USA wollen eingefrorene russische Gelder zu Lasten der EU für Ukraine nutzen
EU-Finanzminister diskutieren über US-Vorschlag. Er könnte die EU-Staaten zu doppelten Verlierern machen. Wird die EU diesem riskanten Plan zustimmen?
Die Europäische Union ist sich einig, dass die eingefrorenen russischen Guthaben für den Wiederaufbau der Ukraine verwendet werden sollen. In diesem Punkt sind sich die Europäer auch mit den USA einig, aber die Details der Umsetzung sind noch unklar.
Am Mittwoch beraten die EU-Finanzminister erneut über das Thema. Auf dem Tisch liegt ein Vorschlag aus dem Weißen Haus, der die EU-Staaten zu doppelten Verlierern machen könnte.
Die Financial Times (FT) berichtet über durchgesickerte Dokumente, die einen zuvor bekannt gewordenen Plan konkretisieren. Demnach wollen die USA der Ukraine einen Kredit von bis zu 50 Milliarden US-Dollar gewähren. Es soll aus den Zinsen der eingefrorenen Gelder der russischen Zentralbank zurückgezahlt werden.
US-Vorschlag: Kredit für Ukraine aus Zinsen der eingefrorenen Gelder
Was harmlos klingt, könnte sich für die Europäer negativ auswirken. Denn beim Zentralverwahrer Euroclear liegt mit mehr als 200 Milliarden Euro der Großteil der eingefrorenen Gelder. In den USA liegen dagegen nur etwas mehr als drei Milliarden US-Dollar. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass EU-Länder von russischen Gegenmaßnahmen besonders betroffen sein könnten.
Während die USA das geringere politische Risiko tragen, wollen sie das wirtschaftliche Risiko auf die Europäer abwälzen. Washington würde die Zinsen für den gewährten Kredit kassieren, während die Europäer das damit verbundene Zahlungsrisiko trügen.
Zinsverluste für EU möglich: EZB könnte Leitzins senken
Es wird geschätzt, dass die bei Euroclear eingefrorenen Guthaben jährlich rund drei Milliarden Euro an Zinsen einbringen – beim aktuellen Zinssatz. Senkt die Europäische Zentralbank (EZB) jedoch – wie kürzlich ins Spiel gebracht – den Leitzins und damit das allgemeine Zinsniveau, könnten den Europäern Erträge entgehen. Die Differenz zu den Kreditzinsen müssten die EU-Staaten dann vermutlich aus Steuermitteln begleichen.
Die Regierung in Washington drängt darauf, dass die Europäer diese zusätzlichen Lasten akzeptiert. Einige EU-Regierungen wollen ein solches Risiko aber bisher nicht eingehen. "Die Amerikaner werden wahrscheinlich akzeptieren müssen, dass die EU keine hundertprozentige Garantie für Verluste geben kann", sagte eine mit den Verhandlungen vertraute Person der FT.
Lesen Sie auch
Chip-Krieg eskaliert: China kontert US-Sanktionen mit Exportverbot
Showdown: Biden eskaliert den Chip-Krieg, China droht mit Vergeltung
EU-Juristen warnen: Mediensanktionen gegen Russland rechtlich bedenklich
US-Regierung plant weitere Chip-Sanktionen gegen China
Neue US-Sanktionen gegen Gazprombank alarmieren Ungarn und Slowakei
Dauerhafte Blockade russischer Gelder als Bedingung für US-Kredit
Das Darlehen für die Ukraine ist an eine weitere Bedingung, die das Verhältnis der EU zu Russland dauerhaft belasten und eine Wiederannäherung unmöglich machen dürfte. Die Europäer sollen demnach garantieren, dass "die in der EU gehaltenen Vermögenswerte der russischen Zentralbank so lange blockiert bleiben, bis Russland sich bereit erklärt hat, für die in der Ukraine entstandenen Schäden aufzukommen".
Mit anderen Worten: Die Europäer sollen die russischen Gelder in alle Ewigkeiten blockieren. Denn im Moment verläuft der Krieg nicht zum Vorteil der Ukraine, was die Forderung nach Reparationen wie eine Utopie erscheinen lassen.
EU müsste interne Beziehungen ändern, um US-Forderungen nachzukommen
Um den Forderungen der USA nachzukommen, müsste die Europäische Union auch ihre internen politischen Beziehungen ändern. Bisher müssen die EU-Staaten alle sechs Monate einstimmig die Sanktionen gegen russisches Staatsvermögen erneuern.
Macht auch nur ein EU-Land von seinem Vetorecht Gebrauch, würden die russischen Gelder wieder freigegeben – und die USA müssten das Risiko für den Kredit selbst tragen. Weil die Regierung in Washington das nicht will, besteht sie auf einer Garantie der Europäer, dass die Gelder auf unbestimmte Zeit eingefroren bleiben.
In einigen europäischen Hauptstädten, so die FT, gebe es Bedenken, weil man fürchte, am Ende für die Verluste geradestehen zu müssen. Ob sie sich letztlich durchsetzen, wird auch eine Frage der Souveränität europäischer Politik gegenüber den USA sein.