Ukraine: Bau von Waffenfabriken westlicher Hersteller?

Klagen über Lieferungen nicht einsatzfähiger Rüstungsgüter aus Beständen der Unterstützer. Langfristig sind weitreichende Änderungen geplant. Aus Russland kommen erste Drohungen.

Das Pentagon hat sich verrechnet. Um ganze 6,2 Milliarden Dollar hat man sich nach Angaben einer Sprecherin des US-Verteidigungsministeriums bei der Schätzung des Wertes der Waffen, die in den vergangenen zwei Jahren an die Ukraine geliefert wurden, vertan.

Für die Ukraine bedeutet das, dass mehr Geld in den USA da ist, um mehr Waffen zu liefern, ohne dass der Regierung in Washington mit der Opposition der Republikaner darüber verhandeln muss.

Die Höhe der Fehler in der Buchhaltung verblüfft. Laut Pentagon-Sprecherin hat man sich im Jahr 2022 um 3,6 Milliarden US-Dollar verrechnet und im laufenden Fiskaljahr um 2,6 Milliarden. Das ist selbst im "Bigger than Life"-America eine große Summe.

Erklärt wird das damit, dass die Streitkräfte Wiederbeschaffungskosten als Grundlage ihrer Bilanzierung herangezogen haben und "nicht den Buchwert der aus den Pentagon-Beständen entnommenen und an die Ukraine gelieferten Ausrüstung".

Hier deutet sich ein Problem an, das in einem kürzlich erschienenen Artikel der New York Times angesprochen wird: Dass Waffen, die aus alten Beständen der Unterstützer der Ukraine tatsächlich weniger wert sind, als es das ukrainische Militär erhoffte, und als es wahrscheinlich auch der Großteil der Leser von Nachrichten über Waffenlieferungen in Milliarden-Dollar-Höhe dachte.

Viel Geld für marode Waffen

Einige der "vielbeachteten Waffen", die von Verbündeten geliefert wurden, waren so "marode", dass sie "nur noch zum Ausschlachten von Ersatzteilen geeignet waren", berichtete die US-Zeitung Anfang dieser Woche.

Zwar hätten sich moderne Waffen wie amerikanische Luftabwehrsysteme als äußerst wirksam gegen russische Drohnen und Raketen erwiesen, aber es gebe jedoch auch eine offensichtlich auffällige Anzahl von Lieferungen, bei denen die Verbündeten "gelagerte Ausrüstung zur Verfügung gestellt" hätten, die "im besten Fall einer umfassenden Überholung bedurfte".

Bis zu 30 Prozent des Kiewer Arsenals werden ständig repariert - eine hohe Quote für ein Militär, das für seine sich entwickelnde Gegenoffensive jede Waffe braucht, die es bekommen kann, so Verteidigungsexperten.

New York Times

Offenbar verdienen einige mit. Wie der kuriose Fall der Lieferung von 33 schadhaften Panzerhaubitzen aus Italien, die dort schon ausgemustert waren, nahelegt. Laut Unterlagen des ukrainischen Verteidigungsministeriums, die die Zeitung anscheinend einsehen konnte, wurden 19,8 Millionen US-Dollar an den US-Waffenhändler Ultra Defense Corporation für die Instandsetzung der 33 Haubitzen gezahlt.

Allerdings wurden die Verpflichtungen nicht erfüllt. 13 Haubitzen, die in die Ukraine kamen, waren "nicht für Kampfeinsätze geeignet". Der Auftrag ist offenbar noch immer nicht abgeschlossen. Das ukrainische Verteidigungsministerium beschwerte sich beim Generalinspekteur des Pentagon.

Ein weiteres Beispiel:

Im vergangenen Sommer erhielt eine Einheit der amerikanischen Armee den Auftrag, 29 Humvees aus einem Depot in Camp Arifjan, einem Stützpunkt in Kuwait, in die Ukraine zu transportieren. Obwohl die Leiter der Einheit zuvor erklärt hatten, dass bis auf einen alle Humvees "voll einsatzfähig" seien, ergab eine erste Inspektion nach Erhalt des Auftrags, dass 26 von ihnen für den Kampfeinsatz zu schadhaft waren, heißt es in dem Pentagon-Bericht (…).

Als die Humvees einen Aufenthaltsort in Polen erreichten, stellten die Beamten fest, dass die Reifen an 25 von ihnen verrottet waren. Es dauerte fast einen Monat, um genügend Ersatzreifen zu finden, was "die Lieferung anderer Ausrüstung in die Ukraine verzögerte und einen erheblichen Arbeits- und Zeitaufwand erforderte", so der Pentagon-Bericht.

New York Times

Es sind nur Schlaglichter, die, wie ersichtlich, nur kleineres Militärgerät betreffen, aber auch das wird als heikle Sache behandelt, wie der Bericht der New York Times erkennen lässt. Aussagen über schlechte Qualität der gelieferten Waffen sind politisch schwierig – und es entstehen dazu auch möglicherweise peinliche Fragen danach, wer genau von diesen Deals profitiert.

Dass die Lieferung von schadhafter Ausrüstung von westlichen Unterstützern aber eine gewisse Dimension hat, wird von der Zeitung in einem Nebensatz angedeutet: Die Probleme hätten "die Planung der ukrainischen Gegenoffensive erschwert".

Einigen Berichten über die Ankündigungen von Lieferungen moderner Waffen aus dem Westen konnte man entnehmen, dass ein beträchtlicher Teil erst noch von Rüstungsunternehmen produziert werden müssen.

Dem Problem der Lieferung mangelhafter Waffen und der Dauer von Herstellung und Lieferung will man langfristig durch den Bau von Produktionsstätten westlicher Waffenhersteller in der Ukraine beikommen, berichtete Reuters Anfang der Woche von der Pariser Luftfahrtschau.

Produktion von Waffen in der Ukraine

Demnach führt die ukrainische Regierung nach Angaben des stellvertretenden Ministers für strategische Industrien in der Ukraine, Sergiy Boyev, Gespräche mit Herstellern aus Deutschland, Italien, Frankreich und Osteuropa über die Produktion von Waffen in der Ukraine.

Die Rede ist von sehr ausführlichen Gesprächen. Der ukrainische Vertreter gab sich überzeugt davon, "dass wir die Verträge innerhalb der nächsten Monate unterzeichnen werden".

Wie Reuters berichtet, gebe es nach Aussagen von Präsident Selenskyj eine Zusammenarbeit mit dem britischen Verteidigungsunternehmen BAE Systems, "um einen ukrainischen Stützpunkt für die Herstellung und Reparatur von Waffen - von Panzern bis hin zu Artillerie – einzurichten". Ein Vertrag sei jedoch bislang nicht unterzeichnet worden.

Rheinmetall hat laut Nachrichtenagentur ein Joint Venture mit dem ukrainischen Staatskonzern Ukroboronprom gegründet, "um in der Ukraine Panzer zu bauen und zu reparieren".

Wird eine solche Fabrik in der Ukraine realisiert, so habe Rheinmetall mit russischen Angriffen zu rechnen, wird Dmitri Medwedew zitiert.