Ukraine-Krieg: Wenn kritische Stimmen verstummen müssen
Das zerstörte Asow-Stahlwerk in Mariupol
(Bild: ChocoPie/Shutterstock.com)
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Der Ukraine-Krieg spaltet den Westen, die Debatte wird von Hardlinern dominiert. Wer für Verhandlungen plädiert, riskiert seinen Ruf als Experte. Ein Gastbeitrag.
Angesichts des Krieges zwischen Russland und der Ukraine, der von führenden Politikern und Kommentatoren in Europa und Amerika als Teil eines angeblichen globalen Kampfes zwischen Demokratien und Autokratien dargestellt wird, hat die Qualität der Demokratie im Westen selbst einen Schlag erlitten.
Debatte besonders in Europa verengt
Die dominierenden Stimmen, die für einen Sieg der Ukraine und eine Niederlage Russlands plädieren, beide in maximalistischen und zunehmend unerreichbaren Begriffen definiert, sind darauf bedacht, nachdenklichere und nuanciertere Perspektiven zu unterdrücken und berauben so die Öffentlichkeit einer demokratischen Debatte über die existenziellen Fragen von Krieg und Frieden.
Es ist ein bekanntes Muster im Westen, dass angesehene Akademiker, die das Dilemma, in dem sich die Ukraine und der Westen befinden, richtig vorhergesagt haben, als Sprachrohre des Kremls diffamiert und delegitimiert werden und Schikanen, Marginalisierung und Ausgrenzung ausgesetzt sind.
Besonders alarmierend ist die Situation in Europa. Während die Ukraine-Debatte in den USA in beunruhigendem Maße von pro-militaristischen Think Tanks wie dem Atlantic Council, kriegsbefürwortenden Politikern und neokonservativen Kommentatoren dominiert wird, wächst eine Gegenbewegung, die für Zurückhaltung plädiert.
Dazu gehören Defense Priorities, das Cato Institute, Publikationen wie The Nation auf der linken und The American Conservative auf der rechten Seite sowie Akademiker wie Stephen Walt, John Mearsheimer und Jeffrey Sachs. Im US-amerikanischen Diskurs gibt es mehr Raum für alternative Stimmen.
In Europa hingegen neigen die außenpolitischen Debatten dazu, einfach nur die kriegerischsten Stimmen aus Washington widerhallen zu lassen.
Schweden ist ein besonders aufschlussreiches Beispiel für diese Tendenz. Nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine bewegten sich die schwedische Regierung und die politische Klasse schnell in Richtung Nato-Beitritt.
Doch wie eine der führenden schwedischen Wissenschaftlerinnen auf dem Gebiet der internationalen Beziehungen, Frida Stranne, mir in einem Interview sagte, "gab es keine wirkliche Debatte über die entscheidenden Fragen, etwa ob Russlands Aggression gegen die Ukraine tatsächlich eine so unmittelbare Bedrohung für Schwedens Sicherheit darstellte, dass es seinen neutralen Status aufgeben musste, den es selbst während des Kalten Krieges genossen hatte?"
(Ich selbst kann aus meiner Arbeit als leitender außenpolitischer Berater im Europäischen Parlament Anfang 2022 bestätigen, dass selbst einige Mitglieder der damals regierenden schwedischen Sozialdemokratischen Partei entsetzt darüber waren, dass die Regierung alternative Ansichten zur Nato verfolgte).
Darüber hinaus erklärte Stranne in einem Interview mit mir, dass sie zwar anerkenne, dass Russlands Einmarsch in die Ukraine "ein eklatanter Verstoß gegen das Völkerrecht" gewesen sei, sie jedoch auf die US-Politik seit 2001, wie die Invasion des Irak, verwies und anmerkte, dass diese "dazu beigetragen haben, die Prinzipien des Völkerrechts zu untergraben und einen Präzedenzfall für andere Länder geschaffen haben, 'präventiv' gegen wahrgenommene Bedrohungen vorzugehen".
In demselben Interview warnte sie auch, dass "die Weigerung, eine Verhandlungslösung für den Krieg in der Ukraine in Betracht zu ziehen, die Welt gefährlich nahe an den Rand eines großen militärischen Konflikts zwischen der Nato und Russland bringt".
Während solche Äußerungen in den USA von eher traditionellen Wissenschaftlern routinemäßig gemacht werden, lösten sie in Schweden eine bösartige Kampagne gegen Stranne aus, die sie in den Medien und außenpolitischen Kreisen nahezu unantastbar machte. Führende Medien bezeichneten sie als USA-Hasserin und "Putinistin".
Die Lage in Deutschland
Deutschland ist ein weiteres Beispiel dafür, wie erzwungenes Gruppendenken zur Marginalisierung abweichender Perspektiven in politischen Debatten geführt hat.
Besonders bemerkenswert ist die Geschwindigkeit und Radikalität, mit der Falken in Denkfabriken, Medien und Parteien die Debatte in einem Land neu definierten, das zuvor für seine inzwischen obsolet gewordene Ostpolitik bekannt war, eine Politik des pragmatischen Umgangs mit der Sowjetunion und später mit Russland.
Einer der profiliertesten deutschen Außenpolitiker, Johannes Varwick von der Universität Halle-Wittenberg, widersetzte sich lange dem Trend und plädierte für Diplomatie.
Im Dezember 2021 warnte er zusammen mit einer Reihe hochrangiger ehemaliger Militärs, Diplomaten und Akademiker vor einer massiven Verschlechterung der Beziehungen zu Russland – unter anderem wegen der Weigerung des Westens, Russlands Sicherheitsbedenken ernst zu nehmen, die sich vor allem auf die Aussicht auf eine Nato-Osterweiterung bezogen.
Solche Ansichten brachten Varwick den Vorwurf ein, "russischen Interessen zu dienen". Daraufhin wurden, wie er mir in einem Interview sagte, seine "Verbindungen zu den politischen Parteien und den für die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik verantwortlichen Ministerien gekappt".