USAID: Humanitärer Helfer oder eine geheime Waffe der USA?

USAID: Kein Geld mehr unter diesem Anschluss. Bild: VGVMedia/ Shutterstock.com
Die US-Entwicklungsbehörde USAID steht vor dem Aus. Trump und Musk möchten sie abwickeln. Doch was steckt wirklich hinter der Organisation?
In Washington tobt ein erbitterter Streit um die Zukunft der US-Entwicklungsbehörde USAID. Präsident Donald Trump und sein Berater, der Tech-Milliardär Elon Musk, haben der Behörde, die seit sechs Jahrzehnten humanitär hilft und politisch Einfluss nimmt, den Kampf angesagt. Ihr erklärtes Ziel: USAID de facto schließen.
Doch Kritiker schlagen Alarm: Eine Abwicklung der Behörde hätte verheerende Folgen – nicht nur für Millionen Hilfsbedürftige in den weltweit ärmsten Ländern. Realisten merken allerdings auch an, dass die USAID immer auch ein Instrument der US-amerikanischen Außenpolitik war. Derweil befürchten andere westliche Staaten und Verbündete der USA, die gut 50 Milliarden US-Dollar pro Jahr kompensieren zu müssen.
Radikaler Kahlschlag und eingefrorene Hilfsgelder
Kaum hatte Trump sein Amt angetreten, da fror er per Dekret alle Gelder für Hilfsprogramme im Ausland für 90 Tage ein. Von einem Tag auf den anderen standen Tausende Projekte von der Hungerbekämpfung in Afrika bis zur Seuchenprävention in Asien still. Verträge mit Hilfsorganisationen wurden gekündigt, Zehntausende Mitarbeiter wurden beurlaubt oder entlassen.
Es war der Auftakt zu einem radikalen Kahlschlag. Musk, den der Präsident mit der "Verschlankung" des Regierungsapparats beauftragt hatte, legte noch eine Schippe drauf: In einer Wutrede bezeichnete er USAID als "kriminelle Organisation" und forderte unverblümt: "Es ist Zeit, dass sie stirbt."
Schwer ersetzbare Hilfe in Krisengebieten
Doch was steckt hinter der Behörde, die ins Fadenkreuz von Trump und Musk geraten ist? USAID, 1961 von Präsident John F. Kennedy ins Leben gerufen, war über Generationen hinweg das humanitäre Gesicht der Vereinigten Staaten – und ein wichtiges außenpolitisches Instrument zwischen dem Weißen Haus, dem Pentagon und der CIA.
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Das Spektrum reicht von der Versorgung von Flüchtlingen in Afrika über die Katastrophenhilfe nach Wirbelstürmen in der Karibik hin zum Kampf gegen Aids und Ebola. "Wir haben ein globales Immunsystem aufgebaut, um Pandemien vorzubeugen und schneller darauf zu reagieren", sagt der frühere USAID-Direktor Atul Gawande.
Einfluss und "Soft Power" stehen infrage
Doch es geht um weit mehr als Hilfslieferungen und Impfkampagnen. Eine Schließung der Behörde wäre nach Ansicht von Experten ein schwerer Schlag für das internationale Ansehen der USA.
USAID sei ein Instrument der "Soft Power", mit dem sich Washington Einfluss und Verbündete in Entwicklungsländern sichere – eine Bastion gegen den wachsenden Einfluss von Rivalen wie China und Russland.
"Eine Welt ohne USAID wäre gefährlicher für die Amerikaner", warnt die Senatorin Amy Klobuchar. Sie wäre "ein Geschenk an China und Russland", die nur darauf warten, in das entstehende Vakuum vorzustoßen.
Hort des Liberalismus und Missmanagement?
Doch warum wollen Trump und seine Mitstreiter die Behörde um jeden Preis abwickeln? Hardlinern wie Außenminister Marco Rubio ist USAID schon lange ein Dorn im Auge.
Für sie ist die Behörde ein Hort des Liberalismus, der "progressive Ideen propagiert, die amerikanischen Interessen zuwiderlaufen".
Konservative Kreise geißeln die Unterstützung von LGBTQ-Rechten und Klimaschutzprojekten in Entwicklungsländern. Auch der Vorwurf des Missmanagements steht im Raum. USAID-Mitarbeiter hätten sich der Umsetzung von Trumps Einfrieren der Hilfsgelder widersetzt, heißt es. Die Behörde habe "hochgradig politisiert" agiert, schimpft Musk.
Korruptionsvorwürfe und zweckentfremdete Hilfsgelder
Doch die Kritik an USAID reicht noch tiefer. Wie der Trump-nahe Sender Fox News berichtet, wurde der Behörde bereits lange vor der jetzigen Regierung wiederholt Finanzierungsmissmanagement und Korruption vorgeworfen.
So warnte Senator Tom Cotton, dass US-Hilfsgelder in Höhe von über einer Milliarde Dollar für den Gazastreifen wahrscheinlich zweckentfremdet und an die Hamas umgeleitet wurden. Auch der Fall eines syrischen Staatsbürgers sorgte für Aufsehen, der angeklagt wurde, über neun Millionen US-Dollar an US-Hilfsgeldern für Syrien an militante Gruppen wie die Al-Nusra-Front weitergeleitet zu haben.
Umstrittene Kontakte und Verflechtungen
Auch die Kontakte der früheren USAID-Chefin Samantha Power zu politischen Gruppen wie George Soros’ Open Society Foundations werden von Konservativen argwöhnisch beäugt.
Zudem flossen laut einem Bericht des Government Accountability Office zwischen 2014 und 2021 über USAID und andere US-Behörden offenbar Steuergelder an chinesische Gruppen, darunter das umstrittene Wuhan Institute of Virology. Bereits 2014 hatten Prüfer berichtet, dass negative Erkenntnisse aus internen Berichten der Behörde entfernt worden seien.
Streit um humanitäre Werte und "America First"
Im Kern des Streits um USAID prallen grundsätzliche Auffassungen über Amerikas Rolle in der Welt aufeinander. Sollen die USA aus Eigeninteresse, aber auch aus moralischer Verantwortung heraus die ärmsten Länder unterstützen?
Oder sollen Hilfsgelder gestrichen werden, um sie - ganz im Sinne von Trumps "America First"-Doktrin – für Investitionen im Inland zu verwenden? "USAID funktioniert nicht", meint Außenminister Rubio, der sich selbst zum kommissarischen Direktor der Behörde ernannt hat.
"Es muss auf die US-Politik und die nationalen Interessen der USA ausgerichtet sein. Das sind Steuergelder, keine globale Wohltätigkeitsorganisation."
Verfassungsrechtliche Fragen und Rechtsstreit
Doch lässt sich USAID überhaupt so einfach abwickeln, wie es sich Trump und Musk vorstellen? Verfassungsrechtliche Fragen zur Kompetenz des Präsidenten, die Behörde eigenmächtig zu schließen, drohen zu einem Rechtsstreit zu führen.
Auch im Kongress regt sich parteiübergreifend Widerstand. Demokraten wie Republikaner warnen davor, das Kind mit dem Bade auszuschütten und fordern stattdessen Reformen, um Missmanagement und Korruption in den Griff zu bekommen.
Rolle der USA in einer Welt voller Krisen
Letztlich geht es in der Debatte um USAID um weit mehr als das Schicksal einer Behörde. Washington steht vor einer Richtungsentscheidung, die den Kurs der Supermacht für Jahrzehnte prägen könnte. Welche Rolle wollen die USA in einer Welt voller Krisen und Konflikte spielen?
Wollen sie ein selbstloser Helfer in der Not sein, ein Vorkämpfer für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte? Oder wollen sie sich als egoistische Supermacht zurückziehen, die sich hinter Mauern verschanzt und ihre Interessen rücksichtslos durchsetzt? Der Kampf um USAID ist auch ein Kampf um die Neuordnung der USA im Inneren wie im Äußeren.
Zwischen Entwicklungshilfe und politischer Einflussnahme
Die Vorwürfe der Verschwendung von Steuergeldern sind eine Frage der politischen Interpretation und Haltung. Die Vorwürfe der politischen Einmischung in anderen Ländern sind aber unstrittig. Es lohnt sich der Blick ins Detail.
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Laut Karoline Leavitt, Pressesprecherin des Weißen Hauses, kritisierte diese Woche "verrückte Prioritäten" und Steuerverschwendung. So geriet die USAID kürzlich unter Beschuss für angeblich verschwenderische Projekte wie 1,5 Millionen Dollar für Diversity-Programme in Serbien oder 70.000 Dollar für ein Musical zum gleichen Thema in Irland. Auch 47.000 Dollar für eine Transgender-Oper in Kolumbien und 32.000 Dollar für einen Comic dazu in Peru sorgten für Empörung.
Zudem wird der Behörde seit Langem vorgeworfen, verdeckt zu agieren und sich in die Politik anderer Länder einzumischen. Einige Beispiele:
Kuba (2009-2012): ZunZuneo-Projekt
- USAID entwickelte verdeckt "ZunZuneo", eine Twitter-ähnliche Plattform für kubanische Jugendliche
- Langfristiges Ziel war es, politische Botschaften zu verbreiten, um Dissens gegen die Regierung zu schüren
- Das Projekt wurde 2012 eingestellt, als das Geld ausging. Die Enthüllung 2014 löste internationale Kritik aus.
Bolivien (2008-2013): Unterstützung von Oppositionsgruppen
- USAID wurde beschuldigt, Gruppen zu finanzieren, die die Regierung von Präsident Evo Morales untergraben wollten
- Morales warf USAID vor, gegen Boliviens Souveränität zu konspirieren und verwies sie 2013 des Landes
Russland (1990er): Wirtschaftsreformen und Harvard Institute for International Development (HIID)
- USAID finanzierte ein HIID-Projekt, das Russlands Übergang zur Marktwirtschaft unterstützen sollte
- HIID-Offizielle wurden beschuldigt, persönlich von russischen Investitionen zu profitieren
- Harvard zahlte über 26 Millionen Dollar an die US-Regierung, um den Fall beizulegen
- Kritiker argumentierten, USAID habe in einer Zeit des Umbruchs ungebührlichen Einfluss auf Russlands Wirtschaftspolitik genommen
Brasilien (2005): Einfluss auf politische Reformen
- USAID wurde kritisiert, sich in brasilianische Innenpolitik einzumischen
- Die Behörde finanzierte Seminare im Kongress, um Reformen zur Stärkung der Parteitreue voranzutreiben
- Kritiker sahen darin einen unzulässigen Eingriff in legislative Prozesse unter dem Deckmantel der Demokratieförderung
Peru (1990er): Zwangssterilisierungskampagne
- USAID unterstützte indirekt Perus umstrittenes Sterilisierungsprogramm unter Präsident Alberto Fujimori
- 300.000 Frauen, meist Indigene, wurden ohne Einwilligung zwangssterilisiert
- USAID finanzierte Perus Gesundheitssektor in dieser Zeit, was ethische und menschenrechtliche Bedenken aufwarf
Die Vorwürfe gegen USAID sind nicht neu, haben aber durch die jüngsten Ereignisse neue Brisanz erhalten. Die historischen Beispiele zeigen ein Muster von verdeckten Operationen und politischer Einflussnahme in Drittstaaten, die oft unter dem Deckmantel der Entwicklungszusammenarbeit stattfanden.
Eine kritische Überprüfung der Rolle und Rechenschaftspflicht von USAID erscheint angesichts dieser Kontroversen dringend geboten. Ob Donald Trump, Marco Rubio und Elon Musk daran Interesse haben, ist zweifelhaft. Ihnen geht es bei der Abwicklung der USAID wohl vorwiegend darum, eine den Demokraten nahestehende Organisation abzuwickeln.