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Ukraine-Krieg: Wer soll das bezahlen, wer hat soviel Geld?

Themen des Tages: Die Maskenpflicht fällt. Die Kriegsfront bröckelt. Und die Folgen des Ukraine-Konflikts machen Europa zu schaffen.

Liebe Leserinnen und Leser,

1. Die Corona-Maske war ein Symbol für die umstrittene Pandemie-Politik: Ab dem morgigen Donnerstag darf sie in der Tasche bleiben.

2. Wird infolge des Ukraine-Krieges die Wehrpflicht wieder eingeführt?

3. Und wie steht es um den Wirtschaftskrieg zwischen Russland und den europäischen Nato-Staaten?

Doch der Reihe nach.

Debatte um Wehrpflicht

Unter den Parteien der Ampel-Koalition gibt, berichtet heute Telepolis-Redakteurin Claudia Wangerin [1], offenbar Meinungsverschiedenheiten über die künftige Wehrpolitik. Die Frage sei, ob eine hochprofessionelle Hightech-Armee ohne Wehrpflichtige auf die Dauer besser wäre als der Versuch, möglichst große Teile der jungen Generation einzuspannen und gegebenenfalls auch im großen Stil eigene Staatsbürger an die Front zu schicken, so Wangerin.

Nachdem SPD-Chefin Saskia Esken schon vor knapp einem Jahr einen Schlussstrich unter die Debatte ziehen wollte, hat nun vergangene Woche der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) die 2011 erfolgte Aussetzung der Wehrpflicht als Fehler bezeichnet. Er schmiedet aber angeblich keine konkreten Pläne für eine Wiedereinsetzung.

Abfuhr in Brasilien

Mit dem Besuch von Bundeskanzler, Olaf Scholz (SPD) befasst sich heute Telepolis-Autor Peter Nowak [2]. Er zitiert Brasiliens Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva: "Wir liefern keine Waffen. Brasilien ist ein Land des Friedens." So habe Lula die Versuche Scholz‘ Ansinnen zurückgewiesen, das größte Land Südamerikas in die Front gegen Russland einzureihen.

Besonders düpiert dürfte Scholz sein, weil Lula auf der Pressekonferenz anlässlich des Scholz-Besuchs eine Vermittlungsinitiative ankündigte und sogar China mit ins Boot holen will. Dabei sollte doch der Besuch von Scholz wie der anderer Politiker des globalen Westens den Einfluss von China eindämmen.

Ende der Maskenpflicht

Das war mit Corona – gefühlt zumindest. Mit der Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln fällt am morgigen Donnerstag die letzte große Corona-Maßnahme. Im Einzelhandel endete sie bereits im Frühjahr 2022, im ÖPNV in manchen Bundesländern dann Ende des Jahres.

"Nun soll sie bundesweit im öffentlichen Nah- und Fernverkehr enden. Was genau sie bewirkt hat oder hätte bewirken können, wenn die Atemschutzmasken immer sachgemäß verwendet worden wären, war seit ihrer Einführung im April 2020 immer wieder Thema", heißt es in unserem Bericht dazu.

Passend zu ihrem bundesweiten Ende hat das Wissenschaftsnetzwerk Cochrane am Montag eine Analyse experimenteller Studien veröffentlicht, die sich damit befassten, ob "physikalische Maßnahmen" wie das Tragen von Masken die Ausbreitung von Atemwegsviren stoppen oder verlangsamen. Fazit: Das Tragen von Masken in Gemeinschaft mache "wahrscheinlich wenig oder keinen Unterschied bei der Ausbreitung einer grippeähnlichen Erkrankung".

Proteste in Europa: die Stille Front

Mehr als eine Million Menschen gehen in Frankreich im Rahmen von Sozialprotesten auf die Straße. Gleichzeitig findet in Großbritannien der größte Streik seit mehr als einem Jahrzehnt statt. Beide Protestwellen folgen auf Großdemonstrationen in anderen Teilen Europas, vor allem in Tschechien, im vergangenen Jahr. Der Grund in allen Fällen: Preissteigerungen, Inflation und die Unsicherheit im Kontext des russischen Krieges gegen die Ukraine und den EU-Sanktionen gegen Moskau.

Es ist eine stille Front, an der täglich gekämpft wird: Westliche Regierungen versuchen, die Folgen der tiefgreifenden wirtschaftlichen, handels- und energiepolitischen Umwälzungen infolge des Krieges in der Ukraine herunterzuspielen. Moskau, so ist zu vermuten, setzt im Zuge des Wirtschaftskriegs auf eine Verschärfung der Energie- und Sozialkrise in den europäischen Nato-Staaten.

Da kommt den hiesigen Regierungen eine Meldung wie die des EU-Statistikamtes Eurostat gerade recht: Die Inflation in der Eurozone sei im Januar den dritten Monat in Folge gesunken, die Verbraucherpreise seien im Jahresvergleich um 8,5 Prozent gestiegen, teilte Eurostat am Mittwoch in Luxemburg nach vorläufigen Schätzungen mit. Im Dezember hatte die Inflation noch bei 9,2 Prozent gelegen, nach einem Rekordhoch von 10,6 Prozent im Oktober. Nachrichtenagenturen sprachen von einem "Lichtblick" für Verbraucher.

Doch was bedeutet dieser Rückgang für die Menschen konkret? In Großbritannien hat der öffentliche Dienst fünf Prozent mehr Lohn angeboten, die kumulierte Inflation liegt auch dort bei gut zehn Prozent.

In allen Teilen der Eurozone ist der Wertverlust von Geld und Lohn ebenso zu spüren wie die parallel wirkenden Preissteigerungen in allen Bereichen. Nachzahlungen für Strom und Gas flattern in die Briefkästen, Einkäufe und Tankfüllungen kosten schmerzlich spürbar mehr als noch vor ein oder zwei Jahren.

Wen beruhigen Durchhalteparolen, etwa des Internationalen Währungsfonds, es werde jetzt eine Durststrecke geben, aber ab 2024 gehe es wieder aufwärts? Es brodelt in der Mittelschicht. Und das hat historisch gesehen in Deutschland noch nie ein gutes Ende genommen.

Die Frage ist also: Was tun die politisch Verantwortlichen, um die Menschen in ihrem Verantwortungsbereich zu entlasten und den sozialen wie politischen Frieden zu sichern? Was macht SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz, um seinem Amtseid gerecht zu werden, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden? Was unternehmen Emmanuel Macron in Frankreich und Rishi Sunak in Großbritannien?

Der Besuch von Olaf Scholz in Brasilien hat gezeigt, wie gravierend, tiefgreifend und zukunftsweisend die aktuellen Umbrüche sind, für die der Krieg in der Ukraine ein Katalysator ist. Europa findet keine eigene und vor allem keine gemeinsame Linie zur Beendigung dieses Krieges und setzt, getrieben von Washington und der Nato, auf die weitere Aufrüstung der Ukraine.

Das ist angesichts des russischen Völkerrechtsbruchs legitim, aber einer solchen Strategie müsste ein politischer Masterplan zugrunde liegen. Den aber gibt es nicht.

Zugleich trifft die vielschichtige Wirtschaftskrise den Euroraum mit voller Wucht. Die USA bei der Energieversorgung durch eigene Gasvorkommen und die Frackingindustrie besser da; Schwellenländer wie Indien und China werden wieder zu Motoren der Weltwirtschaft.

Und in Deutschland? Die Spalten der Lokalzeitungen zeugen von Pleitewellen auf kommunaler Ebene, vor allem kleine und mittelständische Unternehmen leiden unter den wirtschaftlichen Verwerfungen. Und natürlich – wie immer – die Armen.

Nach Berechnungen des Online-Portals Check24 reicht das sogenannte Bürgergeld nicht aus, um die gestiegenen Strompreise zu decken – so wenig wie zuvor Hartz IV. Zu diesem Ergebnis kommen auch der Sozialverband VdK und der Paritätische Gesamtverband.

Der heiße Herbst ist in Deutschland ausgeblieben. Aber in der Eurozone brodelt es. Laut Meteorologen soll der Jahresbeginn mild verlaufen sein. Politisch könnte es bald heiß werden.

Artikel zum Thema:

Thomas Pany: Sozialproteste: Die Straße gegen Macron [3]
Peter Nowak: Antwort auf Energiepreis-Abzocke: "Wir zahlen nicht – wir streiken!" [4]
Peter Nowak: Kein Schonvermögen für die Armen [5]


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-7479865

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.telepolis.de/features/Wehrpflicht-Debatte-High-Tech-Armee-oder-militaerischer-Drill-fuer-ganze-Generation-7478715.html
[2] https://www.telepolis.de/features/Nach-den-Panzern-ist-noch-lange-nicht-Schluss-7477255.html
[3] https://www.telepolis.de/features/Sozialproteste-Die-Strasse-gegen-Macron-7478267.html
[4] https://www.telepolis.de/features/Antwort-auf-Energiepreis-Abzocke-Wir-zahlen-nicht-wir-streiken-7467467.html
[5] https://www.telepolis.de/features/Kein-Schonvermo-gen-fuer-die-Armen-7352057.html