Ukraine-Krieg: Eskalations-Risiken der Lieferung von F-16

F-16 Fighting Falcon im Trainingseinsatz der South Carolina Air National Guard. Bild (2008): U.S. Air National Guard

Das Kampfflugzeug scheint nicht geeignet für den Betrieb in der Ukraine. Wird es deshalb außerhalb stationiert? Russland warnt davor. Eine Einschätzung unseres Autors.

Sollte Kiew Luftwaffenstützpunkte von Nato-Ländern nutzen, um westliche Kampfjets zu betreiben, die der Ukraine übergeben wurden, würde Russland scharfe Gegenmaßnahmen ergreifen. Das erklärte Konstantin Gavrilow, der Leiter der russischen Delegation bei den jüngsten Wiener Gesprächen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), laut der russischen Nachrichtenagentur Tass.

Fehlende Kampfflugzeuge sind für die Ukraine militärisch ein großes Problem, um gegen die russische Armee bestehen zu können. So ist der Fehlschlag der sogenannten Frühlingsoffensive, der, mit angeblich 100.000 Gefallenen, einem Verlust in Armeestärke gleichkommt, unter anderem auf das Fehlen der Luftunterstützung zurückzuführen.

Deshalb fordert die Ukraine schon seit langem Kampfflugzeuge von ihren westlichen Geldgebern ein – und wird sie jetzt auch erhalten.

Erste Lieferungen aus den Niederlanden

Bisher haben Dänemark, die Niederlande, Norwegen und Belgien der Ukraine F-16-Jets zugesagt – und eine erste Lieferung aus den Niederlanden ist bereits in einem Trainingszentrum in Rumänien eingetroffen.

Nun weisen Experten darauf hin, dass der Flugzeugtyp wenig geeignet erscheint für die Konditionen auf ukrainischen Flugfeldern.

In einem ausführlichen Reuters-Artikel wird der mögliche Einsatz der F-16 in der Ukraine analysiert. Die Nachrichtenagentur zitiert hier Kelly Grieco, Senior Fellow am Stimson Center, einer US-Denkfabrik.

Einsatz unter anspruchsvollen Bedingungen

Viele sowjetische Jagdflugzeugmodelle seien für den Einsatz auf schlechten Landebahnen konzipiert worden. Sie würden über Klappen verfügen, die sich über den Lufteinlässen schließen, um zu verhindern, dass die Triebwerke beim Rollen auf dem Boden Schmutzpartikel ansaugen.

Der Lufteinlass der F-16, der sich unter dem Flugzeug befindet, besitze keine solchen Schutzvorrichtungen und sei nicht für den Einsatz unter anspruchsvollen Bedingungen vorgesehen, so Grieco.

Die F-16 ist ein sehr empfindlicher Flugzeugtyp", sagte sie. "Es handelt sich um ein Flugzeug, das eine lange Landebahn und eine wirklich glatte Landebahnoberfläche benötigt. Aber sie operieren in einer Umgebung, in der (ukrainische Piloten) Dislozierte Operationen durchführen. ... Dies ist kein Flugzeug, das dazu in der Lage ist."

Kelly Grieco, Reuters

Um dies auszugleichen, müssten die ukrainischen Streitkräfte sorgfältige Inspektionen der Landebahnoberflächen durchführen, was mitten im Krieg eine anspruchsvolle Aufgabe darstelle. Auch Business Insider berichtet über das gleiche Problem:

Die F-16 hat einen großen Lufteinlass unter der Nase, der "alles vom Boden direkt ansaugt", sagte Justin Bronk, ein Luftkriegsanalytiker des britischen Royal United Service Institute (RUSI), kürzlich in einer Folge des Podcasts Geopolitics Decanted.

"F-16 benötigen also in der Regel sehr saubere, sehr gut gewartete Flugplätze". (…)

"Es wird also darum gehen, die Start- und Landebahnen zu erneuern und möglicherweise auszubauen, was sowohl für russische Satelliten als auch für Moskaus Quellen vor Ort gut sichtbar ist", so Bronk weiter.

Justin Bronk, Business Insider

Saubere, gut gewartete Landebahnen – die gibt es in der Ukraine aber nicht. Denn Russland wird nach der Ankunft der ersten F-16 wahrscheinlich die Flughäfen und potentielle Startbahnen der ukrainischen Luftstreitkräfte bekämpfen.

Angriffe auf Flughäfen – Ausweichmöglichkeiten

Derzeit nehmen russische Streitkräfte ukrainische Flughäfen nicht sehr aktiv ins Visier ihrer Kampagne. Die Begründung ist einfach: Diese Flughäfen spielen derzeit keine signifikante Rolle im aktuellen Konflikt – denn die ukrainische Luftwaffe ist größtenteils ausgeschaltet.

Vermutlich würden regelmäßige Angriffe mit billigen Kamikaze-Drohnen auf ukrainischen Luftwaffenstützpunkten schon ausreichen, um die empfindlichen Flieger dazu zu zwingen, am Boden zu bleiben.

Deshalb könnte die Ukraine versuchen, die Flugzeuge von außerhalb ihres Luftraumes gegen Russland zu starten. Schon jetzt werden gepanzerte Fahrzeuge in Nato-Staaten repariert und gewartet, um danach wieder gegen Russland zum Einsatz gebracht zu werden.

Russland warnt davor:

"Wir hören bereits Kommentare, dass unter den Bedingungen einer erheblichen Zerstörung der ukrainischen Flugplatzstruktur die an die ukrainische Armee übergebenen taktischen F-16-Kampfflugzeuge Einsätze von Luftwaffenstützpunkten in Polen, Rumänien und der Slowakei aus durchführen könnten", sagte der russische Delegationsleiter Konstantin Gawrilow auf einer Plenarsitzung des OSZE-Forums.

Tass.

Falls das tatsächlich eintreten würde, könnte Russland seine Drohung wahrmachen und mit den Flugplätzen direkt Nato-Territorium angreifen – was wiederum die Beistandsvereinbarung des Artikel 5 des Nato-Bündnisvertrages triggern könnte.

Dies könnte eine direkte Konfrontation des US-dominierten Westens mit Russland ohne den Umweg über ukrainische Soldaten bedeuten.