Ukraine-Krieg: Minen bedrohen Mega-AKW zwar nicht, dennoch beklagt IAEO Regelverstoß

Das Kernkraftwerk Saporischschja gilt als Europas leistungsstärkste Atomanlage. Foto: Ralf1969, CC BY-SA 3.0

Experten finden Minen außerhalb von Europas größtem Atomkraftwerk. Atombehörde sieht Sicherheit nicht gefährdet. Gefahr auch durch zerstörten Staudamm.

Die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) hat bei eigenen Untersuchungen auf dem Gelände des ukrainischen Atomkraftwerks Saporischschja mehrere Minen entdeckt. Das Kraftwerk war am 4. März 2022 – unmittelbar nach der russischen Invasion in der Ukraine – unter russische Kontrolle geraten. Das Gebiet um das Kernkraftwerk ist nach wie vor heftig umkämpft.

Bei einer Inspektion am Sonntag entdeckte das IAEO-Team mehrere Minen in einer Pufferzone zwischen dem inneren und äußeren Zaun der Anlage. Die Experten berichteten, dass sie sich in einem gesperrten Bereich befanden, zu dem das Betriebspersonal keinen Zugang hatte, und sie von ihrem Standort weg zeigten. „Das Team fand keine Explosivstoffe innerhalb des Geländes“, hieß es weiter.

Die Beschreibung der IAEO-Experten deutet darauf hin, dass es sich bei den gesichteten Minen um sogenannte direktionale Splitterminen handelte. Sie werden üblicherweise eingesetzt, um Gebiete überirdisch zu sperren.

IAEO-Chef Grossi ordnete den Fund ein: "Wie ich bereits berichtet habe, wusste die IAEO, dass Minen außerhalb des Geländes und auch an bestimmten Stellen innerhalb des Geländes verlegt worden waren. Unser Team hat diesen speziellen Fund angesprochen und es wurde ihnen gesagt, dass es sich um eine militärische Entscheidung in einem militärisch kontrollierten Gebiet handelt", sagte Generaldirektor Grossi, der die Entscheidung kritisierte:

Die Tatsache, dass sich derartige Sprengstoffe auf dem Gelände befinden, steht jedoch im Widerspruch zu den IAEO-Sicherheitsstandards und den Leitlinien für die nukleare Sicherheit und erzeugt zusätzlichen psychologischen Druck auf das Personal der Anlage, auch wenn die IAEO aufgrund ihrer eigenen Beobachtungen und der Erklärungen der Anlage zu dem Schluss gekommen ist, dass die Detonation dieser Minen die nuklearen Sicherheits- und Sicherungssysteme der Anlage nicht beeinträchtigen dürfte. Das Team wird seine Kontakte mit (den Betreibern) der Anlage fortsetzen.

Nervosität schon nach Bruch von Staudamm Anfang Juni

Die Gefahr einer Atomkatastrophe ohne Einsatz von Atomwaffen im Ukraine-Krieg war bereits im Juni ins öffentliche Bewusstsein gerückt.

Eine "unmittelbare Gefahr" sieht die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) nach der Zerstörung des südukrainischen Kachowka-Staudamms für das nordöstlich gelegene Atomkraftwerk Saporischschja allerdings auch damals nicht.

"IAEA-Experten am Atomkraftwerk Saporischschja beobachten die Situation genau", teilte die Behörde am damals via Twitter mit und sahen "keine unmittelbare Gefahr am Kraftwerk". Weil das AKW wie der Staudamm am Fluss Dnipro liegt, hatte nach der schweren Explosion sofort die Frage im Raum gestanden, ob die Kühlwasserversorgung des Kraftwerks gefährdet sein könnte.

Die Atomanlage war bereits von russischen Invasionstruppen besetzt. Auch ein Sprecher des russischen Atomkonzerns Rosenergoatom sagte laut einem Bericht der Agentur Interfax, das Akw sei nicht betroffen. Das an den Staudamm angrenzende Wasserkraftwerk ist allerdings nach Angaben beider Kriegsparteien völlig zerstört und kann nicht mehr repariert werden.

Überschwemmungsgefahr betrifft potenziell rund 16.000 Menschen

Ansonsten machten sich Kiew und Moskau gegenseitig für den Vorfall verantwortlich. Das ukrainische Einsatzkommando Süd teilte mit, die russischen Besatzer hätten den Damm selbst gesprengt. Moskau dementierte dies und sprach von ukrainischem Beschuss, der die Schäden verursacht haben soll. Die Angaben beider Seiten ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Befürchtet wird nun, dass der Bruch des Staudamms in der umkämpften Region Cherson zu massiven Überschwemmungen führt. Nach Angaben der örtlichen Behörden wohnen etwa 16.000 Menschen in der "kritischen Zone".

Der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal sprach laut einem Bericht der Deutschen Presse-Agentur von einer Überschwemmungsgefahr für bis zu 80 Ortschaften. Die Zerstörung werde zu einer Umweltkatastrophe führen.

Der Militärgouverneur des Gebiets, Olexander Prokudin, warnte am frühen Morgen, binnen fünf Stunden könne der Wasserstand eine kritische Höhe erreichen. Auf der linken Seite des Flusses Dnipro, wo auch die von den Ukrainern befreite Gebietshauptstadt Cherson liegt, sei bereits mit Evakuierungen begonnen worden.

(Veröffentlicht: 06.06.2023/ Aktualisiert: 25.07.2023)

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