USAID und deutsche Medien: Wenn Desinformation viral geht

Bild: VGV Media / Shutterstock.com
Infografik auf X suggeriert, dass deutsche Medien Millionen von der US-Behörde erhalten. Die Zahlen scheinen nicht völlig unglaubwürdig. Dann kommen erste Zweifel auf.
Mögen die Warnungen vor Desinformation auch noch so übertrieben sein und die Sorge vor Zensurmaßnahmen noch so begründet: Fake News sind keine Fiktion. Das sollte gerade in unserem Zeitalter der Informationsflut eine Binse sein.
Aber wenn die kursierenden Informationen die eigenen (Vor-)Urteile bestätigen, sehen wir oft nicht mehr so genau hin. In der Wissenschaft heißt diese verbreitete Form der Mis- oder Desinformationsanfälligkeit aus gutem Grund "confirmation bias".
Und nun zum Gegenstand dieser einleitenden Reflexion.
Die Infografik
Auf der Plattform X kursiert dieser Tage der Screenshot einer Infografik, die hier aus Gründen, die weiter unten ersichtlich werden, nicht verlinkt wird. Es handelt sich um ein Diagramm, das Millionen-Dollar-Zuwendungen der US-Behörde USAID in Balken darstellt und das augenscheinlich auf einer amtlichen Statistik beruht.
Die Grafik trägt die Überschrift "USAID supported Independent Media", auf Deutsch: "USAID unterstützt unabhängige Medien". Das Balkendiagramm darunter schlüsselt zehn Milliarden US-Dollar auf, welche die US Agency for International Development (USAID) demnach auf mehrere Länder verteilt hat.
Adressaten der Zuwendungen waren laut Grafik die unabhängigen Medien der jeweiligen Länder. Der Zeitraum der Verteilung war das Fiskaljahr 2022 bis 2023.
Angeführt wird die vorgebliche Statistik mit 54 Prozent von der Ukraine, direkt an zweiter Stelle steht Deutschland mit 16 Prozent. Dahinter die USA (12), Frankreich (10), Polen (6) sowie das Baltikum um Lettland, Litauen und Estland mit zusammen 2 Prozent.
Diese Grafik, die als Info-Grafik präsentiert wird, wurde in sozialen Medien nach Kenntnis des Verfassers (und Bemühen der Rückwarts-Bildersuche) nur in Form eines Screenshots ohne Quellenangabe geteilt.
Allerdings und das verleiht der Grafik das Siegel der Glaubwürdigkeit: Sie trägt am unteren rechten Bildrand – groß und deutlich und mit dem typischen Schriftbild – den Schriftzug der Online-Plattform Statista.
Wie bei Statistiken oft der Fall ist unten links eine Quelle angegeben: die Domain des Transparenzportals foreignassistance.gov, eingeführt 2010 unter der damaligen Obama-Regierung.
Wasser auf die Mühlen von Trump, Musk und der USAID-Debatte
Die Statistik erscheint zunächst auch nicht unglaubwürdig, vergegenwärtigt man sich die seit Jahrzehnten vorgebrachte Kritik, die US-Behörde würde im Auftrag des Außenministeriums politische Umwälzungen im Ausland fördern.
Dazu muss man auch nicht dem Co-Leiter des sogenannten Department of Government Efficiency (DOGE), Elon Musk, blinden Glauben schenken, der bei der kürzlich erfolgten Finanzprüfung bzw. -suspendierung von USAID eine tragende Rolle gespielt hat.
Lange vor Elon Musk schon hat das Enthüllungsportal Wikileaks USAID in den Zusammenhang mit einer Regime-Change-Politik der USA gestellt, die unter anderem auch vom – ebenfalls ins Kreuzfeuer von DOGE geratenen – National Endowment for Democracy (NED) vorangetrieben werden soll.
In "The Wikileaks Files: The World According to US Empire" (2015) stützt das Enthüllungsportal um Julian Assange seine Anschuldigung auf eine Reihe von Depeschen (cables), die die Verwicklungen der US-Behörden in entsprechende Vorfälle bezeugen.
Allerdings scheint sich die auf X kursierende Info-Grafik nicht wirklich mit den Erkenntnissen von Wikileaks zu decken.
So hatte die Enthüllungsplattform kürzlich in einem X-Post zwar mit Verweis auf einen Beitrag von Reporter ohne Grenzen (RSF) darauf hingewiesen, dass neun von zehn Medien in der Ukraine von einer Förderung durch USAID abhängig seien.
Allerdings korrigierte RSF die Aussage des Berichts dahingehend, dass sie sich auf US-Hilfe allgemein bezog.
Stellt sich die Frage, wie glaubwürdig die USAID-Hilfsgelder-Statistik, die mit der geschilderten "Info-Grafik" kursiert, ist?
Zumal es einen weiteren wichtigen Umstand gibt, der daran Zweifel weckt.
Statistik bei Statista nicht auffindbar, Quellen fragwürdig
Und zwar der, dass die Statistik nicht über die Statista-Suchfunktion auffindbar ist. Der einzige vergleichbare Beitrag bezieht sich auf die allgemeinen Zuwendungen der US-Behörde im Fiskaljahr 2023.
Dabei rangiert die Ukraine zwar weit vorne an erster Stelle; aufgeschlüsselt nach Sektoren werden die Zuwendungen aber nicht.
Und Deutschland kommt unter den ersten zehn unterstützten Zielländern des rund 44 Milliarden US-Dollar schweren Budgets gar nicht vor. Wie könnte das mit dem Schaubild auf X übereinstimmen?
Damit aber nicht genug.
Im Verzeichnis der angegebenen Quelle foreignassistance.gov finden sich über die Ländersuche "Germany" auch keine Zuwendungen, die auf die Summe schließen lassen, die im "Info-Plakat" auf X angegeben wird. Diese betrüge bei zehn Milliarden und 16 Prozent Anteil 1,6 Milliarden.
Die angegebenen Hilfen beziehen sich außerdem mehrheitlich auf humanitäre oder ökonomische Hilfsleistungen, die vom Verfasser dieser Zeilen nicht in den Zusammenhang mit einer Förderung von Medienbetrieben gebracht werden können. Die Leser sind dazu eingeladen, sich selbst ein Bild davon zu machen.
Statista stellt klar
Das Statistikportal hat dann am Nachmittag des 14. Februar selbst Licht ins Dunkel gebracht. Über seinen X-Kanal teilte Statista.de mit:
Wir stellen klar: Die kursierende Infografik zu USAID-Zahlungen an "unabhängige Medien" stammt NICHT von Statista. Wir distanzieren uns davon und bitten, diese umgehend zu löschen und nicht weiter zu verbreiten. Offizielle Veröffentlichungen gibt es hier.
Statista.de
Damit dürfte die Frage nach den Fake News endgültig geklärt sein.
Anfragen von Telepolis
Trotzdem hat Telepolis die Bundesregierung um eine Stellungnahme zu möglichen Zuwendungen der US-Behörde USAID an deutsche Medien gebeten.
Die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien (BKM) hat für Anfang kommender Woche eine Antwort angekündigt.