Überraschende Entscheidung zur Westsahara

Marokko warnt vor Balkanisierung, USA und Frankreich haben Ölinteressen

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Der UNO Sicherheitsrat hat in der Nacht vom Dienstag auf Mittwoch überraschend das Mandat über die Westsahara um sechs Monate verlängert. Überrascht hat vor allem, dass die Entscheidung über die Resolution 1429 einstimmig getroffen wurde. Somit wurde der UNO eine schwere Niederlage in einem von ihr überwachten Friedensprozess noch einmal erspart. Jetzt wird die UN-Mission für ein Referendum über die Westsahara (Minurso) noch bis Ende Januar in dem umstrittenen Territorium verbleiben, um eine friedliche Lösung für den Konflikt zu finden.

Ob jetzt endlich das angestrebte Referendum über den Status der Westsahara stattfinden wird, ist höchst ungewiss. Die Zusicherung des Referendums war 1991 die Grundlage für Beendigung des Kampfes zwischen Marokko und der Frente Polisario. Nachdem sich die ehemalige Kolonialmacht Spanien 1975 aus der Westsahara zurück gezogen hatte, annektierte Marokko den größten Teil des Gebiets. Daraufhin rief die Befreiungsbewegung 1976 eine Demokratische Arabische Republik Sahara aus.

Trotzdem hat die Polisario die Entscheidung des Sicherheitsrates begrüßt. Deren Vertreter hoffen darauf, dass es bald zu dem Referendum kommt. Nach Lesart von Mohamed Jadad, Verantwortlicher der Polisario für den Kontakt zur Minurso, wurde mit der Entscheidung des Sicherheitsrats das "Prinzip der Selbstbestimmung konkretisiert". Dem Projekt einer begrenzten Autonomie sei hingegen eine Abfuhr erteilt worden.

In Rabat hingegen herrscht Funkstille. Auch auf den Webseiten der Regierung sucht man vergeblich nach Stellungnahmen. Doch dort ist ausführlich die Rede des marokkanischen Königs Mohamed IV dokumentiert, die er nur 48 Stunden vor der Entscheidung des Sicherheitsrats gehalten hat. Zum dritten Jahrestag seiner Krönung erklärte er zur Westsahara: "Ich weise kategorisch jede Abspaltung zurück". Gleichzeitig erklärte er, ein unabhängige Westsahara sei eine "Bedrohung und das Risiko für die Balkanisierung des Maghrebs und ganz Afrika".

Bisher ist es Marokko erfolgreich gelungen, das Referendum und die Unabhängigkeit der Westsahara zu sabotieren. So ist davon auszugehen, dass die Lesart der Polisario eher aus der Hoffnung gespeist wird, ihre Bevölkerung aus der miserablen Lage zu befreien, in der sich die Saharaouis in ihren Wüstenlagern seit Jahren befinden. Hinter den Ansprüchen Marokkos stehen nämlich starke Verbündete. Die USA und Frankreich haben schon mit Marokko Verträge über die Untersuchung und Verwertung der Ölvorkommen in dem umstrittenen Gebiet geschlossen. Sie waren es, die den Autonomieplan im Sicherheitsrat vorangetrieben haben. Dass ausgerechnet der ehemalige US-Außenminister, James Baker, nun die Vermittlung als Sonderbeauftragter der UNO vorantreiben soll, wirft weitere Fragen auf. Baker war schon an er Ausarbeitung des Autonomieplans beteiligt. Zudem werden ihm besondere Beziehungen zu der Ölfirma Kerr McGee nachgesagt, mit der Marokko Abkommen zur Ölförderung unterzeichnet hat.

Spanien, das mit relativer Sicherheit ab Januar im Sicherheitsrat sitzen wird, nimmt Abstand von der einstigen Unterstützung der Saharaouis und wird sich dort kaum gegen Washington und Paris ins Zeug legen, auf deren Unterstützung sie im Kampf gegen die baskische ETA angewiesen ist. Außerdem könnte sich Spanien so die Exklaven Ceuta und Melilla sichern, die Marokko zurückhaben will. Dafür könnte die Zustimmung zu einer Westsahara-Autonomie der Preis sein. Es ist wahrscheinlich, dass sich schon im Januar, wenn erneut entschieden werden muss, eine ganz andere Mehrheit ergibt.