Ukraine-Krieg: Zala vs. Sky Hunter – Die nächste Etappe Richtung Roboterkrieg

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Die Drohnenabwehr im Ukraine-Krieg erreicht eine neue Dimension. Russland rüstet seine Zala-Drohnen mit KI aus. Was die Ukraine dagegen in petto hat, verändert viel.
In mancher Hinsicht erinnert der Ukraine-Krieg an den 1. Weltkrieg: Nach anfänglicher Dynamik hat sich ein langsamer, stellungskriegsähnlicher Charakter entwickelt, bei dem schnelle Vorstöße kaum noch zu beobachten sind.
Ein wesentlicher Grund dafür ist das Phänomen des "Gläsernen Schlachtfelds", bei dem alle Bewegungen des Gegners in Echtzeit aufgeklärt und kontinuierlich beobachtet werden können. Diese Transparenz erreichen beide Kriegsgegner hauptsächlich durch den Einsatz von Aufklärungsdrohnen.
Sekundenschnelle Killchain
Deren Daten werden mit anderen Sensorsystemen fusioniert, zu einem Echtzeit-Lagebild aufbereitet und mit Waffensystemen verknüpft, die eine Bekämpfung eines aufgeklärten Gegners ebenfalls in nahezu Echtzeit ermöglichen.
Dieser Prozess von der Aufklärung des Gegners bis zur Bekämpfung wird auch "Killchain" genannt, und die Geschwindigkeit dieser Killchain kann im Ukraine-Krieg mittlerweile in Sekunden gemessen werden. Diese allgegenwärtige Beobachtung macht überraschende Manöver nahezu unmöglich und hat die Kriegsführung grundlegend verändert.
Wie russische Streitkräfte in bestimmten Sektoren zeitweise erblindeten
Bei der ukrainischen Offensive im Bereich Kursk im vergangenen August spielte die Bekämpfung russischer Aufklärungsdrohnen eine entscheidende Rolle. Laut Angaben des U.S. Army Training and Doctrine Command setzte das ukrainische Militär effektiv Luftabwehrsysteme ein, um die russische Aufklärung zu reduzieren.
Die gezielte Bekämpfung russischer unbemannter Luftfahrtsysteme und Angriffe auf russische Flugplätze führten dazu, dass die russischen Streitkräfte in bestimmten Sektoren zeitweise erblindeten.
Dieses taktische Ausschalten der Augen am Himmel schuf lokale Freiräume von der sonst allgegenwärtigen Überwachung und war ein entscheidender Faktor, der den ukrainischen Einbruch in die Region Kursk erst ermöglichte. Die ukrainischen Truppen konnten in diesen künstlich geschaffenen blinden Flecken operieren, ohne sofort entdeckt und bekämpft zu werden.
First-Person-View-Drohnen als Luftabwehrsystem
Ukrainische Luftverteidiger und Drohnenbediener nutzten vor allem First-Person-View-Drohnen als Luftabwehrsystem und zielten auf Russlands primäre Aufklärungsdrohnen wie das Orlan-System.
Durch diese Taktik gelang es den ukrainischen Streitkräften erst, zeitweise die ständige Beobachtung durch feindliche Drohnen zu unterbrechen und eigene Operationen durchzuführen – und damit erfolgreich in russisches Gebiet vorzustoßen.
Drohne-gegen-Drohne "Dogfight"
Kampfaufnahmen aus dem Ukraine-Krieg haben wiederholt diese direkten Abfangmanöver festgehalten, bei denen eine kostengünstige Drohne in ein anderes unbemanntes Fluggerät fliegt. Diese Praxis hat sich als kosteneffektive Luftabwehroption etabliert, die von beiden Konfliktparteien intensiv verfolgt wird.
Nach Angaben von Forbes war der erste bekannte Drohne-gegen-Drohne "Dogfight" bereits im Oktober 2022 zu verzeichnen.
Die russischen Streitkräfte haben bereits FPV-Drohnen erfolgreich zum Abfangen der ukrainischen Baba-Yaga-Nachtbomber eingesetzt – diese sind groß, langsam und fliegen in niedriger Höhe.
Das Abfangen von hoch und schnell fliegenden Aufklärungsdrohnen wie den Orlan oder Zala stellt jedoch eine wesentlich größere Herausforderung dar und erfordert deutlich mehr Koordination und präzise Flugplanung.
Die Kosten-Nutzen-Rechnung
Diese neuen taktischen Ansätze im Luftraum haben nicht nur militärische, sondern auch bedeutende wirtschaftliche Implikationen. Die Kosteneffizienz ist dabei ein entscheidender Faktor.
Laut Forbes kostet eine Orlan-10 Aufklärungsdrohne etwa 100.000 US-Dollar, während eine Stinger-Boden-Luft-Rakete mit etwa 500.000 US-Dollar pro Schuss zu Buche schlägt. Solche Raketen sind eine knappe Ressource und werden tendenziell für unmittelbare Bedrohungen aufgespart.
Die Kosten-Nutzen-Rechnung spricht daher eindeutig für den Einsatz von Abfangdrohnen. Laut Business Insider kostet eine typische Abfangdrohne zwischen 2.000 und 4.000 US-Dollar.
Der Einsatz von Drohnen reduziert die Abhängigkeit von teureren Munitionsarten und entlastet die Luftabwehreinheiten, die sich so auf größere Bedrohungen wie russische Flugzeuge oder Marschflugkörper und ballistische Raketen konzentrieren können.
Russische Zala Z-16: Neue Abwehrtechnologien
Als Reaktion auf diese erfolgreichen ukrainischen Abfangoperationen haben russische Ingenieure jetzt begonnen, die Zala Z-16 Aufklärungsdrohnen mit fortschrittlichen Abwehrtechnologien auszustatten. Diese Drohnen gleichen einem Modellflugzeug und werden mittels pneumatischer Startvorrichtung in die Luft gebracht.
Mit einem Abfluggewicht von 10,5 kg, einer Flügelspannweite von 2815 mm und einer maximalen Nutzlastkapazität von über 1,8 kg können sie laut Herstellerseite verschiedene Sensoren tragen.
Zu den Standardfunktionen gehören HD-Videostreaming in Echtzeit, Signalweiterleitung, Störungsresistenz, geringe Radarquerschnittsfläche und akustische Signatur sowie ein intelligentes Navigations- und Kommunikationsmodul.
Zusätzliches optisches Modul für maschinelles Sehen
Wie die ukrainische Webseite Militarny berichtet, wurde bei den Überresten einer abgeschossenen russischen Aufklärungsdrohne vom Typ Zala Z-16 ein zusätzliches optisches Modul entdeckt, das auf der Oberseite des Rumpfes positioniert war und speziell für die Erkennung von Abfangdrohnen konzipiert wurde.
Das neue System basiert auf "maschinellem Sehen", das eine optische Erkennung und die automatische Auswahl eines Manövers zum Ausweichen ermöglicht. Bei Feststellung einer Bedrohung leitet das System automatisch Ausweichmanöver ein.
Die Zala beginnt dann selbstständig zu manövrieren, was den Gegner zwingt, seine Batterieladung ineffektiv zu verbrauchen. Da eine FPV-Drohne in Quadkopter-Ausführung keine konstruktive aerodynamische Unterstützung aufweist, müssen Manöver alleine durch die Kraft der kleinen Rotoren durchgeführt werden, was wertvolle Batteriekapazität verbraucht.
Neben dem optischen Erkennungs- und Ausweichsystem experimentieren russische Entwickler laut Angaben von Militarny auch mit elektronischen Kampfsystemen auf UAVs. Auf Zala-Drohnen wurden Module des elektronischen Kampfgeräts "Zerkaltse" entdeckt, die einen Signalanalysator enthielten, der die Nähe von Strahlungsquellen – FPV-Drohnen, die kontinuierlich Videosignale übertragen – erkennen konnte.
Bei Erkennung aktivierte das System kurzzeitig einen Funkstörsender, der die Steuerung der Abfangdrohne stören sollte. Diese Entwicklung stellt eine parallele Verteidigungsstrategie dar, die die Effektivität der ukrainischen Abfangdrohnen weiter verringern soll.
Das ukrainische Projekt "Sky Hunter": Ein neues Konzept
Die Entwicklung von Drohnen-gegen-Drohnen-Taktiken und entsprechenden Gegenmaßnahmen hat weitreichende Implikationen für die Zukunft der Kriegsführung.
Laut Forbes-Bericht könnte die logische Weiterentwicklung der Technologie in der Kriegsführung die Integration automatischer Algorithmen auf Basis von "maschinellem Sehen" in ukrainische Abfangdrohnen sein, die potenzielle Manöver des Ziels berücksichtigen und eine höhere Trefferwahrscheinlichkeit gewährleisten.
Und genau in diese Richtung geht das ukrainische Projekt "Sky Hunter", das den Prozess des Abschießens feindlicher UAVs mit FPV-Drohnen automatisiert und die menschliche Beteiligung an diesem Prozess minimiert.
Die vom Unternehmen LLC Art Development im Februar vorgestellte Sky-Hunter-Software analysiert Daten von ukrainischen Radarsystemen in Echtzeit und verfolgt die Koordinaten von Luftzielen. Das System berechnet dann automatisch die optimale Flugbahn für eine Abfang-FPV-Drohne und führt sie auf Befehl zum Ziel, um es zu zerstören.
Sky Hunter ist für den Schutz strategischer Objekte vor russischen Aufklärungs- und Angriffsdrohnen wie Shahed, Molniya, Zala und Supercam konzipiert, berichtet das Portal Tech Ukraine.
Die Erfahrungen aus dem Konflikt in der Ukraine könnten somit wegweisend für zukünftige Entwicklungen im Bereich der unbemannten Luftfahrtsysteme und ihrer Abwehrtechnologien sein. Die Entwicklung von kostengünstigen, effektiven Abfangdrohnen einerseits und Technologien zur Vermeidung solcher Angriffe andererseits stellt eine neue Dimension im modernen Kriegsgeschehen dar.
Was im Ukraine-Konflikt als taktische Innovation begann, markiert eine weitere entscheidende Etappe in Richtung eines Roboterkriegs – eines Kriegsgeschehens, das durch zunehmende Automatisierung und Autonomisierung geprägt ist.