Ukraine-Krieg: Wird Awdijiwka das neue Bachmut?

Zerstörtes Wohnhaus in der ukrainischen Stadt Awdijiwka (Region Donezk) nach russischen Angriffen, 10. Oktober 2023. Bild: Polizei Ukraine / CC BY 4.0 Deed

Die russische Armee greift in den Ruinen der Stadt im Donbass ohne Rücksicht auf Verluste an. Sie rückt langsam vor. Und die ukrainischen Truppen?

Anfänglich von westlichen Experten nur als Entlastungsangriff angesichts der ukrainischen Großoffensive bezeichnet, gewinnt die russische Offensive auf den Donezker Vorort Awdijiwka (russisch: Awdejewka) an Brisanz. Keinesfalls ist sie ein reines Ablenkungsmanöver, der rücksichtslose Einsatz an Menschen und Material ist dafür zu hoch.

Der russische Analyst Nikolai Mitrokhin glaubt in der deutschen Fachzeitschrift Osteuropa, dass "die Ukraine die Stadt Awdijiwka aufgeben muss".

Awdijiwka, ein Vorort von Donezk mit vor dem Krieg über 30.000 Einwohnern, gehört zu den östlichsten von den Ukrainern beherrschten Städten im Kampfgebiet. Aktuell sollen sich dort noch etwa 1.000 Zivilisten aufhalten. Den Russen ist gerade diese Stellung der Ukrainer unweit der Donbass-Hauptstadt, die schon seit 2014 in der Hand separatistischer prorussischer Rebellen ist, ein Dorn im Auge.

Immer neue Wellen an russischen Einheiten greifen hier in den letzten Wochen an und nach Ansicht von Mitrokhin kamen alleine dabei 2.000 russische Soldaten zu Tode, mehr als 100 gepanzerte Fahrzeuge wurden zerstört. Andere Schätzungen gehen von bis zu 400 Verlusten solcher Fahrzeuge aus und bis zu 6.000 Toten und verletzten Angreifern.

"Auf diese Weise ist Bachmut gefallen"

Dennoch gelingt es nun den russischen Truppen, den Belagerungsring um die Stadt enger zu ziehen. Im Süden des Frontvorsprungs um Awdijiwka konnten die Russen, bestätigt auch durch ukrainische Quellen, einen Steinbruch einnehmen. Im Norden ist das nächste Ziel der Russen eine Kokerei. Insgesamt arbeiten die Angreifer auf eine Einkesselung der Stadt hin, da die zentralen Stellungen der Ukrainer sehr gut ausgebaut sind.

Rücken die Russen im Norden und Süden jeweils noch einen weiteren Kilometer vor, kommen sie in Sichtweite der Versorgungsrouten der Ukrainer in der Stadt. Sie können dann laut Mitrokhin "zumindest bei Tageslicht jedes dort fahrende Fahrzeug beschießen. Auf diese Weise ist Bachmut gefallen".

Dass die Ukrainer die Lage sehr ernst nehmen, beweist auch die Verlegung westlichen Militärgeräts von den stecken gebliebenen Offensiveinheiten in der Region Saporischja nach Awdijiwka. Im Umlauf ist hier auch ein neues Video, das die Ausschaltung eines modernen Leopard 2A6-Panzers unweit der Stadt zeigt.

Bei der örtlichen Offensive ist es offensichtlich, dass die russische Führung hier keine Rücksicht auf Verluste nimmt. Die exilrussische Onlinezeitung "The Insider" bestätigt unter Berufung auf prorussische, sogenannte Militärexperten, dass manche Sturmabteilungen komplett aufgerieben werden, im Schnitt 30 bis 60 Prozent der eingesetzten russischen Soldaten getötet oder kampfunfähig verwundet werden. Die hohen Verluste erklärten Militärs vor Ort mit unzureichender Ausbildung und fehlender Artillerieunterstützung.