanern, die massiven Steuer- und Staatsausgabepaketen zugestimmt hätten, immer konsequent für eine minimierte Rolle des Staates eingesetzt hätte.

Gerade weil sich Scott für fiskale Verantwortung einsetze, sei er unbegründeten und falschen Angriffen liberaler Demokraten wie Präsident Biden und sogar etablierter Republikaner wie "Senat Leader" Mitch McConnell ausgesetzt.

Nicht alle Gräben in der GOP verlaufen also entlang der Fronten zwischen Donald Trump und seinem immer erfolgreicher wirkenden Herausforderer Ron DeSantis. Rick Scott, selbst ehemaliger Gouverneur Floridas, verhält sich im Vorwahlkampf bisher neutral, doch seine Position entspricht nicht der seiner Partei oder zumindest nicht der Mitch McConnells.

Konfliktlinien bei der Unterstützung der Ukraine

Anderswo sind die Fronten in der Republikanischen Partei auch klarer. Anlässlich des einjährigen Jahrestages der russischen Invasion in die Ukraine, erklärte Mitch McConnell die späte Unterstützung des Republikanischen Senats für eine andauernde, militärische Unterstützung der Ukraine durch die USA.

Damit bezieht der Senator aus Kentucky Stellung gegen Ex-Präsident Trump, der in der andauernden Unterstützung der Ukraine die Gefahr einer zunehmenden militärischen Eskalation sieht, und auch gegen Kongressabgeordnete wie die Republikanerin Marjorie Taylor Greene, die am Montag twitterte:

"Wir zahlen keine Steuern, um die Kriege fremder Länder zu finanzieren, die nicht einmal Nato-Verbündete sind."

Um dieses auf dem republikanischen Lieblingsthema, "fiskale Verantwortung", basierende Argument zu entkräften, sagte Mitch McConnell, er habe seinen Parteikollegen erklärt, dass, wenn die Vereinigten Staaten und unsere Nato-Verbündeten die Selbstverteidigung des ukrainischen Volkes unterstützen, dies nicht als Akt der Nächstenliebe zu verstehen ist, sondern als eine direkte Investition in die eigenen nationalen Kerninteressen.

Die Position von Trump-Herausforderer Ron DeSantis ist weniger klar, doch warf auch er Präsident Biden vor, unnötige Konflikte mit anderen Staaten verursacht zu haben.

Im Großen betrachtet liegt den internen Konflikten in der Republikanischen Partei immer das gleiche Problem zugrunde, nämlich dass jenseits von Angstmacherei und Kulturkampfpropaganda eigentlich kaum Positionen vertreten sind, die einem Großteil ihrer Wählerschaft zusagen, geschweige denn nutzen würden.

Sozialleistungen

Klar möchte auch Mitch McConnell jegliche sozialen Leistungen auf ein unerträgliches Minimum reduzieren. Doch er ist GOP-Politiker der alten Schule, der gelegentlich das Wohl seiner Partei oder deren politisches Fortbestehen über seine eigenen Interessen stellt, anders als ein Selbstdarsteller wie Rick Scott, der im Grunde nur seinen eigenen politischen Vorteil wittert.

Denn McConnell weiß, dass man auch anders die Interessen der eigenen (Steuer-) Klasse vertreten kann. Wenn es sich als strategisch ungünstig erweist, der eigenen Wählerschaft ihren letzten Rest an sozialer Sicherheit zu nehmen, so setzt man einfach still und heimlich immense Steuersenkungen durch, die vorwiegend der eigenen Klientel zugutekommen - diese Taktik hat sich schon einmal bezahlt gemacht.

Pew-Umfrage: Mehr Republikaner sehen "zu viel Unterstützung für Ukraine"

Hinsichtlich des Ukrainekrieges entspricht McConnells Position wahrscheinlich weniger der Meinung seiner Wählerschaft. Eine vom "Pew Research Center" durchgeführte Umfrage beschreibt einen stetig wachsenden Anteil der Republikaner, die überzeugt sind, dass die USA der Ukraine zu viel Unterstützung gewähren.

Während im März letzten Jahres nur neun Prozent diese Meinung vertraten, waren es im vergangenen Herbst schon zweiunddreißig Prozent und zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Studie am 24.01.23 waren es bereits vierzig Prozent. Republikaner, also, die sich genau wie Marjorie Taylor Greene fragen, was aus isolationistischen Rhetorik der Trump-Jahre geworden ist.

McConnell, ganz der Realpolitiker, appelliert an den zynischen Patriotismus seiner Kollegin und verspricht, es handle sich schlicht um die Durchsetzung US-amerikanischer Interessen in Übersee, ob das auch bei der Wählerschaft Zuspruch findet, wird sich erst dann zeigen, wenn der Krieg zum Wahlkampfthema wird.

Wirklich absurd ist, dass Politiker der gleichen Partei von der US-Bevölkerung die patriotische und bedingungslose Unterstützung eines anderen Volkes erwarten und im gleichen Atemzug fordern, dieser noch den letzten Rest an sozialem Netz rauben, das in den USA noch existiert.