Ukraine-Gipfel in der Schweiz: Ein bisschen weniger Frieden
Die Erwartungen an das internationale Treffen sind hoch. Doch der Erfolg ist ungewiss. Das liegt offenbar auch an Moskau.
Die Zahl der Länder und Organisationen, die ihre Teilnahme an einem bevorstehenden Friedensgipfel in der Schweiz zugesagt haben, ist offenbar von 93 auf 78 gesunken. Dies berichteten mehrere EU-Diplomaten, die mit den Vorbereitungen des Gipfels vertraut sind, dem US-amerikanischen Auslandsradio Radio Liberty. Die Diplomaten seien nicht befugt, offizielle Medienkommentare abzugeben, so die Quelle weiter, daher würden sie anonym zitiert.
Die Diplomaten nannten keine konkreten Länder, die ihre Teilnahme zurückgezogen haben. Es sei aber nicht auszuschließen, dass weitere Teilnehmer abspringen.
"Mein Ziel ist ein Gruppenfoto mit etwa 80 Leuten", zitiert der Sender einen Beteiligten. Ein anderer Diplomat, der von 78 bestätigten Teilnehmern sprach, zeigte sich dagegen optimistisch – es sei schließlich "noch etwas Zeit".
Die Schweizer Bundespräsidentin und Verteidigungsministerin Viola Amherd hatte am 10. Juni mitgeteilt, dass sich 90 Länder und Organisationen für den Friedensgipfel am 15. und 16. Juni in der Schweiz angemeldet hätten. Insgesamt wurden rund 160 Einladungen verschickt.
Selenlskyj sprach von 106 Staaten
Zuvor hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am 2. Juni bekannt gegeben, dass 106 Länder ihre Teilnahme am Friedensgipfel in der Schweiz zugesagt hätten. Er kritisierte, dass Russland aktiv gegen die Organisation der Veranstaltung vorgehe. Zudem würden andere Länder Moskau dabei helfen, den Gipfel zu sabotieren.
Der US-Auslandssender vermutet, dass der Rückgang der Teilnehmerzahlen auf politisches Kalkül einzelner Staaten zurückzuführen sein könnte: Offenbar wollten einige Regierungen Ärger mit Russland vermeiden.
Demonstrativ luden Vertreter der Ukraine Russland nun erneut zur Teilnahme an einem bereits geplanten Folgetreffen ein. Man werde "mit allen Ländern zusammenarbeiten, die daran interessiert sind", einen "gemeinsamen Plan" auszuarbeiten, sagte der ukrainische Präsidialamtschef Andrij Jermak.
Jermak spricht immer noch von "100 und mehr" Staaten
Jermak sprach nach wie vor von "100 und mehr Ländern", die nun in der Schweiz erwartet werden". "Und wir suchen nach einer Möglichkeit, einen Vertreter Russlands einzuladen und gemeinsam diesen gemeinsamen Plan vorzustellen."
Glaubt man der Neuen Zürcher Zeitung, stehen die Chancen dafür nicht gut. Russland versuche, die bevorstehende Konferenz zu hintertreiben. Die russische Propaganda mache sich über Amherd lustig und nehme das Treffen nach allen Regeln der Kunst auseinander:
Laut der Nachrichtenagentur Tass behauptete die Sprecherin des russischen Aussenministeriums, Russland liege das Schlusskommuniqué im Entwurf vor. In neun von zehn Punkten enthalte dieses Selenskyis Forderungen.
Dies sei ein "plumper Versuch, zweifelnde Staaten von der Teilnahme abzuhalten". Ob es überhaupt zu einer Abschlusserklärung komme, sei offen, so die NZZ.
Die Schweiz sei nicht nur Gastgeberin, sondern bestimme auch die inhaltliche Agenda mit. Amherd und Selenskyj jedenfalls hätten die Erwartungen bereits relativiert.