USA und China: Konflikt spitzt sich zu

Thomas Pany

US-Waffenlieferungen nach Taiwan; Inkursionen chinesischer Kampfjets in taiwanesischer Luftüberwachungszone und Vorbereitungen von G7-Sanktionen gegen China. Wie sehr kommt es auf Europa an?

Die US-Regierung hat einer Waffenlieferung nach Taiwan zugestimmt. Die Nachricht von der Bewilligung eines Geschäfts im Umfang von 619 Millionen Dollar (Hauptvertragshändler Raytheon Technologies und Lockheed Martin) kommt zu einem Zeitpunkt, da die Situation angespannt ist.

So meldet Verteidigungsministerium in Taipeh Beobachtungen einer größeren Anzahl chinesischer Kampfjets und vier chinesischen Schiffen "around Taiwan". Seit zwei Tagen beobachtet man Chengdu-J-10- und Shenyang-J-16 Kampfjets in einer Zone, die das Verteidigungsministerium nervös macht: der "air defence identification zone (ADIZ)", deutsch meist mit Luftüberwachungszone übersetzt. Diese reicht bis zum Festland China.

Zwar zeigen die aktuellen Grafiken des Verteidigungsministeriums einen gewissen Abstand der Inkursionen zur Insel Taiwan, aber das, wenngleich auch "temperierte", Vorzeigen der militärischen Möglichkeiten Chinas ist offenkundig.

Laut der Nachrichtenagentur Reuters, die sich auf Informationen von US-Offiziellen und "anderen Quellen" beruft, konsultiert Regierung in Washington aktuell Verbündete wegen möglicher China-Sanktionen: Man wolle die "Unterstützung einer Reihe von Ländern, besonders der G7, gewinnen, um die "Unterstützung für mögliche restriktive Maßnahmen zu koordinieren".

Im neuen US-Kongress fand am Dienstag die erste Anhörung des Außenpolitik-Ausschusses statt. Das hat symbolischen Wert: die erste Sitzung hatte "Chinas Aggression als generationenübergreifende Herausforderung durch die kommunistische Partei" zum Thema.

All das wird Chinas Regierung verärgern.

"Kein neuer Kalter Krieg"

Da können der Präsident der USA, Joe Biden, wie auch die chinesische Regierung – aktuell in ihrem Friedensplan – noch so sehr bekräftigten, dass sie keinen neuen Kalten Krieg wollen, augenblicklich gibt es, wie geschildert, Anzeichen dafür, dass sich die Situation zwischen den beiden Großmächten aufheizt und Verbündete mithineingezogen werden.

Die chinesische Führung hat sich mehrmals gegen Waffenlieferungen an Taiwan ausgesprochen, die USA fühlen sich verantwortlich für die Sicherheit der Republik China – das die Volksrepublik China als Teil ihres Territoriums begreift – und pochen auf Zusagen, die man schon vor vielen Jahren gegeben hat: "Die USA haben sich seit 1979 der Verteidigungsfähigkeit der demokratischen Inselrepublik verpflichtet."

Sanktionen

Laut Reuters ist noch unbekannt, welche konkrete Sanktionen gegen China die USA ihren Verbündeten vorlegen werden. Die Begründung dafür ist ebenfalls zumindest öffentlich noch nicht abgesichert. Es geht um den Vorwurf, dass China Waffen an Russland für den Ukraine-Krieg liefert. Bislang, so die Nachrichtenagentur, hätten die "Berater von US-Präsident Joe Biden öffentlich keine Beweise vorgelegt".

Ein Beamter eines von Washington konsultierten Landes sagte, er habe nur wenige Informationen gesehen, die die Behauptungen über eine mögliche militärische Unterstützung Russlands durch China untermauern. Ein US-Beamter sagte jedoch, dass sie den Verbündeten detaillierte Informationen zur Verfügung stellen würden.

Reuters

"Ein existenzieller Kampf"

Bei der Sitzung des Ausschusses für Außenpolitik (foreignaffairs.house.gov) kamen gemäßigte Stimmen – "Wir wollen keinen Krieg mit der VR China. Keinen Kalten Krieg, keinen heißen Krieg. Wir wollen keinen Kampf der Kulturen, sondern wir wollen einen dauerhaften Frieden, und deshalb müssen wir Aggressionen abschrecken" (Raja Krishnamoorthi) – wie auch Warner zu Wort: "Dies ist ein existenzieller Kampf darum, wie das Leben im 21. Jahrhundert aussehen wird" (Mike Gallagher). Der ehemalige Nationale Sicherheitsberater McMaster warnte vor der wirtschaftlichen Macht Chinas.

Laut einem Bericht von Responsible Statecraft lag die Bedeutung der Sitzung mehr in der Themenwahl als in den Beiträgen ("not particularly noteworthy").#

Aber allein dass China als außenpolitisches Thema eine derartige Prominenz erlangt und dazu das "generationsübergreifend" im Titel der Sitzung dürfte manche aufhorchen lassen. Weil damit eine Priorisierung der US-Politik auf den Konflikt mit China angedeutet wird und dessen Dauer.

Die Sorge aus europäischer Sicht, die damit verbunden wird, fasst der Publizist Muamer Bećirović in einem Twitter-Satz zusammen: "Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die USA ihre Ressourcen in Europa nach Asien verlagern."

In einem Beitrag für die Berliner Zeitung präzisiert er:

Immer mehr Politiker und Mitglieder der außenpolitischen Eliten in Washington hinterfragen ihr überaus großes Engagement im Ukraine-Krieg. Weil man von Tag zu Tag immer mehr versteht, dass selbst die USA derzeit nicht die militärischen Mittel haben, einen Zweifrontenkrieg zu führen. (…) Je lauter es um China im Pazifik wird, desto nervöser wird die amerikanische Führung im Hinblick auf ihre Rolle in Europa.

Der alte Kontinent ist längst nicht mehr die wichtigste Bühne auf der Welt. Asien ist längst der bevölkerungsreichste und auch in wenigen Jahren der ökonomisch stärkste Kontinent. Laut IWF wird Asien in diesem Jahrzehnt noch mehr als 50 Prozent der globalen Wirtschaft ausmachen, während sich die restlichen 50 Prozent auf die anderen Kontinente verteilen.

Berliner Zeitung

Der Titel des Artikels lautet provokant: "Für Taiwan lassen die USA Europa und auch die Ukraine fallen". Bećirović geht von der Annahme aus, dass eine neue Generation in politische Positionen in den USA gibt, die neue Prioritäten setzt.

Joe Biden gehört zur letzten Generation, die den Kalten Krieg noch aktiv miterlebt hat und eine gewisse Verbundenheit zu Europa fühlt. Die jüngere Generation, die diese Erfahrungen nicht hat, sieht Europa deutlich realistischer und ordnet ihre Prioritäten neu. Das heißt Asien vor Europa zu stellen, was alle EU-Regierungssitze alarmieren sollte.

China war noch 2021 der wichtigste Handelspartner der EU. Wie wird sich das Ziel der Souveränität der EU in den nächsten Wochen zeigen?