Ukraine-Krieg: Internationale Friedenskonferenz fordert Diplomatie jetzt
Ein Gipfeltreffen in Wien für Frieden in der Ukraine ruft weltweit zum Handeln auf. Die Institutionen in Europa hätten versagt. Warum das Treffen öffentlich attackiert wurde und die Teilnehmer um Formulierungen rangen.
Am Wochenende vom 10. und 11. Juni kamen in Wien über 300 Vertreter von Friedensorganisationen aus 32 Ländern zum ersten Mal seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine zusammen, um ein Ende der Kämpfe zu fordern. In einer offiziellen Erklärung der Konferenz erklärten die Teilnehmer:
Wir sind eine breite und politisch vielfältige Koalition, die Friedensbewegungen und die Zivilgesellschaft repräsentiert. Wir sind fest davon überzeugt, dass Krieg ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist und dass es keine militärische Lösung für die derzeitige Krise gibt.
Um ihrer Forderung nach einem Waffenstillstand Nachdruck zu verleihen, verpflichteten sich die Teilnehmer des Gipfels, vom 30. September bis zum 8. Oktober globale Aktionswochen zu organisieren – Proteste, Mahnwachen und politische Lobbyarbeit.
Die Organisatoren des Gipfels wählten Österreich als Veranstaltungsort für die Friedenskonferenz, weil Österreich einer der wenigen neutralen Nicht-Nato-Staaten in Europa ist. Es gibt mit Irland, der Schweiz und Malta nur noch wenige neutrale europäischer Staaten, nachdem das zuvor neutrale Finnland der Nato beigetreten ist und Schweden als Nächstes an der Reihe ist.
Österreichs Hauptstadt Wien ist als "UN-Stadt" bekannt und beherbergt auch das Sekretariat der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa), die den Waffenstillstand im Donbass von der Unterzeichnung des Minsk-II-Abkommens im Jahr 2015 bis zum russischen Einmarsch in die Ukraine im Jahr 2022 überwacht hat.
Überraschenderweise erwies sich das neutrale Österreich als ziemlich ablehnend gegenüber dem Friedensgipfel. Der Österreichische Gewerkschaftsbund beugte sich dem Druck des ukrainischen Botschafters in Österreich und anderer Kritiker, die die Veranstaltungen als fünfte Kolonne für die russischen Invasoren verleumdeten. Der Botschafter hatte sich gegen einige der Redner ausgesprochen, darunter der weltbekannte Wirtschaftswissenschaftler Jeffrey Sachs und die EU-Parlamentarierin Clare Daly.
Selbst der Presseclub, in dem die abschließende Pressekonferenz stattfinden sollte, wurde in letzter Minute abgesagt. Die österreichische linksliberale Zeitung "Der Standard" setzte noch einen drauf und kritisierte die Konferenz sowohl im Vorfeld als auch während und nach der Veranstaltung mit dem Vorwurf, die Redner seien zu prorussisch.
Unbeeindruckt davon fanden die lokalen Organisatoren schnell einen anderen Veranstaltungsort. Die Konferenz fand in einem schönen Konzertzentrum statt, die Pressekonferenz in einem örtlichen Café.
Das bewegendste Podium der Konferenz war das mit Vertretern aus der Ukraine, Russland und Weißrussland, die ihr Leben riskierten, um am Gipfel teilzunehmen. Yurii Sheliazhenko, Kassenwart der ukrainischen pazifistischen Bewegung, kann das Land nicht verlassen und sprach daher von Kiew aus per Zoom zu den Teilnehmern.
Wie viele Ukrainer bin ich ein Opfer der Aggression der russischen Armee, die meine Stadt bombardiert, und ein Opfer von Menschenrechtsverletzungen durch die ukrainische Armee, die versucht, mich durch den Fleischwolf zu ziehen, indem sie mir das Recht verweigert, das Töten zu verweigern und das Land zu verlassen, um an der Universität Münster zu studieren ... Denken Sie darüber nach: Allen Männern zwischen 18 und 60 ist es verboten, das Land zu verlassen, sie werden auf den Straßen gejagt und in die Leibeigenschaft der Armee verschleppt.
Sheliazhenko erklärte auf dem Gipfel, dass die ukrainischen Streitkräfte versucht hätten, ukrainischen Kriegsverweigerern den Status als Kriegsdienstverweigerer vorzuenthalten, aber nachgegeben hätten, als internationaler Druck das ukrainische Militär dazu aufforderte, die Rechte anzuerkennen, die durch die Europäische Menschenrechtskonvention garantiert sind.
Mehrere Gruppen verpflichteten sich auf dem Gipfel, Kriegsdienstverweigerer aus der Ukraine, Russland und Weißrussland zu unterstützen, und sammelten für ukrainische Familien, die nach der jüngsten Zerstörung des Kachowka-Damms keinen Zugang zu sauberem Wasser haben.
Waffen weiter liefern und Abzug russischer Truppen vor Verhandlungen?
Zu den Höhepunkten des Gipfels zählen auch die Reden von Vertretern aus dem Globalen Süden, die aus China, Kamerun, Ghana, Mexiko und Bolivien kamen. Der bolivianische Vizepräsident David Choquehuanca begeisterte die Menge, als er über die Notwendigkeit sprach, die Weisheit der indigenen Kulturen und ihre Vermittlungspraktiken zu beachten.
Viele Redner sagten, dass der wahre Anstoß zur Beendigung dieses Krieges aus dem Globalen Süden kommen wird, wo Politiker den weitverbreiteten Hunger und die Inflation sehen, die dieser Konflikt verursacht, und eine führende Rolle übernehmen, indem sie ihre Dienste als Vermittler anbieten.
Fast ganz Europa war vertreten, darunter auch Dutzende Vertreter aus Italien, dem Land, das mit über 100.000 Demonstranten die größten Friedensdemonstrationen des Kontinents mobilisierte. Anders als in den Vereinigten Staaten, wo die Demonstrationen klein waren, haben die italienischen Organisatoren erfolgreich Koalitionen gebildet, die Gewerkschaften und die Religionsgemeinschaft sowie traditionelle Friedensgruppen einschließen.
Sie rieten anderen, ihre Forderungen einzugrenzen und zu vereinfachen, um ihre Anziehungskraft zu erhöhen und eine Massenbewegung gegen den Krieg aufzubauen.
Zu der achtköpfigen US-Delegation gehörten Vertreter von Codepink, Peace in Ukraine, Fellowship of Reconciliation und Veterans for Peace. Die Diplomatin Ann Wright, zugleich pensionierter US-Oberst, war eine der Hauptrednerinnen, ebenso wie der ehemalige Kongressabgeordnete Dennis Kucinich, der sich aus der Ferne anschloss.
Trotz der einheitlichen Grundaussage der Teilnehmer, die zu Friedensgesprächen aufriefen, gab es viele Meinungsverschiedenheiten, insbesondere in den Workshops. Einige waren der Meinung, dass wir weiterhin Waffen liefern sollten, während wir auf Gespräche drängen; andere forderten ein sofortiges Ende der Waffenlieferungen.
Einige bestanden auf der Forderung nach einem sofortigen Abzug der russischen Truppen, während andere der Meinung sind, dass es das Ergebnis von Verhandlungen sein sollte und nicht eine Vorbedingung.
Einige machten vor allem die Nato-Erweiterung und die Einmischung der USA in die inneren Angelegenheiten der Ukraine verantwortlich, während andere sagen, die Schuld liege ausschließlich bei den russischen Invasoren.
Manche dieser Meinungsverschiedenheiten spiegelten sich auch in den Diskussionen über die Abschlusserklärung wider, in denen es viel Hin und Her darüber gab, was erwähnt werden sollte und was nicht. Nachdrücklich wurde gefordert, die Provokationen der Nato und die Rolle der USA und Großbritanniens bei der Sabotage der ersten Vermittlungsversuche zu verurteilen.
Diese und andere Formulierungen, die den Westen verurteilen, wurden aus dem endgültigen Dokument gestrichen, das von einigen als zu nichtssagend kritisiert wurde. Verweise auf die Provokationen der Nato, die zur russischen Invasion führten, wurden ebenfalls gestrichen und durch folgende Formulierung ersetzt:
Die Institutionen, die zur Gewährleistung von Frieden und Sicherheit in Europa geschaffen wurden, haben versagt, und das Versagen der Diplomatie hat zum Krieg geführt. Jetzt ist Diplomatie dringend erforderlich, um den Krieg zu beenden, bevor er die Ukraine zerstört und die Menschheit gefährdet.
Der wichtigste Teil des Abschlussdokuments und der Versammlung selbst war jedoch der Aufruf zu weiteren Maßnahmen.
"Dieses Wochenende sollte nur der Anfang sein", sagte der Organisator Reiner Braun.
Wir brauchen mehr Aktionstage, mehr Versammlungen, mehr Kontakte zu Studenten und Umweltschützern, mehr Bildungsveranstaltungen. Aber dies war ein großartiger Anfang einer globalen Koordination.
Der Artikel erscheint in Kooperation mit dem US-Medium Common Dreams. Das englische Original finden Sie hier. Übersetzung: David Goeßmann.
Medea Benjamin ist die Mitbegründerin von Codepink und der Menschenrechtsgruppe Global Exchange. Seit mehr als 40 Jahren setzt sie sich für soziale Gerechtigkeit ein. Sie ist Autorin von zehn Büchern, darunter "Drone Warfare: Killing by Remote Control", "Kingdom of the Unjust: Behind the US-Saudi Connection" und "Inside Iran: The Real History and Politics of the Islamic Republic of Iran". Ihre Artikel erscheinen regelmäßig in Zeitungen wie ZNetwork, The Guardian, The Huffington Post, Common Dreams, Alternet und The Hill.