Ukraine-Krieg: Technologischer Umbruch mit Glasfaser-Drohnen

Lars Lange
Herkömmliche FPV-Drohne wird von einem Soldaten im Tarnanzug mit einer Sprengladung versehen

Herkömmliche FPV-Drohne wird mit einer Sprengladung versehen. Bild: Parilov /shutterstock.com

Neue Entwicklungen der FPV-Drohnen widerstehen elektronischer Kriegsführung. Beide Kriegsparteien arbeiten daran. Russland hat einen Vorsprung.

Zu Beginn der Kursk-Offensive Anfang August 2024 war es ein Schlüsselfaktor für den anfänglichen Erfolg der ukrainischen Streitkräfte: die erfolgreiche Abwehr russischer FPV-Drohnen durch elektronische Kriegsführung.

Allerdings gelingt es Russland gegenwärtig immer besser, Glasfaser-gelenkte Drohnen in großen Mengen zu produzieren und zum Einsatz zu bringen, die vollkommen unempfindlich gegen die eingesetzten Störsender sind.

Der anfängliche Erfolg

Wie Forbes im August vergangenen Jahres berichtete, spielte die elektronische Kriegsführung der Ukraine eine entscheidende Rolle bei der Offensive im Raum Kursk: Der erste Schritt bestand darin, das russische Netz von Aufklärungsdrohnen mit speziellen Jäger-Drohnen gezielt auszuschalten und damit die gegnerische Kommandoebene zu blenden.

In der entstandenen Beobachtungslücke konnten die Ukrainer dann Störsender an die Front verlegen, mit denen es gelang, die russischen Drohnen – sowohl zur Zielaufklärung als auch zur Artillerieführung – weitgehend auszuschalten.

Dies war von entscheidender Bedeutung, da Drohnen normalerweise für etwa zwei Drittel der Panzerabschüsse verantwortlich sind. Durch die Konzentration von Störsendern im Kursker Raum konnte die Ukraine diese Bedrohung ausschalten und ihren gepanzerten Verbänden den Weg durch offenes Gelände ermöglichen.

Die technische Reaktion

Zuletzt konnte Russland 60 Prozent des von der Ukraine eroberten Kursk-Sektors zurückerobern. Als ein entscheidender Erfolgsfaktor gilt der massenhafte Einsatz von neu entwickelten, nicht zu störenden FPV-Drohnen. Deren Produktion soll Russland deutlich ausgeweitet haben.

Die innovative Technologie basiert auf einer etwa zehn Kilometer langen Glasfaserleitung, die auf einer speziell entwickelten russischen Spule aufgewickelt wird. Mit einem Gewicht von lediglich 1,35 Kilogramm pro Spule ermöglicht diese Konstruktion eine bemerkenswerte Manövrierfähigkeit der Drohnen.

Das System erlaubt es den unbemannten Fluggeräten, sich frei zu bewegen – selbst Rückwärtsflüge und Manöver durch dichte Vegetation sind möglich, ohne dass sich das Kabel verfängt.

Untersuchungen an geborgenen russischen Drohnen zeigen die besonderen Eigenschaften des verwendeten Glasfaserkabels: Es weist eine hohe Zugfestigkeit auf und bricht nur bei zu starker Biegung. Diese Materialeigenschaft ist entscheidend für die Zuverlässigkeit des Systems im Einsatz.

Außergewöhnlich hohe Bildqualität

Im Gegensatz zu funkgesteuerten Drohnen sind die Glasfaser-FPVs vollständig immun gegen Störsender. Die Glasfaserverbindung ermöglicht zudem eine außergewöhnlich hohe Bildqualität bei der Videoübertragung, die sich besonders im kritischen Endanflug bewährt. Sie ermöglicht dabei eine verzögerungsfreie Übertragung unkomprimierter Videodaten in Echtzeit.

Auf Videos im russischen Telegram-Post von Boris Rozhin wird der Unterschied deutlich. Auf dem oberen Video sind zwei Einsätze gegen ukrainische Panzer mit der neuen Fieberglas-Technologie zu sehen. Das Bild ist gestochen scharf, auch dank der digitalen Videoübertragung. Außerdem ist die Manövrierfähigkeit der Drohne durch das hauchdünne Kabel augenscheinlich in keiner Weise beeinträchtigt.

Auf dem unteren Video ist dagegen ein analoger Videofeed einer herkömmlichen Funk-Drohne zu sehen. Die Qualität des Videos ist auch deswegen schlechter, weil es sich um eine Drohne mit Wärmebildkamera zur Nachtjagd handelt. Doch deutlich sieht man die Auswirkungen der Störsender, die besonders den Endanflug für den Drohnenoperator sehr schwierig machen.

Große Reichweite

Die maximale Reichweite der neuen Glasfaser-Systeme liegt bei mindestens neun Kilometern, wie ein von ukrainischen Streitkräften geborgenes Exemplar belegt.

Das Fachportal Bulgarian Military berichtet sogar von noch größeren Reichweiten der Glasfaser-Drohnen von bis zu 20 Kilometern.

Dort wird von speziellen Aufklärungssystemen mit der neuen Glasfasertechnologie berichtet. Sie sollen routinemäßig in Entfernungen zwischen 15 und 20 Kilometern operieren. Dies macht die Drohnen zu einem äußerst effektiven Instrument für Aufklärungsmissionen in umkämpften Gebieten.

"Vandal"-Glasfaserdrohnen

Anscheinend sind sie chinesischer Herkunft und stellen mit etwa 17.000 Dollar pro Einheit eine vergleichsweise kosteneffiziente Lösung für moderne Aufklärungsmissionen dar.

Die bereits oben besprochenen Kampfdrohnen entwickeln sich zu einem großen Problem für die Ukraine. Und hier besonders die "Vandal"-Glasfaserdrohnen. Davon berichtet aktuell die Eurasiantimes.

Demnach entstehen im europäischen Teil Russlands derzeit mehrere Produktionsanlagen für die Vandal, die sich jeweils auf unterschiedliche Varianten der Drohne für spezifische Kampfeinsätze spezialisieren.

Die Vandal wird vom Ushkuynik-Zentrum in Nowgorod entwickelt. Ausgestattet mit Wärmebildkamera und optischen Sensoren kann die Drohne bei Tag und Nacht operieren und eine Nutzlast von 3,5 Kilogramm über Distanzen von sechs bis zehn Kilometern transportieren.

Ein besonderer taktischer Vorteil liegt in der extremen Wendigkeit und der Fähigkeit, in sehr geringer Höhe zu operieren – oft nur 2 bis 10 Meter über dem Boden.

Lob des Herstellers

Alexey Chadayev, Generaldirektor von Ushkuynik, berichtet in der Eurasiantimes von einer hohen Zuverlässigkeit: Nur bei einem oder zwei von zehn Einsätzen soll es nach seinen Angaben zu Problemen mit dem Glasfaserkabel kommen.

Es habe sich entgegen ursprünglicher Befürchtungen gezeigt, dass das Kabel zwar empfindlich auf Verbiegungen reagiert, sich aber selten in Gelände oder Vegetation verfängt.

Ukraine setzt ähnliche Systeme ein

Auch die Ukraine hat begonnen, ähnliche Systeme einzusetzen, meldet das Fachmagazin Army Recognition. Am 2. Januar präsentierte das ukrainische Verteidigungsministerium über ein Dutzend verschiedene Modelle heimischer Hersteller.

Diese Drohnen können Nutzlasten von bis zu drei Kilogramm tragen und werden derzeit im Fronteinsatz getestet. Die Entwicklung dieser Drohnen dürfte eine direkte Antwort auf die russischen Glasfaser-Fähigkeiten darstellen.

Mehrere der vorgestellten Modelle befinden sich bereits in der finalen Phase der Zertifizierung und sollen bald an die ukrainischen Streitkräfte ausgeliefert werden. Bereits jetzt werden Glasfaser-gesteuerte Drohnen von der Ukraine testweise eingesetzt.

Mutmaßungen über chinesische Vorarbeit

Allerdings verfügt Russland durch die sechsmonatige Einsatzerfahrung der Vandal über einen Vorsprung in der operativen Reife dieser Systeme. Interessant ist dabei, dass China bereits seit August 2024 ähnliche Glasfaser-gesteuerte Drohnen mit variablen Spulenlängen entwickelt und einsetzt.

Der ukrainische Spezialist Serhiy Beskrestnov vermutet sogar, dass die russische Vandal-Drohne möglicherweise eine Modifikation der chinesischen Skywalker-Drohne ist, die für etwa 2.000 Dollar importiert und dann für den militärischen Einsatz umgerüstet wird.

China liefert Russland auch die Maschinen zum Wickeln der kleinen Spulen, mit denen innerhalb von 100 Minuten bis zu 20 Kilometer Glasfaser aufgewickelt werden können, berichtet der X-Kanal GrandpaRoy2.

Die Vandal-Drohne hätte seit ihrer Einführung bereits ukrainisches Equipment im Wert von 300 Millionen Dollar zerstört, behauptet Andrej Nikitin, der Gouverneur der russischen Region Nowgorod, zitiert nach dem Fach-Blog Defence Mirror.

Diese Information ist freilich nicht zu überprüfen. Auf Telegram-Kanälen finden sich mittlerweile zahlreiche Videos, die den Einsatz der neuen Drohnen dokumentieren.

Das Problem der Abwehr

Da die neuen Glasfaser-Drohnen überhaupt nicht mehr zu stören sind, werden jetzt schnell andere Systeme zur Abwehr der neuartigen Kampfdrohnen gefunden werden müssen, etwa weiterentwickelte ferngesteuerte Waffenstationen.

Zurzeit ist eine passive Zusatzpanzerung mit Reaktivpanzerung, Metallgrillen und Netzen die einzig wirksame Abwehrmaßnahme. Der russischen Armee könnte hier zum Vorteil gereichen, dass ihre gegenüber den Nato-Designs leichteren Fahrzeuge über andere Gewichtsreserven für die Aufnahme von zusätzlichen Schutzmaßnahmen verfügen.