USA und Russland verhandeln – EU schaut zu
Ukraine-Sieg im Nebel. Bild: mr_tigga/ Shutterstock.com
US-Präsident Trump und Kremlchef Putin wollen über Frieden in der Ukraine verhandeln. Europa reagiert skeptisch auf den Vorstoß. Was steckt hinter dem Deal?
Ist das die überraschende Wende im Ukraine-Krieg? US-Präsident Donald Trump und sein russischer Amtskollege Wladimir Putin sollen sich in einem Telefonat darauf verständigt haben, unverzüglich Verhandlungen über ein Ende des Konflikts aufzunehmen. Das gab Trump am Mittwoch bekannt. Die Reaktionen aus Europa fielen jedoch verhalten aus.
Trumps Vorstoß kam für viele unerwartet. Nach dem fast eineinhalbstündigen Gespräch mit Putin schrieb er auf dem Kurznachrichtendienst Truth Social, man sei übereingekommen, die jeweiligen Teams sofort mit den Verhandlungen beginnen zu lassen. Es sei an der Zeit, diesen "lächerlichen Krieg" mit seinem "massiven und vollkommen unnötigen Tod und Zerstörung" zu beenden. Der Kreml bestätigte, Putin unterstütze Trumps Idee. Es sei nun an der Zeit, zusammenzuarbeiten.
Gleichzeitig dämpfte Trumps Verteidigungsminister Pete Hegseth die Erwartungen der Ukraine. Ein Nato-Beitritt Kiews sei unrealistisch und auch eine Rückkehr zu den Grenzen von vor 2014 unwahrscheinlich. Dies wäre ein bitterer Rückschlag für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, der beides anstrebt.
Auch wenn bekannt war, dass die neue US-Regierung der Ukraine gegenüber weniger wohlgesonnen ist als die vorherige, dürften Trumps und Hegseths klare Worte in Kiew wie ein Schlag ins Gesicht wirken.
Selenskyj betonte seinerseits, es könne "keine Gespräche über die Ukraine ohne die Ukraine geben". In seinem eigenen Telefonat mit Trump, das eine Stunde dauerte, sei man aber übereingekommen, den Kontakt aufrechtzuerhalten und künftige Treffen zu planen.
Man habe ein "gutes und detailliertes Gespräch" über eine Vielzahl von Themen geführt.
Gemeinsam mit den USA wolle man die nächsten Schritte unternehmen, um die russische Aggression zu stoppen und einen "dauerhaften, verlässlichen Frieden" zu schaffen. Niemand wolle den Frieden mehr als die Ukraine.
Europäer pochen auf Mitsprache
Unmut über das Vorpreschen von Trump und Putin kam vor allem aus Europa. Bei einem Treffen der Außenminister Frankreichs, Großbritanniens, Deutschlands, Polens, Italiens, Spaniens und der Ukraine sowie der EU-Kommission in Paris pochte man darauf, bei künftigen Verhandlungen über das Schicksal der Ukraine mit am Tisch zu sitzen.
"Unsere gemeinsamen Ziele sollten sein, die Ukraine in eine Position der Stärke zu bringen", hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. Man wolle mit den amerikanischen Verbündeten über das weitere Vorgehen diskutieren. Die Ukraine müsse mit starken Sicherheitsgarantien ausgestattet werden. Frieden könne es nur geben, wenn der Krieg mit einem "gerechten Frieden" ende.
Die Europäer zeigten sich überrascht von der Direktheit, mit der Trump und Hegseth die künftige Sicherheitsarchitektur Europas über die Köpfe der Europäer hinweg verhandelten. Hegseth hatte klargemacht, dass die USA keine Truppen für eine multinationale Abschreckungstruppe in der Ukraine stellen würden. Dies müssten "fähige europäische und nicht europäische Truppen" übernehmen.
Angesichts der begrenzten militärischen Kapazitäten Europas dürfte dies eine große Herausforderung werden. Ein ranghoher europäischer Diplomat sprach von einer verfrühten Kapitulation und fragte, worüber dann noch verhandelt werden solle. Zudem würde die Bereitschaft der Ukraine zu Zugeständnissen Russland nur ermutigen, in den anstehenden Verhandlungen mehr zu fordern.
Blutige Kämpfe in Kursk
Während über Friedensverhandlungen gesprochen wird, gehen die Kämpfe an der Front mit unverminderter Härte weiter. Vor allem in der russischen Kursk-Region, wo ukrainische Truppen seit einem halben Jahr Gebiete halten, wird erbittert gekämpft. Russische Soldaten berichten, dass die Gefechte um die besetzte Stadt Sudscha und das umliegende Gebiet zu den brutalsten des gesamten Krieges gehören.
Russland versucht mit zehntausenden Soldaten, darunter Wehrpflichtige und nordkoreanische Verbündete, die Ukrainer aus dem Gebiet zu vertreiben – bislang mit mäßigem Erfolg.
Für Putin ist der Einmarsch der Ukrainer, die erste Invasion russischen Territoriums seit dem Zweiten Weltkrieg, eine andauernde Blamage. Kiew hofft dagegen, mit der Kontrolle von Kursk ein wichtiges Faustpfand für die erwarteten Friedensverhandlungen zu haben.
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Die ukrainischen Verteidiger haben sich tief eingegraben und leisten erbitterten Widerstand. Russische Kommandeure rechnen mit einem "Bachmut 2.0", also mit ähnlich verlustreichen Häuserkämpfen wie in der ukrainischen Stadt, die Russland erst nach 9 Monaten und zehntausenden Gefallenen einnehmen konnte. Ein Kommandeur sagte, das bevorstehende Blutvergießen und die zu erwartenden Verluste seien "unvorstellbar".
Leidtragende sind auch die 2.000 bis 3.000 russischen Zivilisten, die von dem schnellen ukrainischen Vormarsch überrascht wurden und nun zwischen den Fronten ausharren müssen. Sie sehen sich Bombardierungen und schwindenden Vorräten ausgesetzt.
Helfer fürchten eine humanitäre Katastrophe, wenn Russland die Großoffensive auf Sudscha startet. Bereits jetzt gleichen viele Dörfer einer Trümmerwüste. Einwohner berichten von anfänglich hilfsbereiten ukrainischen Soldaten, die mit zunehmenden Kämpfen aber misstrauisch bis feindselig wurden.
Zähes Ringen um Frieden
So scheint der Ukraine-Krieg in seine nächste Phase einzutreten: Während an der Front weiter die Waffen sprechen, laufen hinter den Kulissen die diplomatischen Drähte heiß. Klar ist, dass ein Frieden nicht über Nacht zu erreichen sein wird. Zu weit liegen die Positionen auseinander, zu groß ist das Misstrauen.
Die Ukraine pocht auf die Wiederherstellung ihrer territorialen Integrität und Sicherheitsgarantien. Russland will die annektierten Gebiete auf keinen Fall wieder hergeben. Die USA wollen den Krieg beenden, scheuen aber eine direkte Konfrontation mit Russland. Und die Europäer fürchten, zwischen den Großmächten zerrieben zu werden und am Ende die Zeche zahlen zu müssen.
Es wird ein zähes Ringen um Kompromisse, bei dem jede Seite versuchen wird, ihre Interessen durchzusetzen. Am Ende könnte eine Lösung stehen, die zwar Frieden bringt, aber alle Seiten etwas unzufrieden zurücklässt. Das wäre zwar keine Idealvorstellung, aber immer noch besser als ein endloser Krieg, der nur noch mehr Leid und Zerstörung bringt.
Die Menschen in der Ukraine haben ein Ende der Gewalt mehr als verdient. Ebenso die in den Konflikt hineingezogenen Zivilisten in Russland. Auch die internationale Gemeinschaft kann aufatmen, wenn die Gefahr einer weiteren Eskalation bis hin zum Einsatz von Atomwaffen gebannt ist. So mühsam der Weg zum Frieden auch sein mag: Ihn jetzt einzuschlagen, ist alternativlos.
Selenskyj erwägt Gebietsaustausch mit Putin
Zugleich hat Selenskyj gegenüber westlichen Medien angedeutet, dass er zu einem direkten Gebietsaustausch mit Russland bereit wäre, falls der US-Präsident Donald Trump erfolgreich Friedensgespräche zwischen der Ukraine und Russland vermitteln könnte. Dies berichtet die Nachrichtenseite European Pravda.
"Wir werden ein Gebiet gegen ein anderes tauschen", wird Selenskyj zitiert. Welche der russisch besetzten Gebiete die Ukraine im Gegenzug fordern würde, ließ er offen: "Ich weiß es nicht, wir werden sehen. Aber alle unsere Gebiete sind wichtig, es gibt keine Prioritäten."
Hintergrund ist, dass die Ukraine seit über einem halben Jahr Teile der russischen Oblast Kursk kontrolliert. In den vergangenen Wochen hatte Trump wiederholt erklärt, er führe Gespräche zur Beendigung des Krieges in der Ukraine, die "ziemlich gut" verlaufen würden. Laut unbestätigten Quellen hat der US-Präsident bereits mit Wladimir Putin telefoniert und seine Bereitschaft signalisiert, sich auch mit Selenskyj zu treffen.