Ukraine-Krieg: Deutschland liefert neues Rheinmetall-Flugabwehrsystem Skynex

Oerlikon KDG-Revolverkanone 35/1000, Teil des Skynex-Abwehrsystems. Bild: Boevaya mashina / CC BY-SA 3.0 Deed

Das Waffenpaket hat einen Wert von 194 Millionen Euro – ungefähr das Äquivalent eines Philharmonie-Neubaus. Am Preis zeigt sich der Krieg der Wirtschaftssysteme, meint unser Autor. Update.

Die jüngsten schweren Luftangriffe auf die Ukraine zeigen: Es fehlt dem Land erheblich an Flugabwehr-Kapazitäten. Jetzt hat Deutschland der Ukraine ein erstes Skynex Flugabwehr-System geliefert.

Bei dem von Rheinmetall gelieferten System handelt es sich um eine klassische Flugabwehrkanone, der Flak – allerdings in einer hochmodernen Version. Insgesamt zwei Geschütztürme sollen geliefert werden, eins davon befindet sich bereits in der Ukraine.

[Update: Telepolis hatte am 09. Januar die Gelegenheit, mit Rheinmetall zu sprechen. Am 12. Januar hat Rheinmetall eine Information nachgereicht bzw. konkretisiert. Der Lieferumfang beträgt das Doppelte dessen, was im Artikel beschrieben ist: Ein System – also eine taktische Skynex Einheit – besteht demnach aus vier Geschützen, einem Radar, einem Führungsmodul und dem zugehörigen LKW.

Geliefert werden zudem zwei Systeme, also insgesamt acht Geschütze. Die Geschütztürme sind auf einer Palette durch die LKW schnell verladbar und damit recht mobil. Sie können nicht auf dem LKW montiert betrieben werden. Auf diese Weise kann jeweils ein System mit seinen vier Geschützen zum Beispiel einen Flughafen schützen.]

Das Skynex-System der Düsseldorfer Rüstungsschmiede Rheinmetall ist ein modulares Flugabwehrsystem, in dem verschiedenen Effektoren, sprich Geschütze und Raketen, mit unterschiedlichen Sensoren miteinander verbunden werden können.

KDG-Geschütz: Entwickler Oerlikon-Konzern

Bei dem der Ukraine gelieferten Geschütz handelt es sich um die KDG-Revolverkanone im Kaliber 35 × 228 mm, die ursprünglich von Oerlikon in der Schweiz entwickelt wurde.

1999 übernahm Rheinmetall die Rüstungssparte des Oerlikon-Konzern – und damit auch die 35/1000 Kanone, wie sie früher hieß. Die alte Produktbezeichnung steht für das Kaliber 35 Millimeter und für eine Kadenz von 1.000 Schuss pro Minute.

Rheinmetall hat das KDG-Geschütz verwendet, um einen autonomen Geschützturm zu entwickeln, der unter dem Namen "GDM-008 Millennium" als Schiffsgeschütz und unter der Bezeichnung "Oerlikon Revolver Gun MK3" als Flugabwehrgeschütz verkauft wird.

Produktfamilie um den Turm herum

Um den MK3-Geschützturm herum hat Rheinmetall eine ganze Produktfamilie entwickelt. Er wird in unterschiedlichen Konfigurationen angeboten, entweder im Verbund mit anderen Waffen oder als Einzel-Waffensystem, entweder stationär auf einer Lafette oder mobil auf unterschiedlichen Rad- und Kettenfahrzeugen, wie zum Beispiel auf dem Boxer oder dem Lynx.

Da der MK3-Geschützturm eine Art Palette zur Basis hat, kann er leicht auf den verschiedensten Plattformen aufgebracht werden.

Weitere Systeme, in denen der Geschützturm verkauft wird, ist Skyranger 35 (Boxer-Radpanzer mit MK3-Geschützturm), Mantis (Stationäre Nahbereichsverteidigung für die Bundeswehr), Skyshield und eben Skynex. Skyshield ist ebenfalls eine modulares und offenes Luftabwehr-System.

Hohe Kadenz von 1.000 Schuss pro Minute

Mit seiner hohen Kadenz von 1.000 Schuss pro Minute und seiner vollautomatischen Zielausrichtung dient es als sogenanntes CIWS, ein "close in weapon system" oder Nahbereichsverteidigungssystem. Als solches kann es anfliegende Raketen, Drohnen, Flugzeuge aber auch Artillerie- oder Mörser Granaten neutralisieren.

Das System hat eine maximale Reichweite von nur 4.000 Metern und kann somit tatsächlich nur als Nahbereichsverteidigung eingesetzt werden, um zum Beispiel eine einzelne Fabrik, einen wichtigen Kommandoposten oder ein wertvolles Waffensystem wie eine Patriot-Batterie zu schützen.

Ein limitierender Faktor ist die Munitionszufuhr. Der Geschützturm ist sehr kompakt gehalten. Deshalb können nur 252 Granaten geladen werden. Dann muss der Geschützturm wieder aufmunitioniert werden. Eine technische Beschreibung des Geschützsystems findet sich auf der Herstellerseite.

Das Geschütz ist vollautomatisch, aber nicht autonom, es braucht einen Bediener.

Das Skynex-System

Eine Kern-Ausrichtung des Skynex-System ist die Trennung der Sensorik von den Effektoren. So ist jedes einzelne Geschütz über einen Datenlink mit einer Einsatzzentrale verbunden, die wiederum über ein breites Spektrum an Sensoren wie Radar verfügen kann.

Von einem externen Radar unabhängig wäre der Geschützturm in der Skyranger 35 Konfiguration. Hierbei wird der MK3-Geschützturm auf einen Boxer montiert.

Als Trägerfahrzeug für das der Ukraine gelieferte Skynex dient hingegen ein 8x8 LKW von Rheinmetall MAN Military Vehicles GmbH (RMMV), der RMMV HX. Bei der Bundeswehr ist dieser unter dem Namen "Multi 2 Wechselladersystem 15to mil" ebenfalls im Einsatz.

Zum Lieferumfang für die Ukraine gehört auch eine Skymaster-Kommandozentrale und eine Oerlikon X-TAR3D Radareinheit. Beide sind containerisiert und könnten mit LKWs transportiert werden.

Die Kosten

Auch Munition könnte zum Umfang des Lieferpaketes gehören, allerdings wollte Rheinmetall gegenüber Telepolis darüber keine Auskunft geben und verwies auf die Geheimhaltung.

Das Gesamtpaket hat einen Wert von 194 Millionen Euro, also in etwa das Äquivalent eines nicht ganz übertriebenen Philharmonie-Neubaus.

Die Munition ist die gleiche, die auch bei dem Gepard-Flakpanzer zum Einsatz kommt. Auch der Gepard nutzt das Kaliber 35 Millimeter. Im MK3-Geschützturm kann eine ganze Familie von Geschossen verwendet werden, auch die sogenannte AHEAD-Munition, die auf eine bestimmte Distanz programmiert zur Explosion gebracht werden kann und dem Ziel dann eine Wolke von Wolfram-Submunition entgegenschleudert.

Rheinmetall hat erst im September eine neue Lieferung 35 Millimeter-Munition vom Typ APDS-T und HEI-T für die Gepard-Panzer an die Ukraine ausgeliefert, und zwar 300.000 Stück für einen Preis von 168 Millionen Euro.

Pro Patrone macht das 560 Euro, also ziemlich genau einen Monat Bürgergeld-Regelsatz. Pro Patrone. Etwa für den gleichen Preis stellt Russland eine 152 mm Granate her.

Rheinmetall geht davon aus, dass die Zerstörung eines typischen Luftziels mit dem Skynex-System etwa 4.000 Euro kostet, das wären also um die sieben Schuss.

Für zwei Geschütze berechnet Rheinmetall 194 Millionen Euro, das macht 97 Millionen Euro, umgerechnet auf den einzelnen Geschützturm. Negativ auf die Kosten wirkt sich das ungünstige Verhältnis zwischen Effektoren, Sensoren und dem Skymaster-Führungsmodul aus.

Es könnten mehr Effektoren, also Geschütze, an die Führung und Sensorik angeschlossen werden, was den Durchschnittspreis pro eingesetztem Geschütz deutlich verringern dürfte.

Kosten im Vergleich zum russischen System Pantsir

Das vergleichbare russische System Pantsir, welches in eigentlich allen Parametern überlegen scheint und zur Flugabwehr zusätzlich Raketen mit sich führt, kostet laut Wikipedia um die 13,5 Millionen Euro, inklusive Radar und Führung 25,5 Millionen Euro (der Preis ist allerdings von 2013). Das Pantsir-System erhielt erst kürzlich ein Update und soll jetzt effektiver gegen Drohnen eingesetzt werden können.

Es wirkt anscheinend erfolgreich gegen Storm Shadow / Scalp-Marschflugkörper und Himars. Eine Abwehrrate von um die 70 Prozent gilt als exzellent.