Ukraine-Krieg: Nun werden auch die Medien kriegsmüde
Abwehrkampf läuft anders als in Kiew und im Westen erhofft. Auch Medien lassen Ernüchterung erkennen. Bereiten Politiker die Weltöffentlichkeit auf unangenehme Wahrheiten vor?
Bereits Ende November schrieb die ARD:
Die Lage ist düster: Der Winter ist angebrochen, die ukrainische Offensive stockt, die Ressourcen werden knapp. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg bekräftigt die Unterstützung der Ukraine - doch wie soll es weitergehen?
ARD
Damit reiht sich die öffentlich-rechtliche Anstalt in den wachsenden Chor warnender Stimmen ein. Interessant: Vor allem US-amerikanische Medien stellen den Fortlauf des Krieges und die eingangs formulierten Ziele infrage.
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Anfang Dezember kritisierte die Washington Post offen die westliche Strategie: "Fehleinschätzungen und Unstimmigkeiten kennzeichnen Offensivplanung der USA und der Ukraine".
Es folgt eine minutiöse Aufzählung verschiedener Aspekte der jetzt fast 22 Monate andauernden Kämpfe: Washington habe das Ausmaß, in dem die ukrainischen Streitkräfte in eine Kampftruppe nach westlichem Vorbild umgewandelt werden können, falsch eingeschätzt.
Russlands Fähigkeiten unterschätzt
Zwischen US-amerikanischen und ukrainischen Stellen habe es zeitweise heftige Meinungsverschiedenheiten über Strategie, Taktik und Zeitplan gegeben. Während die Vereinigten Staaten einen konzentrierten Angriff entlang einer südlichen Achse in Richtung Krim befürworteten, sei die ukrainische Führung überzeugt gewesen, dass ihre Streitkräfte an drei verschiedenen Punkten entlang der 950 Kilometer langen Front angreifen müssten.
Zudem hätten viele in der Ukraine und im Westen Russlands Fähigkeit unterschätzt, sich von Katastrophen auf dem Schlachtfeld zu erholen und seine Stärken auszuspielen.
Die New York Times (NYT) macht auch Bidens innenpolitische Manöver für die zunehmenden Schwierigkeiten bei der Bereitstellung von Militärhilfen verantwortlich: "Biden knüpfte die Ukraine-Hilfe an Grenzsicherheit, was ihm zum Verhängnis wurde", titelte das Blatt in der ersten Dezemberwoche.
"Die Ukraine steht vor einer existenziellen Krise"
Die NYT argumentiert, dass US-Präsident Joe Biden sich von den Republikanern ohne Not in die Enge habe treiben lassen, als er letzten Monat seinen Antrag auf Hilfe für die Ukraine und Israel an den Kongress richtete.
Um die Zustimmung der republikanischen Mehrheit zu bekommen, bot er an, die Militärhilfen mit höheren Zuwendungen für den Ausbau der Grenze zu Mexiko zu verknüpfen.
Doch indem er das Thema auf den Tisch brachte, habe er – so die NYT – Forderungen der Republikaner nach weitreichenden Änderungen der Grenzpolitik ausgelöst und seine eigene Partei, die Demokraten, bei einem Thema gespalten, das viele ohnehin als politische Schwachstelle auf dem Weg ins Wahljahr 2024 sehen.
Kein Wunder also, dass etwa die Times of India in der gleichen Woche warnte: "Die Ukraine steht vor einer existenziellen Krise, während sich in den USA und Europa ein perfekter Sturm zusammenbraut".
Bereits "in den nächsten Wochen könnte die Ukraine feststellen, dass ihre Mittel und Waffenvorräte versiegen", so das meistgelesene Blatt auf dem Subkontinent.
"Wird der Westen Kurs halten?"
"Die Ukrainer bereiten sich auf einen langen Krieg vor. Wird der Westen Kurs halten?", fragt die South China Morning Post. Die russischen Truppen seien im Osten wieder in die Offensive gegangen, nachdem sie einer ukrainischen Gegenoffensive weitgehend standgehalten hätten.
Die sich verdüsternden Aussichten stehen in krassem Gegensatz zu der optimistischen Stimmung in Kiew vor einem Jahr, als die Ukrainer entgegen den Erwartungen die russischen Truppen um ihre Hauptstadt zurückschlugen und anschließend Gebiete im Nordosten und Süden, darunter die Stadt Cherson, zurückeroberten.
South China Morning Post
Wirklich überraschend kommt all das allerdings nicht. Schon im Sommer waren erste Kommentare erschienen, in denen es um die Frage ging, wer denn Schuld am Misserfolg der ukrainischen Frühjahrsoffensive habe.
Bereits im August berichtete CNN, dass US-Beamte fürchten, der Streit darum, wer die Schuld an dem Fehlschlag trage, könne zu Reibereien innerhalb der Nato und des Bündnisses zwischen dem Nordatlantikpakt und der Ukraine führen.
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