Ukraine-Krieg: Steht Russland vor einer weiteren Mobilisierung?

Offiziell widerspricht der Kreml möglichen neuen Einberufungen. Doch viele Indizien sprechen eine andere Sprache. Eine Spurensuche in Russland.

Am 21. September 2022 kündigte Wladimir Putin eine Teilmobilisierung in Russland an. Mehr als 300.000 Menschen wurden zur Verstärkung der russischen Truppenverbände in der Ukraine eingezogen.

Ein Jahr nun später debattiert die russische Gesellschaft über die Vorbereitung auf eine zweite Rekrutierungswelle. Wie vor einem Jahr leugnen die offiziellen Stellen eine solche Entwicklung der Ereignisse. Aber was sagen die Fakten?

Änderungen in der Gesetzgebung

In diesem Sommer hat das russische Parlament eine Reihe von Gesetzen verabschiedet, die es dem Kreml ermöglichen, eine Mobilisierungskampagne effektiver durchzuführen.

Das Bußgeld für das Nichterscheinen bei der Einberufung zum Militär wurde um ein Vielfaches von umgerechnet fünf bis 30 auf 100 bis 300 Euro erhöht. Zudem erhält ein Bürger, der den Bescheid erhalten hat, nach dem neuen Gesetz ein Verbot, Russland zu verlassen.

Von den Gesetzesänderungen betroffen sind Organisationen, die sich weigern, die Rekrutierungsbüros bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Ab Oktober 2023 werden sie mit Geldstrafen in Höhe von umgerechnet 4.000 bis 5.000 Euro belegt.

Die aufgeführten Gesetzesänderungen betreffen in erster Linie die Wehrpflichtigen, deren Altersgrenze ab dem 1. Januar 2024 auf 30 Jahre angehoben wird. Diese Maßnahmen werden aber auch bei der Mobilisierung von Reservisten Anwendung finden.

Ein entsprechender Gesetzentwurf der Abgeordneten der Regierungspartei "Einiges Russland" wurde jedoch bisher nicht angenommen. Sie schlugen eine Änderung des Strafgesetzbuches vor, die Strafen für die Umgehung der Wehrpflicht während der Mobilisierung oder in Kriegszeiten vorsieht.

Ein Bürger, der sich nicht bei der Einberufungsstelle meldet, kann mit einer Geldstrafe von 5.000 Euro, Zwangsarbeit oder einer Gefängnisstrafe von bis zu fünf Jahren bestraft werden. Es besteht kein Zweifel daran, dass das Gesetz angenommen wird, da es bereits die Zustimmung der Regierungskommission erhalten hat.

Einer der Verfasser der Änderungen, der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses der Staatsduma, Andrej Kartapolow, bestreitet, dass diese Gesetzesänderungen im Kontext der Vorbereitungen für eine neue Mobilisierungswelle stehen:

Heute – ich betone, heute – gibt es dafür keinen Bedarf, wenn wir von den eigenen Bedürfnissen ausgehen. Aber wir müssen auf alle Eventualitäten vorbereitet sein.

In diesem Zusammenhang verdient eine Beobachtung der Politikerin Elvira Vikhareva Beachtung: Sie hat herausgefunden, dass Arbeitsvermittlungsstellen Anzeigen für die Suche nach Spezialisten für Mobilisierungsarbeiten in den militärischen Rekrutierungsbüros Russlands schalten.

Diese Ankündigungen und die Gesetzesnovellen deuten ihrer Meinung nach darauf hin, dass eine alles für die zweite Mobilisierungswelle in naher Zukunft vorbereitet wird.

Der Rechtsanwalt Alexander Latynin stimmt ihr teilweise zu. In einem Interview mit dem russischen Portal NSN betont er, dass das wichtigste Signal für die Mobilisierung eine Änderung der Strafe für die Umgehung des Militärdienstes während der Mobilisierung sein wird:

Wenn das Strafgesetzbuch geändert wird und der Artikel über die Umgehung der Mobilmachung erscheint, werde ich mit Sicherheit sagen, dass es eine Mobilisierung geben wird. Wir alle erwarten eine Änderung des Strafgesetzbuches.

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