Ukraine-Krieg: Kraftwerke und Raffinerien als Ziel von Angriffen
Russland und die Ukraine nehmen zunehmend den Energiesektor ins Visier – mit erheblichen Folgen für den globalen Energiemarkt. Steigen die Preise für Gas, Öl und Diesel?
Der Krieg in der Ukraine eskaliert und wirkt sich immer stärker auf den globalen Energiemarkt aus. Beide Seiten nehmen inzwischen gezielt Energieanlagen des jeweils anderen ins Visier, berichtet der Finanzdienst Bloomberg am Samstag.
Gegenseitige Angriffe auf Energieanlagen
Die Ukraine hat in diesem Jahr bereits 14 große und zwei kleinere Raffinerien in Russland angegriffen. In den meisten Fällen sollen die Angriffe erfolgreich gewesen sein und den Betrieb der Anlagen unterbrochen haben.
Russland hat seinerseits drei Großangriffe auf ukrainische Kraftwerke durchgeführt, bei denen Wärme- und Wasserkraftwerke angegriffen und weitgehend zerstört wurden. Erstmals wurde auch die Gasinfrastruktur ins Visier genommen, insbesondere die Gasspeicher in der Westukraine.
Internationale Energieagentur warnt vor Auswirkungen der Angriffe
Die Internationale Energieagentur warnte am Freitag vor den Folgen. Die ukrainischen Drohnenangriffe auf russische Raffinerien könnten den Handel mit Ölprodukten wie Diesel beeinträchtigen. Aber auch die russischen Angriffe auf ukrainische Gasspeicher haben die Gaspreise in Europa um bis zu zehn Prozent in die Höhe getrieben.
Ukraine setzt erfolgreich Langstreckendrohnen ein
Die ukrainische Armee setzt für ihre Angriffe Langstreckendrohnen ein. Sie erreichen damit Raffinerien in einer Entfernung von bis zu 1.200 Kilometern. Analysten von JPMorgan Chase & Co schätzen, dass damit Raffinerien mit einer Gesamtkapazität von 3,8 Millionen Barrel pro Tag (bpd) getroffen wurden. Das entspricht mehr als der Hälfte der Gesamtkapazität Russlands.
Sollte es den Ukrainern gelingen, Drohnen aus einer Entfernung von 1.500 Kilometern ins Ziel zu steuern, wären Kapazitäten von weiteren 600.000 bpd in Reichweite.
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Ziel der Angriffe wird wohl nicht nachhaltig erreicht
Ziel der ukrainischen Angriffe ist es, den Nachschub der russischen Armee zu stören. Zudem sollen dem Kreml wichtige Einnahmequellen entzogen werden, die er für seine Kriegsführung benötigt. Negative Auswirkungen auf die globalen Energiemärkte sind dabei in Kauf genommene Kollateralschäden.
Langfristige Auswirkungen sollen die Angriffe jedoch nicht haben, glaubt man der russischen Seite. Energieminister Nikolai Schulginow sagte Anfang des Monats vor Journalisten, dass alle beschädigten Raffinerien bis Juni repariert sein werden.
Auch der stellvertretende Ministerpräsident Alexander Nowak bestätigte, dass der heimische Kraftstoffmarkt stabil bleibe und die Nachfrage vollständig gedeckt werde.
Schwere Schäden an ukrainischen Kraftwerken
Anders dürfte es in der Ukraine aussehen, wo die Schäden an den Kraftwerken enorm sind und eine rasche Wiederinbetriebnahme unwahrscheinlich ist.
Erst in dieser Woche trafen sechs russische Raketen die Turbinenhalle des Kohlekraftwerks Trypilska rund 45 Kilometer südlich von Kiew. Das Staatsunternehmen Zentrenerho verlor dadurch 100 Prozent seiner Stromerzeugungskapazität.
Die Kapazitäten des größten privaten Energiekonzerns der Ukraine, DTEK, seien nur noch zu weniger als 20 Prozent intakt, heißt es bei tagesschau.de. Im März wurde auch das Dnipro-Wasserkraftwerk in Saporischschja durch Raketenbeschuss außer Betrieb gesetzt.
US-Verteidigungsminister Lloyd Austin hatte die Ukraine zuvor vor Angriffen auf russische Raffinerien und deren Auswirkungen auf die Weltmärkte gewarnt. Die Ukraine solle sich lieber auf militärische Ziele konzentrieren, zitiert Bloomberg Austin.
In Kiew wies man das zurück und verwies auf ausbleibende Hilfsgelder aus dem Westen. Da die mehr als 60 Milliarden US-Dollar bisher nicht beschlossen seien, müsse man alles tun, um den Feind zu treffen.