Ukraine-Krieg: Prigoschin und der "blutige Fleischwolf"

In zunehmend zerstörten Bachmut geht es für die russischen Truppen nur meterweise voran. Foto: АрміяInform / CC-BY-4.0

Der zähe Kampf um Bachmut ist Hintergrund harter Kritik des PMC-Wagner-Gründers an seiner Führung. Die Verluste sind auf beiden Seiten hoch. Die Frontlinie veränderte sich in letzter Zeit nur langsam.

In den durch staatlichen Druck auf Linie gebrachten Medien Russlands herrscht kein sichtbarer Zweifel an der baldigen Eroberung der seit zehn Monaten umkämpften Stadt Bachmut – die Russen gebrauchen noch die sowjetische Bezeichnung Artjomowsk. Im Normalfall verbreitet auch der kremlnahe Oligarch Jewgeni Prigoschin, Gründer der in der Stadt eingesetzten russischen Söldnertruppe PMC Wagner, Zuversicht und Erfolgsmeldungen.

Harsche Kritik von Prigoschin erzeugt Spekulationen

Angesichts des zähen russischen Vorrückens trotz erheblicher Verluste auf beiden Seiten liegen aber wohl auch bei Prigoschin die Nerven blank. Ungewöhnlich hart kritisierte er nun öffentlich das Fehlen von Munition seiner Angriffstruppen – und ließ sich dabei zu der Bemerkung hinreißen, ohne seine Wagner-PMC-Leute bei Bachmut würde die gesamte russische Front zusammenbrechen. Das ist zwar noch keine Drohung mit einem realen Abzug, den einige deutsche Medien daraus konstruierten und die ein offener Verrat wäre.

Dennoch ist es eine solch harte öffentliche Kritik an der Führung in Moskau, dass der österreichische Russlandexperte Gerhard Mangott sich schon fragte, ob Prigoschin demnächst mit Anlauf aus dem Fenster fallen möchte. Es handelt sich dabei um eine Anspielung auf mehrere merkwürdige Unfälle dieser Art, die mutmaßlich in Ungnade gefallenen Personen aus dem russischen Machtumfeld in den letzten Monaten zugestoßen sind.

In Russland selbst wurde nur recht verhalten über Prigoschins harsche Munitionsforderung berichtet. Der Ton der Forderung wurde dabei außerhalb seines direkten Umfelds kaschiert.

Zäher Vormarsch der Russen bei Bachmut

Tatsächlich rücken die russischen Truppen in Bachmut quasi Meter für Meter von Norden, Süden und Osten auf die Innenstadt vor und sollen sich mittlerweile nicht nur in Vororten, sondern bereits im Stadtgebiet selbst aufhalten. Die exilrussische Onlinezeitung Media.zona sieht den Ort als "blutigen Fleischwolf", der seit zehn Monaten Ressourcen und Menschen mit großer Geschwindigkeit absorbiert.

Die Motivation der russischen Seite ist klar: Es braucht nach den Rückschlägen im letzten Herbst bei Charkow und Cherson und einem andauernden Stillstand trotz ständiger Ankündigungen einer Offensive im Winter endlich einen greifbaren Erfolg. So versucht man gleichzeitig mit dem langsamen Vorrücken die Versorgungswege der Ukrainer abzuschneiden, was schon bei der letzten Eroberung der Russen im Sommer in Sewerodonezk und Lysitschansk den entscheidenden Erfolg brachte.

Symbolwert für beide Seiten

Die symbolische Bedeutung der Stadt für die Ukrainer ist jedoch nicht geringer. Nachdem nur noch eine Versorgungsroute in die Stadt aus ukrainischem Gebiet in ihrer Hand verbleibt und die Russen Anfang März vor allem im Norden Gebietsgewinne von 2,5 Kilometern verzeichneten, fragten sich auch westliche Analysten, ob es nicht besser sei, aus Bachmut abzuziehen.

Denn die Verteidigung bindet auch auf ukrainischer Seite knappe Ressourcen, die man für eine geplante Frühjahrsoffensive anderswo eventuell besser einsetzen könnte. So kam es auch zu Meldungen, etwa des US-Institute for the Study of War über einen beginnenden Abzug der Ukrainer aus Bachmut, dieses Mal nicht nur in russischer Presse.

Wie als Antwort auf solche Berichte verkündete der Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, Valery Saluzhny, bei einem Treffen mit Präsident Wolodymyr Selenskyj, die eigenen Truppen müssten in Bachmut nicht abgezogen, sondern verstärkt werden. Die Antwort aus Russland ließ nur einen Tag auf sich warten: Prigoschin kündigte am Montag ebenfalls eine Verstärkung der russischen Truppen bei Bachmut an. So ist sichergestellt, dass der "blutige Fleischwolf" von Bachmut von beiden Seiten weiter mit Soldaten gefüttert wird, obwohl die strategische Bedeutung der Stadt zweifelhaft und die erwartbaren Verluste auf beiden Seiten weiter riesig sein werden.

Ukrainische Offensive wird woanders erwartet

Wie lange auch immer das blutige Ringen um Bachmut noch andauert: Nach seinem Ende wird es nur an einem anderen Ort fortgesetzt werden, so lange der Ukraine-Krieg dauert. Die regierungsnahe Moskauer Zeitung Nesawisimaja Gaseta berichtet von ukrainischen Truppenverlagerungen in das Gebiet Zaporozhye und angrenzende Regionen. Es handle sich um im Westen ausgebildete, frische Einheiten mit entsprechenden Waffen aus Nato-Beständen.

Warum der nächste ukrainische Angriff dort erwartet wird ist klar: Mit einem Vorstoß auf das dort nahe Asowsche Meer würde das von Russland besetzte Gebiet in zwei Teile geteilt und der Nachschub erschwert. Ob ein solcher Angriff gegen die russischen Stellungen erfolgreich wäre, ist unsicher. Sicher ist nur, dass sich in diesem Fall der blutige Fleischwolf an anderer Stelle fortsetzen würde.