Ukraine-Krieg: Stimmung in den USA kippt, Biden steht unter Druck

(Bild: armyinform.com.ua)

Erfolge in der Ukraine wären nötig, bleiben aber aus. Das hat Folgen für Wahlkampf und öffentliche Meinung in den USA. Sind die Ukrainer dafür selbst verantwortlich?

In den USA steht der Wahlkampf vor der Tür. Sowohl der ehemalige Präsident Donald Trump als auch der amtierende Präsident Joe Biden sowie weitere Kandidaten kämpfen darum, wer im nächsten Jahr ins Weiße Haus einziehen wird.

Der Krieg in der Ukraine entwickelt sich immer mehr zu einem Thema, das eine entscheidende Rolle spielen könnte. Während das Weiße Haus in den vergangenen anderthalb Jahren ein Hilfspaket nach dem anderen in die Ukraine schickte, sinkt die Zustimmung im Land.

Eine aktuelle Umfrage des Fernsehsenders CNN bringt dies deutlich zum Ausdruck. In den ersten Tagen des Krieges, Ende Februar 2022, waren noch 62 Prozent der Meinung, die USA sollten sich stärker in dem Konflikt engagieren. Inzwischen sind es nur noch 48 Prozent.

Mehr als die Hälfte der befragten US-Amerikaner (51 Prozent) gab an, die USA hätten bereits genug für die Ukraine getan. Und rund 55 Prozent sind überzeugt, dass der US-Kongress keine zusätzlichen Mittel für die Ukraine bewilligen sollte.

Unterstützung für die Ukraine bedeutet für viele US-Amerikaner nicht, immer mehr Waffen in das Kriegsgebiet zu schicken. Nur 43 Prozent halten dies für notwendig. Deutlich mehr favorisieren die Beschaffung von Informationen (63 Prozent) und militärische Ausbildung (53 Prozent).

Biden-Regierung benötigt Erfolge in der Ukraine

Aus diesen Zahlen lässt sich auch die Zustimmung zwischen Republikanern und Demokraten abschätzen. Denn die Republikaner sind mehrheitlich (71 Prozent) der Meinung, dass der Kongress keine neuen Mittel bewilligen sollte. Und 59 Prozent gehen davon aus, dass die USA bereits genug getan haben.

Die Demokraten meinen dagegen mehrheitlich, dass zusätzliche Mittel bewilligt werden sollten (62 Prozent) und die USA mehr tun sollten (61 Prozent).

Der Ausgang der Gegenoffensive der ukrainischen Truppen könnte das Stimmungsbild in den USA weiter kippen. In den US-Medien wird inzwischen offen darüber berichtet, dass die Fortschritte hinter den Erwartungen zurückbleiben. Und wo sich das Scheitern nicht mehr verbergen lässt, beginnt die Suche nach Ausreden und Sündenböcken.

Selbst der russische Präsident Wladimir Putin wird für das Scheitern der Offensive verantwortlich gemacht. Er spiele auf Zeit und wolle den Krieg bis zu den US-Wahlen hinauszögern, damit Trump Biden ablösen könne, mutmaßt CNN. Mit anderen Worten: Russland lässt sich einfach noch nicht freiwillig besiegen, weil es auf einen anderen Präsidenten als Joe Biden hofft. Schließlich wisse Putin, dass Trump ihm helfen werde.

Eine andere Erklärung hat die New York Times (NYT). Hier heißt es:

Dies wirft Fragen über die Qualität der Ausbildung auf, die die Ukrainer vom Westen erhalten haben, und ob die Waffen im Wert von Dutzenden Milliarden Dollar, darunter fast 44 Milliarden Dollar von der Biden-Regierung, die ukrainische Armee erfolgreich in eine Kampftruppe verwandelt haben, die NATO-Standards entspricht.

War die Trainingszeit zu kurz? Oder machten die Ukrainer zu viele Fehler? Immerhin hätten sie trotz Ausbildung Wege benutzt, die nicht von Minen geräumt waren, heißt es in der NYT. Oder sie hätten einen nächtlichen Angriff so lange hinausgezögert, bis die Russen abwehrbereit waren.

Das Ergebnis ist mehr als deutlich: In den ersten zwei Wochen der Gegenoffensive verlor die Ukraine bis zu 20 Prozent der Waffen, die auf das Schlachtfeld geschickt worden waren. Das hätten amerikanische und europäische Offizielle erklärt, so die NYT.

Sind die Ukrainer für Washington nur Mittel zum Zweck?

Inzwischen sind sechs weitere Wochen der Gegenoffensive vergangen. Von den aktuellen Verlusten ist in den westlichen Medien wenig zu lesen. Glaubt man prorussischen Telegram-Kanälen, könnten die ukrainischen Truppen inzwischen bis zu 43.000 Tote und rund 100.000 Verwundete zu beklagen haben.

Solche Zahlen sind in Kriegszeiten allerdings besser als unseriös einzustufen, da sie schlichtweg nicht überprüfbar sind.

Doch nicht die toten und verstümmelten ukrainischen Soldaten machen der NYT und dem US-Militär Sorgen: Der Nimbus der US-Streitkräfte als Armee mit der vermeintlich besten Taktik könnte angekratzt sein. In dem Bericht heißt es:

Die Biden-Administration hatte gehofft, dass die neun westlich ausgebildeten Brigaden, etwa 36.000 Soldaten, zeigen würden, dass die amerikanische Art der Kriegsführung der russischen überlegen ist.

Auf dem Schlachtfeld seien die ukrainischen Truppen schnell zu ihrer alten Kampfweise mit hohem Munitionsverbrauch zurückgekehrt. Doch US-Militärexperten geben die Hoffnung nicht auf, dass sie – wenn sie die russische Verteidigung durchbrochen haben – zur amerikanischen Art der Kriegsführung zurückkehren könnten.

"Ich glaube nicht, dass sie die Taktik der kombinierten Waffen aufgeben werden", sagte Philip M. Breedlove der NYT. Breedlove ist ein pensionierter Vier-Sterne-Luftwaffengeneral und ehemaliger NATO-Oberbefehlshaber für Europa. Er sagte: "Wenn sie die erste, zweite oder dritte Verteidigungslinie durchbrechen, werden Sie die Definition von kombinierten Waffen sehen."

Trotz horrender Verluste ist es bisher nicht gelungen, die erste Verteidigungslinie zu durchbrechen, wie Breedlove hier deutlich macht. Wie hoch sie noch steigen müssen, um die Überlegenheit der "amerikanischen Art der Kriegsführung" zu beweisen, bleibt abzuwarten. Bis zum Herbst will die ukrainische Regierung Ergebnisse vorweisen können, erklärten Experten gegenüber CNN.

Dazu hat die ukrainische Armee wieder eine neue Taktik angenommen: Kleine Einheiten greifen an und sollen den Durchbruch erzwingen. Mehr als erhebliche Verluste an Menschen und Material werde das aber nicht bringen, zeigten sich Gian Luca Capovin und Alexander Stronell vom britischen Nachrichtendienst Janes gegenüber der NYT überzeugt.

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